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RA Digital - 07/2019

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346 Zivilrecht

346 Zivilrecht RA 07/2019 Problem: Abgrenzung Schadensersatz statt der Leistung von Schadensersatz neben der Leistung Einordnung: Schuldrecht, Werkvertragsrecht BGH, Urteil vom 07.02.2019, VII ZR 63/18 LEITSATZ 1. Mit dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gemäß §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB kann Ersatz für Schäden verlangt werden, die aufgrund eines Werkmangels entstanden sind und durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht beseitigt werden können. Hiervon erfasst sind mangelbedingte Folgeschäden, die an anderen Rechtsgütern des Bestellers oder an dessen Vermögen eintreten. 2. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB tritt an die Stelle der geschuldeten Werkleistung. Sein Anwendungsbereich bestimmt sich nach der Reichweite der Nacherfüllung. Da die Nacherfüllung gemäß § 634 Nr. 1, § 635 BGB auf Herstellung des geschuldeten Werks gerichtet ist, bestimmt dieses die Reichweite der Nacherfüllung. Die geschuldete Werkleistung ist dabei im Wege der Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Die Nacherfüllung erfasst danach die Beseitigung der Mängel des geschuldeten Werks, die auf einer im Zeitpunkt der Abnahme vorhandenen vertragswidrigen Beschaffenheit des Werks beruhen. EINLEITUNG Die Abgrenzung zwischen einem Anspruch auf Ersatz des Schadens statt der Leistung und auf Ersatz eines einfachen Schadens ist wegen des Fristsetzungserfordernisses bedeutsam, dies gilt nicht nur aber vor allem im Falle einer Ersatzvornahme. SACHVERHALT Im Januar 2016 beauftragte die Klägerin (K) den Beklagten (B) mit der Wartung ihres Kraftfahrzeugs Volvo V 70. Im Zuge der Wartungsarbeiten tauschte B unter anderem den Keilrippenriemen, den Riemenspanner und den Zahnriemen für die Motorsteuerung aus. K beglich die Rechnung des B. Am 09.02.2016 traten erhebliche Probleme mit der Lenkung auf. K ließ das Kraftfahrzeug in die Werkstatt L. abschleppen, weil B unstreitig bis zum 10.02.2016 Betriebsferien hatte. Dort stellte sich heraus, dass B den Keilrippenriemen nicht richtig gespannt hatte. Der aus diesem Grund gerissene Riemen hatte sich infolgedessen um die Welle und das Gehäuse der Lichtmaschine gewickelt und diese beschädigt. Überreste des Riemens wickelten sich um die Riemenscheibe der Servolenkungspumpe mit der Folge, dass die Riemenscheibe brach und die Dichtung der Servolenkungspumpe beschädigte. Zudem gelangten Teile des Riemens in den Riementrieb des Zahnriemens. K ließ Keilrippenriemen, Riemenspanner, Zahnriemen, Servolenkungspumpe und Lichtmaschine ersetzen. K verlangt von B Schadensersatz in Höhe der von der Werkstatt L. unter dem 13.02.2016 hierfür in Rechnung gestellten Reparaturkosten von 1.715,57 €. B ist der Meinung, es bestünde kein Anspruch, weil K keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt habe. Jura Intensiv Zu Recht? PRÜFUNGSSCHEMA A. Anspruch K gegen B aus §§ 634 Nr. 4, 280 I, III, 281 I 1 2. Fall BGB B. Anspruch K gegen B aus §§ 634 Nr. 4, 280 I BGB C. Ergebnis LÖSUNG Zur Vermeidung von Wiederholungen und Inzidentprüfungen empfiehlt es sich stets, die Ansprüche aus Schadensersatz statt der Leistung vor Ansprüchen auf Leistung des einfachen Schadensersatzes zu prüfen. Aus Platzgründen erfolgt die Prüfung hier sehr knapp. Der BGH verfuhr im Urteil ebenso. A. Anspruch K gegen B aus §§ 634 Nr. 4, 280 I, III, 281 I 1 2. Fall BGB Mangels Setzung einer angemessenen Frist und Ablauf einer solchen, kommt ein Anspruch des K gegen B auf Schadensersatz statt der Leistung aus §§ 634 Nr. 4, 280 I, III, 281 I 1 2. Fall BGB von vornherein nicht in Betracht. B. Anspruch K gegen B aus §§ 634 Nr. 4, 280 I BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von 1.715,57 € aus §§ 634 Nr. 4, 280 I BGB haben. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2019 Zivilrecht 347 I. Werkvertrag Dies setzt einen Werkvertrag zwischen K und B gem. § 631 BGB voraus. Der zwischen beiden geschlossene Wartungsvertrag ist auf einen Erfolg gerichtet und mithin ein Werkvertrag. II. Werkmangel Gem. § 633 S. 1 muss der Werkunternehmer dem Besteller das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln verschaffen. Indem B bei Erbringung der Werkleistung, bei Wartung des Kraftfahrzeugs des K, den Keilrippenriemen nicht richtig gespannt hat, wies die Wartungsleistung nicht die Beschaffenheit auf, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die ein Besteller nach der Art und Weise erwarten kann. Folglich lag bei Abnahme des Werkes ein Werkmangel gem. § 633 II 1 Nr. 2 BGB vor. III. Vertretenmüssen B hat keine Tatsachen vorgetragen, welche die Vermutung seines Verschuldens gem. § 280 I 2 BGB widerlegen. Folglich hat B den Mangel zu vertreten. IV. Ersatzfähiger, kausaler Schaden 1. Anwendbarkeit des Anspruchs auf einfachen Schadensersatz statt der Leistung Wie bereits geprüft wurde, hat K die Ersatzvornahme in der Werkstatt des L durchführen lassen, ohne B eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen. Eine solche war hier auch nicht entbehrlich. Die Anforderungen der §§ 634 Nr. 4, 280 I, III, 281 I 1 2. Fall BGB dürfen nicht unterlaufen werden. Ein Unterlaufen liegt nicht vor, wenn es sich bei den geltend gemachten Kosten der Ersatzvornahme um einen einfachen Schaden neben der Leistung handelt. [17] Nach der Rechtsprechung des Senats kann mit dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gemäß §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB Ersatz für Schäden verlangt werden, die aufgrund eines Werkmangels entstanden sind und durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht beseitigt werden können. Hiervon erfasst sind mangelbedingte Folgeschäden, die an anderen Rechtsgütern des Bestellers oder an dessen Vermögen eintreten. Jura Intensiv [18] Dies entspricht dem der Schuldrechtsmodernisierung zugrundeliegenden Konzept des Gesetzgebers, mit dem das Leistungsstörungsrecht vereinfacht und vereinheitlicht werden sollte. Liegt eine Pflichtverletzung in Form einer mangelhaften Werkleistung vor, ist danach zwischen dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB und dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gemäß §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB zu unterscheiden. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB tritt an die Stelle der geschuldeten Werkleistung und erfasst damit das Leistungsinteresse des Bestellers. Er erfordert zunächst - vorbehaltlich der geregelten Ausnahmen - eine Fristsetzung zur Nacherfüllung, um dem Unternehmer eine letzte Gelegenheit zur Erbringung der geschuldeten Werkleistung, also zur Herstellung des mangelfreien Werks, zu geben. Demgegenüber sind gemäß §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB die über das Leistungsinteresse hinausgehenden Vermögensnachteile, insbesondere Folgeschäden an anderen Rechtsgütern des Bestellers als dem Werk selbst oder an dessen Vermögen, zu ersetzen (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 225, 263). Werkmangel gem. § 633 II 1 Nr. 2 BGB Keinesfalls dürfen die strengen Anforderungen der §§ 634 Nr. 4, 280 I, III, 281 I 1 2. Fall BGB durch die geringen Anforderungen des Anspruchs aus §§ 634 Nr. 4, 280 I BGB unterlaufen werden. Der Senat erläutert den Begriff des Mangelfolgeschadens, der ohne Fristsetzungserfordernis als einfacher Schaden neben der Leistung verlangt werden kann. Der Senat grenzt die Schadensersatzarten nach ihrer Funktion ab. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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