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RA Digital - 07/2018

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366 Nebengebiete

366 Nebengebiete RA 07/2018 LÖSUNG [11] II. (…) Die Revision führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung. (…) Entgegen seiner Auffassung ist der gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB nicht gemäß § 353 Satz 1 HGB zu verzinsen. [12] 1. Nach § 353 Satz 1 HGB sind Kaufleute untereinander berechtigt, für ihre Forderungen aus beiderseitigen Handelsgeschäften vom Tage der Fälligkeit an Zinsen zu fordern. Die Frage, ob diese Vorschrift auch auf Schadenersatzansprüche zwischen Kaufleuten aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 1 BGB anwendbar ist, ist – soweit ersichtlich – bisher höchstrichterlich nicht entschieden. Ähnliche Rechtsfrage: Geltung des § 352 HGB für deliktische Ansprüche und für bereicherungsrechtliche Ansprüche: Nein. Erste Ansicht: Eine Forderung aus einem Handelsgeschäft ist stets gegeben, wenn ein innerer Zusammenhang mit einem Handelsgeschäft besteht. Zweite Ansicht: Das Kriterium des inneren Zusammenhangs ist zu unbestimmt. [13] Der (BGH) hat (...) lediglich entschieden, dass der für Handelsgeschäfte geltende gesetzliche Zinssatz von 5 % nach § 352 HGB auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung – selbst wenn sie im Zusammenhang mit einem beiderseitigen Handelsgeschäft entstanden sind – keine Anwendung findet. Diese Entscheidung steht im Einklang mit weiteren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, wonach Bereicherungsansprüche zwischen Kaufleuten (BGH, Urteil vom 2. Dezember 1982 - III ZR 90/81, NJW 1983, 1420, 1423; ...) auch dann keine Ansprüche aus beiderseitigen Handelsgeschäften im Sinne des § 352 HGB darstellen, wenn das zugrunde liegende Rechtsgeschäft oder die angefochtene Rechtshandlung ein solches war. Hinsichtlich der ebenfalls im Vierten Buch geregelten Rügeobliegenheit unter Kaufleuten (§ 377 HGB) hat der Bundesgerichtshof eine Anwendbarkeit auf deliktische Ansprüche verneint (BGH, Urteil vom 16. September 1987 - VIII ZR 334/86, BGHZ 101, 337, 343 f.). [14] Die Auffassung im Schrifttum ist geteilt: Ein Teil des Schrifttums geht davon aus, dass Ansprüche aus unerlaubter Handlung zumindest dann Forderungen aus Handelsgeschäften sein können, wenn die unerlaubte Handlung in einem inneren Zusammenhang mit einem Handelsgeschäft steht (...). Dies wird vor allem dann angenommen, wenn der in der unerlaubten Handlung liegende Realakt auf ein Handelsgeschäft bzw. auf das Vorhandensein eines rechtsgeschäftlichen Kontakts zwischen den Parteien bezogen ist (BeckOK HGB/Lehmann-Richter, 15.1.2018, HGB, § 353 Rn. 9, § 343 Rn. 11), da in diesen Fällen eine einheitliche Behandlung aller Ansprüche, die auf demselben Lebenstatbestand beruhten, geboten und eine künstliche Trennung sachwidrig sei (Hefermehl in Schlegelberger, HGB, 5. Aufl., § 343 Rn. 13). Die Gegenansicht definiere den Begriff des Handelsgeschäfts zu eng. Ein Handelsgeschäft im Sinne der §§ 343, 344 HGB liege nicht nur bei zum Betrieb des Handelsgewerbes gehörenden Rechtsgeschäften, sondern auch bei bloßen Rechtshandlungen, mithin also bei jedem zum Betrieb des Handelsgewerbes zu rechnenden rechtserheblichen Verhalten vor. Führe nun eine derartige Rechtshandlung zu einem gesetzlichen Anspruch, so habe dieser seine Grundlage in einem Handelsgeschäft (EBJS/Kindler, HGB, 3. Aufl., § 352 Rn. 11, 13). Jura Intensiv [15] Nach anderer Auffassung ist zwar der Begriff des Geschäfts im Sinne von § 343 Abs. 1 HGB nach allgemeiner Meinung weiter zu fassen als derjenige des Rechtsgeschäfts bzw. der Willenserklärung im Sinne von §§ 104 bis 185 BGB (...). Keine Geschäfte in diesem Sinne sollen aber unerlaubte Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2018 Nebengebiete 367 Handlungen sein (vgl. Oetker/Pamp, HGB, 5. Aufl., § 343 Rn. 8; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl., § 343 Rn. 1; HK-HGB/Ruß, 7. Aufl., § 343 Rn. 1; Klappstein in Heidel/Schall, HGB, 2. Aufl., § 343 Rn. 3; Roth in Koller/ Kindler/Roth/Morck, HGB, 8. Aufl., § 343 Rn. 3; MünchKommHGB/K. Schmidt, 3. Aufl., § 343 Rn. 5; zweifelnd Heymann/Horn, HGB, 2. Aufl., § 343 Rn. 9). Kritisiert wird insbesondere, dass das Differenzierungsmerkmal, wonach die unerlaubte Handlung dann Handelsgeschäft sein soll, wenn der Vorgang in einem „inneren Zusammenhang mit einem Handelsgeschäft“ steht, zu unbestimmt sei und auch nicht konsequent durchgehalten werde. So würden Schadensersatzansprüche nach einem Unfall des Kaufmanns auf der Geschäftsfahrt nicht darunter gefasst (vgl. Oetker/Pamp, HGB, 5. Aufl., § 343 Rn. 8). [16] 2. Der Senat schließt sich im Ergebnis der letztgenannten Auffassung an. Dass ein Vertragspartner im Zusammenhang mit Handelsgeschäften unerlaubte Handlungen begehen kann, macht diese und die aus ihnen resultierenden gesetzlichen Schuldverhältnisse nicht selbst zu Handelsgeschäften (...). Entscheidend ist dafür neben der oben dargestellten berechtigten Kritik, dass § 353 Satz 1 HGB im Hinblick auf seine bereits für rechtsgeschäftliche Ansprüche von Kaufleuten untereinander zweifelhaft (gewordene) ratio legis eng auszulegen ist. [17] § 353 Satz 1 HGB sieht abweichend von den für Nichtkaufleute geltenden allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Regelungen, wonach bei Fehlen anderweitiger Abreden Zinsen ab Eintritt des Verzuges bzw. der Rechtshängigkeit geschuldet werden, unter Kaufleuten eine Verzinsung bereits vom Tage der Fälligkeit an vor. (...). § 353 Satz 1 HGB ist nach allgemeiner Meinung Ausdruck des handelsrechtlichen Entgeltprinzips, demzufolge der Kaufmann „nichts umsonst tut“ (Kindler in EBJS, HGB, 3. Aufl., § 353 Rn. 2 mwN). Die Regelung soll auf der Erfahrungstatsache beruhen, dass ein Kaufmann ihm zustehendes Geld stets nutzbringend anlegen wird (...). Sie wird auch mit der gegenüber dem Privatmann größeren Bedeutung der Liquidität des Kaufmanns begründet (...). Ausgehend von der Perspektive des kaufmännischen Geldgläubigers wird im Zinsanspruch eine Entschädigung für die Vorenthaltung des Kapitals gesehen und dieser als ein Schadensersatzanspruch qualifiziert (...). Nach anderer Auffassung ausgehend von der Perspektive des Geldschuldners stellt sich der Fälligkeitszins als Entgelt für die bei diesem präsumtiv eingetretene Kapitalnutzung dar und ist deshalb als bereicherungsrechtlicher Vermögensausgleich einzustufen (...). Nach vermittelnder Auffassung begründet § 353 Satz 1 HGB einen Anspruch sui generis, in dem sich bereicherungsund schadensersatzrechtliche Aspekte miteinander verbinden (vgl. Canaris in Staub aaO Rn. 5). Jura Intensiv [18] Welcher Auffassung für die hier zu beantwortende Frage zu folgen ist, kann offen bleiben. Die unterschiedlichen Betrachtungsweisen helfen nicht darüber hinweg, dass die ratio legis der Norm schwer zu erfassen und aus heutiger Sicht in Bezug auf das Zinsrecht eine Ungleichbehandlung von Kaufleuten und Nichtkaufleuten kaum nachzuvollziehen ist (vgl. zur Kritik der Norm Kindler, Gesetzliche Zinsansprüche im Zivil- und Handelsrecht, 1996, S. 59, 167; Kindler in EBJS aaO Rn. 5; Canaris in Staub aaO § 353 Rn. 6 f.; aA MünchKommHGB/K. Schmidt, aaO Rn. 3; BeckOK HGB/Lehmann-Richter, 15.1.2018, § 353 Rn. 2), da bereits die Annahme der höheren Produktivität BGH folgt der zweiten Ansicht und spricht sich für eine restriktive Auslegung des – rechtspolitisch fragwürdigen – § 353 S. 1 HGB aus. Rechtsnatur des § 353 HGB streitig: e.A. Schadensersatzanspruch a.A. Bereicherungsanspruch a.A. Anspruch sui generis BGH lässt Rechtsnatur und ratio legis offen. Jedenfalls sei die Norm aus heutiger Sicht schwer nachzuvollziehen, weshalb eine restriktive Auslegung geboten sei. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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