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RA Digital - 07/2019

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344 Zivilrecht

344 Zivilrecht RA 07/2019 Voraussetzungen der Unterlassungsklage nach § 1 UKlaG: Benutzung von gem. §§ 307 ff. BGB unwirksamen AGB Unwirksamkeit nach § 309 Nr. 2 BGB? Die Wirksamkeit einer Klausel, die die Vorleistungspflicht eines Kunden normiert, richtet sich nicht nach § 309 Nr. 2 BGB. Klauselverbot nach § 309 Nr. 6 BGB? Anschließend an BGH, Urteil vom 19.09.1985, III ZR 213/83 hat das Brandenburgische Oberlandesgericht in seinem Urteil, NJW-RR 2004, 273, einer derartigen Klausel in einem Fitnessstudiovertrag den Charakter einer Vertragsstrafe abgesprochen. Klausel legt keine auf Zahlung einer Geldsumme gerichtete Vertragsstrafe fest Klausel bürdet auch keine zusätzlichen Zahlungspflichten auf Kunde verliert auch keine eigenen Rechte Klausel erlaubt Verwender nicht, die vorzeitig vereinnahmten Monatsentgelte zu behalten, wenn er kündigt Kündigt der Verwender nach § 626 BGB, muss er die überzahlte Geldleistung nach § 628 I 3 BGB erstatten. 1. Unwirksamkeit der Klausel wegen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 2 BGB Die Klausel könnte gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 2 BGB verstoßen. Das wäre der Fall, wenn dem Vertragspartner des Verwenders das Leistungsverweigerungsrecht gem. § 320 BGB eingeschränkt oder ausgeschlossen würde oder ein anderes Zurückbehaltungsrecht, das auf demselben Vertragsverhältnis beruht, eingeschränkt oder ausgeschlossen würde. [11] (Die Klausel) … beeinträchtigt kein Leistungsverweigerungs- oder Zurückbehaltungsrecht, sondern begründet unter bestimmten Voraussetzungen eine Vorleistungspflicht des Kunden. Eine solche Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nicht an § 309 Nummer 2 BGB, sondern an der Generalklausel des § 307 BGB zu messen. 2. Unwirksamkeit der Klausel wegen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 6 BGB Die Klausel würde gegen § 309 Nr. 6 BGB verstoßen, wenn sie dem Gegner des Verwenders für den Fall seines Zahlungsverzuges eine Vertragsstrafe auferlegen würde. [13] Ob § 309 Nummer 6 BGB auf Vorleistungs- beziehungsweise Vorfälligkeitsklauseln in einem Dienstvertrag Anwendung findet, dessen Gegenstand die Erteilung von Unterricht ist, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung bislang offen gelassen. Allerdings hat der Senat eine Vorfälligkeitsbestimmung in einem Darlehensvertrag, nach der bei Verzug des Kreditnehmers der gesamte Betrag zur sofortigen Rückzahlung fällig wird, ausdrücklich nicht als verbotene Vertragsstrafenklausel, sondern als eine der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegende Vertragsbeendigungsregelung angesehen. [14] Auch die von der Beklagten in ihren Unterrichtsverträgen verwendete Vorfälligkeitsklausel stellt keine an § 309 Nummer 6 BGB zu messende Regelung dar. So legt sie keine auf die Zahlung einer Geldsumme gerichtete Vertragsstrafe im Sinne des § 339 BGB fest, bei der der Schuldner eine zu seiner Hauptleistung hinzutretende, in Geld bestehende Leistung erbringen muss. Denn sie bürdet dem Dienstberechtigten, der im Verzugsfall weiterhin nur zur - allerdings zeitlich vorgezogenen - Zahlung der vertraglich vereinbarten Unterrichtsvergütung aus § 611 Absatz 1 BGB verpflichtet bleibt, keine zusätzlichen Zahlungspflichten auf. Sie ist auch keine einer Vertragsstrafe ähnliche und deshalb gegebenenfalls wie eine solche zu behandelnde Verfall- oder Verwirkungsklausel, durch die der Schuldner bei nicht gehöriger Erfüllung seiner Verbindlichkeit eigene Rechte verliert. Anders als die Revision meint, bestimmt sie nämlich auch bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung nicht, dass die Beklagte die im Fall des Zahlungsverzugs des Kunden vorzeitig vereinnahmten Monatsentgelte bis zum nächstmöglichen Kündigungstermin behalten darf, wenn sie den Dienstvertrag gemäß § 626 Absatz 1 BGB wegen des Verzugs unter Einhaltung der zweiwöchigen Erklärungsfrist und gegebenenfalls nach vorheriger erfolgloser Abmahnung (vgl. § 314 Absatz 2 BGB) fristlos kündigt und deshalb die bereits vergütete Unterrichtsleistung nicht mehr erbringen muss. (…) Nach § 628 Absatz 1 Satz 3 BGB muss der Dienstverpflichtete, der das Dienstverhältnis gemäß § 626 BGB außerordentlich kündigt, eine für eine spätere Zeit im Voraus entrichtete Vergütung nach § 346 BGB oder - wenn die Kündigung wegen eines von ihm nicht zu vertretenden Umstands erfolgt ist - nach den ihm günstigeren Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2019 Zivilrecht 345 zurückerstatten. (…) Tatsächlich beschränkt sich die angegriffene Klausel darauf, für den bestehenden Vertrag das nach § 614 BGB vorgesehene Regime der Reihenfolge der dienstvertraglichen Hauptleistungspflichten für den Verzugsfall abzuändern und eine Vorleistungspflicht des Vertragspartners zu begründen. Mit diesem Inhalt stellt sie lediglich eine (echte) Vorauszahlungs- oder Vorfälligkeitsklausel dar, deren Wirksamkeit allein am Maßstab des § 307 BGB zu überprüfen. 3. Verstoß der Klausel gegen § 307 I 2 BGB Die Klausel könnte intransparent sein und dadurch gegen § 307 I 2 BGB verstoßen. [17] Entgegen der Ansicht der Revision verletzt die Klausel nicht das Transparenzgebot, da sie den Zeitpunkt des Eintritts der Vorfälligkeit und die Höhe der vorzeitig fällig gestellten Restvergütung eindeutig erkennen lässt. Der Ausdruck „zum nächstmöglichen Kündigungstermin“ bezeichnet sowohl nach gewöhnlichem als auch juristischem Sprachgebrauch den nächstmöglichen Beendigungszeitpunkt eines Vertrags. Dagegen ist die von der Revision vorgebrachte Interpretationsmöglichkeit, dass damit nur der nächstzulässige Zeitpunkt für den Ausspruch der Kündigung gemeint sei, fernliegend und nicht ernstlich in Erwägung zu ziehen, weshalb sie außer Betracht bleiben kann. 4. Verstoß gegen § 307 I 1 BGB Die Klausel könnte eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners wider Treu und Glauben normieren. [21] Ausgehend von diesen Grundsätzen bewirkt die streitige Vorfälligkeitsklausel keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners der Beklagten. Denn sie knüpft mit einem Zahlungsverzug von mehr als drei Monatsbeiträgen an eine besonders schwerwiegende schuldhafte Vertragsverletzung des Kunden an, die die Beklagte berechtigen würde, sich durch Rücktritt oder fristlose Kündigung gemäß § 626 BGB vom Unterrichtsvertrag zu lösen. [23] Die Unangemessenheit der Vorfälligkeitsklausel ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte wegen des darin beschriebenen erheblichen Zahlungsverzugs den Vertrag jederzeit außerordentlich kündigen könnte. Der Senat schließt sich insoweit der von den Instanzgerichten vertretenen Auffassung an, dass kein schutzwürdiges Interesse des Kunden daran besteht, eine vorzeitige Vertragsbeendigung durch eigenes vertragswidriges Verhalten herbeizuführen. Jura Intensiv B. Ergebnis Die Klausel hält der Inhaltskontrolle statt. K hat gegen B keinen Anspruch auf Unterlassung gem. §§ 1, 3 I Nr. 1, 4 I UKlaG. FAZIT Die überprüfte Klausel enthält weder einen Verstoß gegen § 309 Nr. 6 noch gegen § 309 Nr. 2 BGB. Sie verstößt nicht gegen das Transparenzgebot gem. § 307 I 2 BGB und enthält keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners gem. § 307 I 1 BGB. Die Klausel normiert im Ergebnis lediglich eine Vorleistungspflicht des Vertragspartners. Verstoß gegen das Transparenzgebot gem. § 307 I 2 BGB Die Formulierung „nächstmöglicher Kündigungstermin“ wird von jedem verständigen und redlichen Durchschnittskunden verstanden: Gemeint ist der nächstmögliche Beendigungszeitpunkt und nicht der nächstzulässige. Der Wortlaut der Klausel lässt daher aus der maßgeblichen Sicht eines rechtlich nicht vorgebildeten, aber verständigen und redlichen Durchschnittskunden keinen Zweifel daran, dass er, sobald er mit mehr als drei Monatsbeiträgen in Verzug geraten ist, sofort (auch) die gesamte, bis zum nächstmöglichen Beendigungstermin des Vertrags anfallende Restvergütung zahlen muss. Verstoß gegen die Generalklausel des § 307 I BGB? Unangemessen im Sinne dieser Vorschriften ist eine Benachteiligung, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Insoweit bedarf es einer umfassenden Würdigung und Abwägung der wechselseitigen Interessen, bei der die mit der Abweichung vom dispositiven Recht verbundenen Nachteile für den Vertragspartner, die von einigem Gewicht sein müssen, sowie Gegenstand, Zweck und Eigenart des Vertrags zu berücksichtigen sind. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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