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RA Digital - 07/2019

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

342 Zivilrecht

342 Zivilrecht RA 07/2019 Verkehrsunfall beteiligten Mercedes ist. Fraglich ist, ob es sich auswirkt, dass F den Straßenverkehrsunfall allein verschuldet hat. Bei § 7 I StVG handelt es sich um einen Anspruch aus Gefährdungshaftung. Der Halter eines Kfz haftet auch ohne Verschulden, sofern sich die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs im Kausalverlauf realisiert hat. Hier steht fest, dass das Fahrzeug des H am streitgegenständlichen Unfall im Straßenverkehr beteiligt war, ferner, dass durch den Unfall am Mercedes eine gefahrbringende Schädigung erfolgt war, die sich dann in der Werkstatt realisiert hat. Wie bereits beschrieben, wurde der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang weder durch das Abstellen des Kfz in der Werkstatt außerhalb des Straßenverkehrs, noch durch den zeitlichen Abstand zum Unfall, noch durch das Verhalten des J unterbrochen. Folglich realisierte sich die Betriebsgefahr. 2. Ersatzfähiger und kausaler Schaden Gem. § 249 II 1 BGB besteht wegen der Sachschäden eine Zahlungspflicht in Geld. An der Kausalität der erforderlichen Reparaturkosten besteht kein Zweifel. 3. Einwendungen des B1 gegen H aus §§ 412, 401 BGB B1 kann die dem H gegen J aus §§ 9 StVG, 254 I BGB zustehenden Einwendungen über §§ 412, 401 BGB entgegenhalten. Deshalb ist der Anspruch um 40 % zu kürzen. C. Gesamtschuldverhältnis Die Ansprüche des J gegen die Kfz-Halter H und F haben ihre Ursache im selben Unfallgeschehen und sind gem. § 421 BGB auf dasselbe Leistungsinteresse, mithin dieselbe Leistung gerichtet. H und F haften J als Gesamtschuldner. Die Direktansprüche gegen die nach § 115 I 1 4 VVG neben Haltern als Gesamtschuldner haftenden Versicherer, sind auf die Regulierung desselben Schadens gerichtet. Folglich haften die Versicherer B1 und B2 als Gesamtschuldner. D. Ergebnis Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz des ihren Versicherungsnehmern entstandenen Sachschadens gegen die Beklagten als Gesamtschuldner aus § 115 I 1 Nr. 1 VVG, § 7 I StVG i.V.m. § 86 I VVG und § 421 BGB. Jura Intensiv FAZIT Bei jedem Gefährdungshaftungstatbestand wird nur gehaftet, wenn sich die tatbestandsspezifische Gefahr im Kausalverlauf realisiert hat. Diese folgt bei § 7 I StVG aus der Formulierung „bei Betrieb“ und besteht in der Realisierung der Betriebsgefahr. Grundlage der Haftung ist der Betrieb des Fahrzeugs im Straßenverkehr. Wenn sich der Unfall im Straßenverkehr ereignet, das Unfallfahrzeug mit zeitlichem Abstand außerhalb des Straßenverkehrs einen Dritten schädigt, kommt es darauf an, ob der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang noch fortbesteht oder unterbrochen wurde. Entscheidend ist im Einzelfall, ob sich die unmittelbar durch den Fahrbetrieb hervorgerufenen Umstände noch ausgewirkt haben. Dies gilt auch im Falle des Zweiteingriffs durch einen Dritten. Wenn sich bei wertender Betrachtung nicht mehr das Schadensrisiko des Ersteingriffs verwirklicht hat, weil zwischen beiden Eingriffen nur ein „äußerlicher“, gleichsam „zufälliger“ Zusammenhang besteht, haftet der Erstschädiger nicht. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2019 Zivilrecht 343 Problem: Wirksamkeit einer AGB-Klausel zum Zahlungsverzug bei Nachhilfeunterricht Einordnung: AGB-Kontrolle, Schuldnerverzug BGH, Urteil vom 18.04.2019, III ZR 191/18 EINLEITUNG Die Problematik ist bereits aus der Überprüfung von Klauseln in Fitnessstudioverträgen bekannt. Im vorliegenden Fall musste sich der BGH mit einer Vorfälligkeitsklausel in einem Unterrichtsvertrag befassen. Kläger ist ein Verbraucherschutzverband, der die Unterlassung der Klausel nach UKlaG einklagt. SACHVERHALT B betreibt eine Vielzahl von Bildungseinrichtungen im Bundesgebiet, in denen sie Nachhilfeunterricht für Schüler anbietet. Der in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Kläger (K) klagt wegen der Verwendung folgender Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Unterlassung: „Bei einem Zahlungsverzug von mehr als drei Monaten wird sofort der gesamte restliche Betrag bis zum nächstmöglichen Kündigungstermin fällig.“ Die Regelung knüpft an die vorformulierte Vereinbarung monatlicher Unterrichtsgebühren und die von K nicht beanstandete weitere Klausel an, dass diese bis spätestens zum 3. Werktag des jeweiligen Kalendermonats im Voraus fällig werden. B meint, die streitige Klausel halte der Inhaltskontrolle stand, da sie die vorzeitige Fälligkeit der Restvergütung von einem Zahlungsverzug von mehr als drei Monaten und damit von einer schweren Vertragsverletzung abhängig mache und weder die Rechte des Kunden, sich von dem Vertrag zu lösen, verschlechtere noch das Insolvenzrisiko der B in unbilliger Weise auf ihn verlagere. Zu Recht? PRÜFUNGSSCHEMA A. K gegen B auf Unterlassung gem. §§ 1, 3 I Nr. 1, 4 I UKlaG B. Ergebnis LÖSUNG Jura Intensiv A. K gegen B auf Unterlassung gem. §§ 1, 3 I Nr. 1, 4 I UKlaG K könnte gegen B einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der streitgegenständlichen AGB-Klausel hinsichtlich des Abschlusses von Dienstverträgen mit Verbrauchern aus §§ 1, 3 I 1 Nr. 1, 4 UKlaG haben. I. Anspruchsberechtigung K ist gem. §§ 3 I Nr. 1, 4 I UKlaG als eine vom Bundesamt für Justiz anerkannte qualifizierte Einrichtung anspruchsberechtigt. II. Anspruchsvoraussetzungen Gem. § 1 UKlaG kann im Interesse des Verbraucherschutzes auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die nach den §§ 307 - 309 BGB unwirksam sind. LEITSATZ 1. Eine in Unterrichtsverträgen verwendete Vorfälligkeitsklausel, wonach bei einem Zahlungsverzug von mehr als drei Monaten sofort der gesamte restliche Betrag bis zum nächstmöglichen Kündigungstermin fällig wird, stellt keine an § 309 Nummer 6 BGB zu messende Regelung dar. Denn sie legt keine auf die Zahlung einer Geldsumme gerichtete Vertragsstrafe im Sinne des § 339 BGB fest, bei der der Schuldner eine zu seiner Hauptleistung hinzutretende, in Geld bestehende Leistung erbringen muss, sondern bürdet dem Dienstberechtigten, der im Verzugsfall weiterhin nur zur - allerdings zeitlich vorgezogenen - Zahlung der vertraglich vereinbarten Unterrichtsvergütung aus § 611 Absatz 1 BGB verpflichtet bleibt, keine zusätzlichen Zahlungspflichten auf. 2. Die vorgenannte Klausel verletzt nicht das Transparenzgebot, da sie den Zeitpunkt des Eintritts der Vorfälligkeit und die Höhe der vorzeitig fällig gestellten Restvergütung eindeutig erkennen lässt. Der Ausdruck „zum nächstmöglichen Kündigungstermin“ bezeichnet sowohl nach gewöhnlichem als auch juristischem Sprachgebrauch den nächstmöglichen Beendigungszeitpunkt eines Vertrags. 3. Die Unwirksamkeit der Klausel ergibt sich auch nicht aus der Generalklausel des § 307 Absatz 1 S. 1 BGB oder der Regelvermutung nach § 307 Absatz 2 Nummer 1 BGB. Denn die Vorfälligkeitsklausel bewirkt keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, sondern knüpft vielmehr mit einem Zahlungsverzug von mehr als drei Monatsbeiträgen an eine besonders schwerwiegende schuldhafte Vertragsverletzung des Kunden an, die den Dienstverpflichteten dazu berechtigen würde, sich durch Rücktritt oder fristlose Kündigung vom Unterrichtsvertrag zu lösen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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