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RA Digital - 07/2016

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340 Zivilrecht

340 Zivilrecht RA 07/2016 Nach Auffassung des Gerichts setzt die Anwendung des § 476 BGB die Darlegung eines Mangels i.S.d. § 434 BGB durch den Käufer voraus. Das LG Coburg hätte sich hier zwingend mit der gegenteiligen Auffassung des EuGH zu Art. 5 III der Richtlinie 1999/44/EG auseinanderzusetzen müssen, RA 2015, 355 und RA 2016, 77. Es ist möglich, dass das Gericht nicht Pionier spielen wollte, weil es die Möglichkeit erkannt hat, § 476 BGB aus einem anderen Grund abzulehnen. Im Examen wäre die richtlinienkonforme Auslegung des § 476 BGB aber ein klarer Schwerpunkt. Bei einem Beschwerdebild, das - wie hier - jederzeit auftreten und auch vom Pferd unabhängige Ursachen haben kann, ist die Vermutung des § 476 BGB mit der Art des Mangels nicht vereinbar Aus demselben Grund scheiden auch andere Ansprüche aus dem Mängelrecht aus. nicht unvereinbar mit der Vermutung wäre. Dies deshalb, weil eben ein Charaktermangel ein dauerhafter Mangel wäre. Der Kläger konnte jedoch bereits den Nachweis eines Charaktermangels nicht führen. Erst wenn dieser nachgewiesen wäre und sich erst später, nämlich innerhalb von 6 Monaten nach Übergabe, gezeigt hätte, würde die Vermutung des § 476 BGB eingreifen. Bei den Verhaltensweisen des Pferdes handelt es sich jedoch um grundsätzlich wesensimmanente Verhaltensweisen des Pferdes, die sich hauptsächlich durch äußere Einflüsse negativ oder positiv entwickeln können, und nicht um Charaktermängel. [25] Soweit der Kläger als Mangel auf eine fehlende Rittigkeit oder Beherrschbarkeit des Pferdes abstellen will, wäre § 476 BGB aufgrund der Art der Sache und der Art des Mangels nicht anwendbar. Zwar ist § 476 BGB grundsätzlich auch auf den Tierkauf anwendbar, jedoch nicht ausnahmslos. Anders als bewegliche Sachen unterliegen Tiere während ihrer gesamten Lebenszeit einer ständigen Entwicklung und Veränderung ihrer körperlichen und gesundheitlichen Verfassung, die nicht nur von den natürlichen Gegebenheiten des Tieres (Anlagen, Alter), sondern auch von seiner Haltung (Ernährung, Pflege, Belastung) beeinflusst wird. Bei einem Beschwerdebild, welches nicht nur jederzeit auftreten kann, sondern auch von dem Pferd und seiner Veranlagung unabhängige Ursachen haben kann, ist aufgrund dieses Umstandes die Vermutung des § 476 BGB mit der Art des Mangels unvereinbar.“ Der sechsjährige Wallach war mithin bei Gefahrübergang nicht mangelhaft i.S.d. § 434 BGB. K steht daher gegen B kein Rücktrittsrecht aus §§ 437 Nr. 2, 323 BGB zu. B. Ergebnis K hat gegen B keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 4.200 € aus §§ 437 Nr. 2, 323, 346 I BGB. FAZIT Die Auswirkungen der Entscheidung des EuGH zu Art. 5 III der Richtlinie 1999/44/EG („Faber“-Entscheidung, RA 2015, 355) auf die Darlegungslast des Käufers bei § 476 BGB hat auch das LG Coburg nicht problematisiert (siehe hierzu auch OLG Brandenburg, RA 2016, 77 ff.). Das LG Coburg stellt aber klar, dass bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Pferd wegen eines behaupteten Charaktermangels die speziellen Gegebenheiten von Lebewesen als Kaufgegenstand beachtet werden müssen. Die Beweislastregel des § 476 BGB soll konform zur herrschenden Rechtsprechung auch bei Pferdekäufen grundsätzlich Anwendung finden. Allerdings kann die Vermutung des § 476 BGB wegen Unvereinbarkeit mit dem behaupteten Mangel ausgeschlossen sein, wenn das Beschwerdebild vom verkauften Pferd und dessen Veranlagung unabhängige Ursachen haben kann. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis

RA 07/2016 Zivilrecht 341 Problem: Vorgetäuschte Kündigung wegen Eigenbedarf Einordnung: Mietrecht BGH, Beschluss vom 10.05.2016 VIII ZR 214/15 EINLEITUNG Vermieter täuschen Eigenbedarf vor, um nach § 573 II Nr. 2 BGB den Mietvertrag zu kündigen. Das geräumte Objekt soll an Selbstnutzer gewinnbringend verkauft oder an neue Mieter mit erhöhtem Zins neu vermietet werden. Die Folgen eines solchen illegalen Vorgehens können allerdings sehr teuer werden, wenn die Sachlage aufgeklärt wird. SACHVERHALT Seit dem 01.01.2009 ist der Kläger (K) Mieter eines Wohnhauses des Beklagten (B). Unter Berufung auf einen Eigenbedarf seines Neffen (N) kündigt B dem K mit Schreiben vom 15.11.2010 das Mietverhältnis. In der Folgezeit schließen K und B einen gerichtlichen Räumungsvergleich. In diesem wird K eine Räumungsfrist bis zum 31.12.2012 gewährt sowie die Möglichkeit, eher auszuziehen. Davon macht K Gebrauch und verlässt das Wohnhaus am 31.07.2012. Im April 2013 veräußert B das Grundstück an D. Als K davon erfährt verlangt er von B Schadenersatz für die entstanden Umzugskosten. Schließlich sei die Kündigung wegen Eigenbedarfs nur vorgeschoben gewesen. N habe das Wohnhaus nur deshalb überlassen bekommen, weil B davon ausging, dass er im Falle des beabsichtigten gewinnbringenden Verkaufs des Grundstücks ohne Schwierigkeiten wieder auszuziehen werde. Zu Recht? PRÜFUNGSSCHEMA A. Anspruch des K gegen B auf Ersatz der Umzugskosten aus §§ 280 I, 241 II BGB I. Schuldverhältnis II. Pflichtverletzung gem. § 241 II BGB III. Verschulden IV. Ersatzfähiger, adäquat kausaler Schaden B. Ergebnis LÖSUNG Jura Intensiv LEITSATZ Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs kann auch dann vorgeschoben sein, wenn ein Vermieter seit längerem Verkaufsabsichten hegt und der von ihm benannten Eigenbedarfsperson den Wohnraum in der - dieser möglicherweise nicht offenbarten - Erwartung zur Miete überlässt, diese im Falle eines doch noch gelingenden gewinnbringenden Verkaufs ohne Schwierigkeiten zum Auszug bewegen zu können. Im Falle einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung kommen neben §§ 280 I, 241 II BGB auch Ansprüche aus § 826 BGB, aus § 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB und aus § 823 I BGB (berechtigter Besitz als sonstiges Recht) in Betracht. Auf die Darstellung dieser Anspruchsgrundlagen muss hier aus Platzgründen verzichtet werden. A. Anspruch des K gegen B auf Ersatz der Umzugskosten aus § 280 I BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.d. der entstandenen Umzugskosten gem. §§ 280 I, 241 II BGB haben. I. Schuldverhältnis Seit dem 01.01.2009 besteht zwischen K und B ein wirksamer Mietvertrag über dessen Wohnhaus gem. §§ 535, 549 I BGB und damit ein Schuldverhältnis. II. Pflichtverletzung B müsste gegenüber K eine Pflichtverletzung begangen haben. In Betracht kommt hier die Verletzung einer Treuepflicht aus dem Mietvertrag. Die Rücksichtnahme auf die Vermögensinteressen des Mieters gebietet, den Ausspruch einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung zu unterlassen. Es ist deshalb Der Ausspruch einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung ist eine Treuepflichtverletzung gem. § 241 II BGB. Inhaltsverzeichnis

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