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RA Digital - 07/2019

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

356 Referendarteil:

356 Referendarteil: Zivilrecht RA 07/2019 Auswertung der aktuellen Entwürfe für ein Abkommen zwischen Großbritannien und der EU. In der Klausur dürften entsprechende Ausführungen in der Aufgabenstellung enthalten sein. Das Gericht hält einen ungeregelten Brexit, und damit eine fehlende Regelung der Vollstreckung ausländischer Urteile in UK, für nicht überwiegend wahrscheinlich. Das Vermieterpfandrecht ist nicht so sicher wie ein Arrestbefehl mit den Vollziehungsmöglichkeiten aus §§ 928 ff. ZPO. Die Konkurrenz der Sicherungsmittel ist in der Praxis häufig ein wichtiger Gesichtspunkt. Unbekanntes Verziehen ins Ausland ist eine wichtige Fallgruppe der drohenden Vereitelung oder Erschwerung einer künftigen Zwangsvollstreckung. Zwar würde mit dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union grundsätzlich auch die oben genannte Verordnung wirkungslos, da ihre Anwendbarkeit die Mitgliedschaft der Staaten in der Europäischen Union voraussetzt. Die Europäische Union und Großbritannien bemühen sich aber, den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union durch ein Abkommen zu regeln. Das insoweit in der Vergangenheit verhandelte und entworfene Abkommen (2019/C 66 I/01) enthält hierzu in Artikel 67 Abs. 2 folgende Regelung: „Im Vereinigten Königreich sowie in den Mitgliedstaaten finden in Fällen, die einen Bezug zum Vereinigten Königreich aufweisen, die folgenden Rechtsakte oder Bestimmungen auf die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen, Entscheidungen, öffentlich Urkunden, gerichtlichen Vergleichen und Gerichtsstandsvereinbarungen Anwendung: a) Die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 findet Anwendung auf die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen, die in vor dem Ablauf des Übergangszeitraums eingeleiteten gerichtlichen Verfahren ergangen sind, sowie auf öffentliche Urkunden …“ Zwar hat das britische Unterhaus seine Zustimmung zu diesem Abkommen mit der Europäischen Union wiederholt versagt. Auch ist eine Zustimmung gegenwärtig nicht absehbar. Dass es letztlich zu einem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union kommt, ohne dass irgendein Abkommen mit der Europäischen Union diesen Austritt vertraglich regelte, erscheint aber nach der gegenwärtig vorzunehmenden Prognose als nicht überwiegend wahrscheinlich. Gerade die erneute Fristverlängerung, nunmehr bis zum 31.10.2019, hat zum Ziel, durch weitere Verhandlungen doch noch den beiderseits grundsätzlich angestrebten Abschluss eines Abkommens zu erreichen. Sofern dies gelingt, kann davon ausgegangen werden, dass jedenfalls die künftige Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen aus der Europäischen Union auch in Großbritannien in vergleichbarer Weise mitvereinbart werden würde. Diese Thematik gehört soweit ersichtlich nicht zu den umstrittenen Bereichen der politischen Debatte. Jura Intensiv [26] Ein Arrestgrund besteht aber, weil aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beklagten zu besorgen ist, dass ohne Verhängung des Arrests die Vollstreckung eines von der Klägerin erwirkten Titels vereitelt oder wesentlich erschwert würde (§ 917 I ZPO). Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin bereits durch das ihr zustehende Vermieterpfandrecht an dem in den Räumen zurückgelassenen Inventar ausreichend gesichert wäre. Ein Vermieterpfandrecht bietet nicht die gleiche Sicherheit wie ein Arrest. Von einer drohenden Vereitelung oder wesentlichen Erschwerung einer künftigen Zwangsvollstreckung ist auszugehen. Der Beklagte hat eine Vollstreckung bereits aktiv dadurch erschwert, dass er ins Ausland verzogen ist, ohne der Klägerin als seiner Vertragspartnerin entgegen seiner bestehenden nebenvertraglichen Verpflichtung seine aktuelle Anschrift mitzuteilen. Die Klägerin musste diese Anschrift erst unter erheblichen Schwierigkeiten selbst ermitteln. Dennoch waren wiederholt Zustellungsversuche vergeblich. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2019 Referendarteil: Zivilrecht 357 In seiner an die Klägerin gerichteten E-Mail vom 07.02.2019 hat er die Klägerin zudem mehrfach eindringlich aufgefordert, „in IHREM eigenen Interesse von weiteren rechtlichen Schritten vorübergehend abzusehen.“ Indem er ausdrücklich ankündigt, der Klägerin würden sonst „zusätzliche Kosten entstehen“. Dies ist ersichtlich so zu verstehen, dass er der Klägerin hiermit in Aussicht stellt, bei Versuchen, ihre Forderungen gegen ihn durchzusetzen, deren Berechtigung er nicht in Abrede stellt, dennoch die Kosten selbst tragen zu müssen. Dies ist aber gerade nur dann der Fall, wenn Versuche einer Vollstreckung fehlschlagen, was er hiermit ankündigte. Darüber hinaus hat der Beklagte der Klägerin nicht einmal eine für sie schadensmindernde Weitervermietung ermöglicht, da er trotz seiner Ankündigung, die Praxis endgültig zu schließen und weiter zu veräußern, weder irgendwelche Anstrengungen für eine Nachfolgeregelung entsprechend § 15 des Mietvertrages unternommen noch er der Klägerin wieder Zutritt zu den Räumen verschafft hat, damit diese selbst für eine weitere wirtschaftliche Nutzung der Mieträume sorgen kann. Dies zeigt, dass er in jeder Hinsicht gegen die Vertragsinteressen der Klägerin handelt. Aufgrund dieses Verhaltens des Beklagten ist konkret zu befürchten, dass der Beklagte auch weiterhin versuchen wird, eine Zwangsvollstreckung hinsichtlich der gegen ihn bestehenden Zahlungsansprüche in sein Vermögen zu vereiteln. Davon, dass der Beklagte weiterhin über Vermögen verfügt, in welches die Klägerin vollstrecken könnte, ist auszugehen. Der Beklagte ist als B-Arzt tätig. Er selbst hat im Schriftsatz vom 02.05.2019 vortragen lassen, er gehöre mit seiner Doppelqualifikation sowohl als B-Arzt als auch als G-Chirurg zu einer hochqualifizierten Gruppe von nur wenigen Dutzend Personen bundesweit, die ein solches Qualifikationsprofil, erworben an einer Deutschen Hochschule, aufweisen könnten. Eine solche qualifizierte Tätigkeit kann er auch in Großbritannien ausüben. Ferner ist er als Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer an dem in Stadt3/Großbritannien ansässigen Unternehmen tätig, so dass auch insoweit von einem Erzielen weiterer Einnahmen ausgegangen werden kann, in welche die Klägerin zur Begleichung seiner Verbindlichkeiten vollstrecken kann. Die weiteren Angaben, er habe ohnehin vor, nach Deutschland zurückzukehren, haben keinerlei tatsächlichen Gehalt und sprechen demzufolge nicht gegen die Annahme einer erheblichen Erschwerung der Vollstreckung für die Klägerin. Jura Intensiv Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I 1, 709 S. 1 ZPO. FAZIT Das Gericht sah im Brexit allein keinen Arrestgrund, da ihm die Möglichkeit eines ungeregelten Brexit als zu unwahrscheinlich erschien. Jedoch kam das auf Vereitelung der Interessen der Klägerin gerichtete Verhalten des Beklagten hinzu. Aus diesem Grunde erstritt die Klägerin erfolgreich einen Arrestbefehl. Verhalten des Beklagten erkennbar auf Vereitelung der Vollstreckung gerichtet In jeder Hinsicht liegt ein Handeln gegen die berechtigten vertraglichen Interessen der Klägerin vor. Als Endurteil bedarf es eines Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit. Achtung, hier ist nur § 709 S. 1 ZPO anwendbar, da es in der Hauptsache nicht um die Vollstreckung eines Geldbetrages, sondern einer Sicherung geht. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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