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RA Digital - 07/2019

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

362 Nebengebiete

362 Nebengebiete RA 07/2019 War die erstinstanzliche Klage gegen die Beklagten zulässig? PRÜFUNGSSCHEMA ZULÄSSIGKEIT ZIVILKLAGE (Sachurteilsvoraussetzungen:) Gem. § 95 I Nr. 4 a) GVG entscheidet die Kammer für Handelssachen am LG nur auf Antrag einer der Parteien. Entweder stellt gem. § 96 I GVG der Kläger einen entsprechenden Antrag in der Klageschrift oder gem. § 98 I 1 GVG stellt der Beklagte einen Antrag auf Verweisung. Ohne Verweisungsantrag verbleibt die Sache bei der normalen Zivilkammer. Eine Verweisung vAw ist nicht möglich, § 98 III GVG. I. Gerichtsbezogene 1. Zivilrechtsweg, § 13 GVG 2. Sachliche Zuständigkeit, §§ 23 ff., 71 ff. GVG 3. Örtliche Zuständigkeit, §§ 12 ff. ZPO II. Parteibezogene 1. Parteifähigkeit, § 50 ZPO 2. Prozessfähigkeit, § 51 I, 52 I ZPO, §§ 104 ff. BGB 3. Prozessführungsbefugnis (keine Popularklage) III. Streitgegenstandsbezogene 1. Ordnungsgemäße Klageerhebung, § 253 ZPO 2. Keine anderweitige Rechtshängigkeit, § 261 ZPO 3. Keine entgegenstehende Rechtskraft, § 322 ZPO 4. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis LÖSUNG I. Gerichtsbezogene Sachurteilsvoraussetzungen 1. Zivilrechtsweg, § 13 GVG Die Klägerin klagt gegen die Beklagten einen Anspruch aus dem Gesellschaftsvertrag der KG ein, es handelt sich folglich um eine zivilrechtliche Streitigkeit. Der ordentliche Rechtsweg zu dem Zivilgericht ist somit gemäß § 13 GVG eröffnet. 2. Sachliche Zuständigkeit, §§ 23 ff., 71 ff. GVG Gem. § 23 Nr. 1 GVG ist das Amtsgericht nur bis zu einem Streitwert von 5.000,- € zuständig. Ab einem Streitwert von 5.000,01 € wie hier ist dagegen nach § 71 I GVG die Zuständigkeit des Landgerichts begründet. Jura Intensiv 3. Örtliche Zuständigkeit, §§ 12 ff. ZPO Mangels Ortsangaben ist von der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auszugehen. II. Parteibezogene Sachurteilsvoraussetzungen 1. Parteifähigkeit, § 50 ZPO Gemäß § 50 I ZPO ist parteifähig, wer rechtsfähig ist. Die Beklagten sind als natürliche Personen gem. § 1 BGB rechtsfähig und damit auch parteifähig. 2. Prozessfähigkeit, § 51 I, 52 I ZPO, §§ 104 ff. BGB Die Klägerin und die Beklagten müssten prozessfähig sein. Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, Prozesshandlungen selbst oder durch Vertreter vorzunehmen oder entgegenzunehmen. Gemäß § 51 I ZPO ist prozessfähig, wer geschäftsfähig ist. Gegen die Geschäftsfähigkeit der Parteien bestehen keine Bedenken. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2019 Nebengebiete 363 3. Prozessführungsbefugnis (keine Popularklage) K müsste ferner prozessführungsbefugt sein. Die Prozessführungsbefugnis ist die Befugnis, ein behauptetes eigenes oder fremdes Recht im eigenen Namen geltend zu machen. a) Eigenes Recht In Betracht kommt zunächst die Geltendmachung eines eigenen Rechts. Ob die Klägerin selbst materiell Berechtigte in Hinblick auf den Anspruch gegen die Beklagten auf Einlageleistung ist oder nicht, hängt davon ab, ob es sich herbei um einen Individualanspruch oder um einen Anspruch der Gesellschaft handelt. Da die KG nach §§ 124 I, 161 II HGB selbst Trägerin von Rechten und Pflichten sein kann, ist sie auch Inhaberin der Einlagenforderung gegen die Beklagten. Somit macht die Klägerin kein eigenes Recht geltend. b) Fremdes Recht in eigenem Namen Die Klägerin macht also ein fremdes Recht in eigenem Namen geltend. Hierzu wäre sie nur im Fall einer Prozessstandschaft berechtigt. Ansprüche der Gesellschaft werden grundsätzlich von der Gesellschaft geltend gemacht, die Vertretung der Gesellschaft richtet sich nach den jeweiligen gesellschaftsvertraglichen Vertretungsregelungen. Ausnahmsweise ist jedoch eine Einzelklagebefugnis des einzelnen Gesellschafters anzuerkennen. [10] Als actio pro socio wird die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Gesellschaftsverhältnis durch einen Gesellschafter im eigenen Namen gegen einen Mitgesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft bezeichnet. Sie wurzelt im Gesellschaftsverhältnis und ist Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts des Gesellschafters (...). [11] Das Recht des einzelnen Gesellschafters, im Wege der actio pro socio gegen einen Mitgesellschafter vorzugehen, ist jedoch beschränkt durch die Grundsätze der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und kann sich unter diesem Blickwinkel nach den konkreten Gesellschaftsverhältnissen, zu denen auch das Verhalten des sich auf die Befugnis berufenden Gesellschafters gehört, als rechtsmissbräuchlich darstellen (...). Jura Intensiv Dieser Anspruch der Gesellschaft gegen einen Gesellschafter wird auch verbreitet „Sozialanspruch“ genannt. Unter Prozessstandschaft im rechtlichen Sinne versteht man die Befugnis, im eigenen Namen einen Prozess über ein fremdes Recht zu führen. Im deutschen Zivilrecht wird unterschieden zwischen gesetzlicher und gewillkürter Prozessstandschaft. Gesetzliche Prozessstandschaft beruht unmittelbar auf einer gesetzlichen Regelung, die eine bestimmte Person ermächtigt, ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend zu machen. Gewillkürte Prozessstandschaft liegt vor, wenn die Prozessführungsbefugnis durch Rechtsgeschäft vom Rechtsträger auf die Partei des Prozesses übertragen wird. [13] Der Gesellschaftsvertrag bildet die Grundlage der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und bestimmt damit auch deren Inhalt und Umfang. Sie ist jedem Gesellschaftsverhältnis ohne ausdrückliche Regelung immanent (...). Mit der Begründung des Gesellschaftsverhältnisses unterliegen die Gesellschafter der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht schließt gegenüber der Gesellschaft die Pflicht ein, deren Interessen wahrzunehmen und geschäftsschädigende Handlungen zu unterlassen. Gegenüber den einzelnen Mitgesellschaftern gebietet sie, in dem durch den Gesellschaftszweck vorgegebenen mitgliedschaftlichen Bereich bei der Verfolgung der eigenen Interessen an der Beteiligung auf die Belange der Mitgesellschafter Rücksicht zu nehmen (...). © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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