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RA Digital - 07/2018

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358 Referendarteil:

358 Referendarteil: Zivilrecht RA 07/2018 Mit Schreiben vom 02.03.2018 hat sich der Beklagte der Erledigung angeschlossen. Er meint, die Kosten des Verfahrens nicht tragen zu müssen, da der künftige Abschlag bei unter 100 € monatlich liege und die Klägerin den Abschlag schon früher hätte reduzieren müssen. Obersatz der Entscheidung nach § 91a ZPO Die Kostenentscheidung nach § 91a ZPO hängt zum einen davon ab, wer nach bisherigem Sach- und Streitstand gewonnen hätte. Zum anderen sind Billigkeitserwägungen einzubeziehen. Hierauf zielte der Beklagte mit seiner Rechtsansicht, die Klägerin hätte aufgrund seines reduzierten Stromverbrauchs bereits 2017 den Abschlag anpassen müssen. Zu bedenken und zu berücksichtigen sind auch mögliche, aber noch nicht geltend gemachte Angriffsund Verteidigungsmittel (z.B. Einrede der Verjährung). Summarische Prüfung genügt: BGH, Beschluss vom 28.10.2008, VIII ZB 28/98 und BGH, Urteil vom 16.09.1993, V ZR 246/92 Entscheidungsgrundlage ist im Falle einer übereinstimmenden Erledigung ein ungeklärter Sachverhalt, weshalb eine reine Unterliegenshaftung an ihre Grenzen stößt. Häufig und auch hier zu berücksichtigen: Prozessökonomie. II. Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien war nach § 91a ZPO nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Diese hat der Beklagte zu tragen. „Bei der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO sind die allgemeinen kostenrechtlichen Vorschriften (§§ 91 ff. ZPO) heranzuziehen. An die Stelle des Kriteriums des gegenseitigen Unterliegens und Obsiegens tritt das Kriterium, wie der Rechtsstreit ohne die übereinstimmende Erledigung ausgegangen wäre und wer die Kosten des Rechtsstreits hätte tragen müssen. Dies erfordert eine Prognoseentscheidung, für die § 91a I ZPO als Entscheidungsparameter die „Billigkeit“ und den „bisherigen Sach- und Streitstand“ vorgibt. Entscheidungsgrundlage ist der Stand des Verfahrens im Zeitpunkt, in dem die übereinstimmende Erledigung wirksam geworden ist. Im Falle, dass die Erledigungserklärungen schriftlich erfolgen, ist dies der Zeitpunkt des Eingangs der zustimmenden Erledigungserklärung. Zu fragen ist, wie sich der Rechtsstreit ohne das erledigende Ereignis entwickelt hätte und wohl entschieden worden wäre. Im Rahmen der zu treffenden Prognoseentscheidung muss das Gericht nicht nur die unstreitigen Tatsachen und die zum oben genannte Zeitpunkt vorliegenden Beweise würdigen, sondern auch die bei Weiterführung des Verfahrens möglichen und wahrscheinlichen Angriffs- und Verteidigungsmittel bedenken. Hierbei gilt nicht das strenge und grundsätzliche Verbot der Beweisantizipation. Bei der Prüfungstiefe stellt sich das nämliche Problem. Die Kostengerechtigkeit verlangt eine möglichst umfassende und abschließende Würdigung aller streitentscheidenden Probleme rechtlicher und tatsächlicher Natur. Dazu würde sowohl die Beantwortung schwieriger Rechtsfragen gehören, als auch die Klärung komplexer Sachfragen, etwa anhand vorliegender Gutachten, Urkunden und substantiierten Parteivortrags. Dass dies nicht der Verfahrensökonomie entsprechen kann, liegt auf der Hand. Deshalb ist das Gericht nicht zu einer abschließenden und umfassenden Prüfung der Sach- und Rechtslage gezwungen. Ausreichend und genügend ist vielmehr eine summarische Prüfung des bisherigen und zukünftigen Prozessverlaufs einschließlich der aufgeworfenen Rechtsfragen, wobei es für die Beantwortung von rechtlichen und tatsächlichen Streitfragen genügen kann, auf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit abzustellen.“ Jura Intensiv Diese Kombination von Unterliegens- und Billigkeitshaftung ist gerechtfertigt, weil Entscheidungsgrundlage ein potenziell unvollständig aufgeklärter Sachverhalt ist, sodass oftmals keine verlässliche Aussage darüber getroffen werden kann, wer in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen gewesen wäre. Darüber hinaus sprechen auch prozessökonomische Gesichtspunkte gegen eine strenge Anwendung allein des Unterliegensprinzips. Daher eignet sich das Verfahren nach § 91a ZPO weder für die Entscheidung grundsätzlicher Rechtsfragen noch für die Fortbildung des Rechts. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2018 Referendarteil: Zivilrecht 359 In welchem Umfang Rechtsfragen abschließend zu klären sind, steht im Ermessen des Gerichts. Das Gericht kann hierbei von der Entscheidung grundsätzlicher Fragen absehen. Leitend für das Ermessen sind der Aufwand für das Gericht und die (insbes. zukünftige) Bedeutung der Rechtsfrage für die Parteien. Außerdem sind die Erledigungserklärungen der Parteien dahin zu hinterfragen, ob diese noch ein berechtigtes Interesse an der Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen haben. Ein summarischer Prüfungsmaßstab, eine Beweisantizipation und eine Entscheidung auf der Grundlage überwiegender Wahrscheinlichkeit sind dem Prozessrecht zudem grundsätzlich nicht fremd, insbesondere im Rahmen von Eilentscheidungen wird entsprechend vorgegangen. Die für die Kostenentscheidung nach „billigem Ermessen“ maßgebliche Frage, wie der Rechtsstreit ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung ausgegangen wäre, beantwortet sich danach, ob die Klage bis dahin zulässig und begründet gewesen ist. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Klage Erfolg gehabt hätte, genügt für die Kostenlast des Beklagten (und umgekehrt). Erweist sich der Ausgang des Rechtsstreits nach dem dargestellten Prüfungsmaßstab als ungewiss, werden die Kosten regelmäßig gegeneinander aufzuheben sein. „Wurde die Abgabe der Erledigungserklärungen durch ein Verhalten des Beklagten veranlasst, lassen sich hieraus Schlüsse hinsichtlich des mutmaßlichen Prozessausgangs bei streitiger Entscheidung ziehen. Eine vorbehaltlose und freiwillige, d.h. nicht zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgte Erfüllung der Klageforderung spricht im Allgemeinen für deren Bestand und Durchsetzbarkeit. Der Beklagte muss dann Gründe vortragen, weshalb der Klageanspruch gleichwohl unbegründet war. Ein solcher Grund kann bspw. gegeben sein, wenn der Beklagte ein evidentes Missverhältnis zwischen Streitinteresse und Streitaufwand plausibel geltend macht; ferner bei zweifelhafter Passivlegitimation des Beklagten, wenn der Kläger, wäre die Klage deswegen abgewiesen worden, mutmaßlich eine dem Beklagten nahe stehende Person verklagt hätte. Jedoch darf die Befriedigung des Klägers durch einen Dritten nicht ohne weiteres einer Klaglosstellung durch den Beklagten gleichgestellt werden. So erlaubt zB die Schadensregulierung durch den Versicherer ohne Zustimmung des Beklagten nicht den Rückschluss, der Beklagte habe sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben.“ Jura Intensiv Eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten ohne das erledigende Ereignis - die Zahlungen des Beklagten - ergibt vorliegend, dass die Klage aller Wahrscheinlichkeit nach Erfolg gehabt hätte. So ist zwischen den Parteien unstreitig, dass sich der Beklagte mit einem Betrag von über 3.000 € in Zahlungsrückstand befand und die Klägerin aufgrund dieses Rückstandes die Sperrung des Stromanschlusses begehrte. Rechtsfragen müssen nicht stets abschließend geklärt werden, sondern liegen bei § 91a ZPO im Ermessen des Gerichts, OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 24.06.1992, 9 U 116/89. Ermessensleitende Gesichtspunkte Genügend für Auferlegung der Kostenlast: Überwiegende Wahrscheinlichkeit, BGH, Beschluss vom 16.09.1993, V ZR 246/92 Bei Ungewissheit Kostenaufhebung: BGH, Urteil vom 08.06.2005, XII ZR 177/03: Die vorbehaltslose und freiwillige Zahlung spricht häufig für das Bestehen des Anspruchs und gilt deshalb als Kriterium für die Kostentragung, Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, § 91a, Rn 48). Das Gericht nennt Beispiele entgegenstehender Gründe, die ein Beklagter vortragen kann, z.B. abweichende Passivlegitimation, OLG Koblenz, Beschluss vom 25.09.1998, 5 W 587/98. Siehe zur Befriedigung des Klägers durch Dritte: LG Berlin, Beschluss vom 07.11.1994, 59 T 13/94 Obersatz: Prüfergebnis summarische Prüfung Unstreitig: Zahlungsrückstand des Beklagten auf den Stromliefervertrag nach der StromGVV, der ein kaufrechtliches Dauerschuldverhältnis darstellt. Die Sperrung ist die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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