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RA Digital - 07/2020

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350 Zivilrecht

350 Zivilrecht RA 07/2020 BGH, RA 2019, 293, Urteil vom 22.02.2018, VII ZR 46/17 Hier liegt der Kern der zurzeit hitzig geführten Auseinandersetzung. Dass der kleine Schadensersatz, der sich nach § 281 BGB richtet, unabhängig davon, ob aus § 437 Nr. 3 BGB oder aus § 634 Nr. 4 BGB auf ihn verwiesen wird, im Werkvertragsrecht andere Rechtsfolgen nach sich ziehen soll als im Kaufrecht – daran zweifeln sowohl der V. als auch der VIII. Zivilsenat. Ausführungen zur Übereinstimmung beim Nacherfüllungsanspruch und beim Schadensersatz statt der Leistung Gleichlauf zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht Der VII. Zivilsenat stellt nach Ansicht des V. Zivilsenates statt auf das Ausbleiben der Nacherfüllung auf den ursprünglichen Werkmangel als Bezugspunkt des Vermögensschadens ab. Warum das gefährlich ist – s.u. in der Rn 40. Es folgt eine Auseinandersetzung mit dem ersten Argument des VII. Zivilsenates, welches auf angebliche Strukturunterschiede im Werkvertragsrecht abstellt. [19] Der VII. Zivilsenat verankert die Rechtsfrage zwar vordergründig im besonderen Schuldrecht („Regelungskonzept des § 634 BGB“; „Besonderheiten des Werkvertragsrechts“, vgl. Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, aaO Rn. 36 und 70). Inhaltlich stützt er sich aber weniger auf spezifisch werkvertragliche Regelungen als vielmehr auf verallgemeinerungsfähige Überlegungen zum Schadensbegriff und zu der Gefahr einer Überkompensation (vgl. Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, aaO Rn. 33 f. und 70). Im wesentlichen Kern betrifft dies das allgemeine Leistungsstörungsrecht und namentlich die Auslegung der §§ 280, 281 BGB. [20] Diese Normen sind auch für die Bemessung des kaufvertraglichen Schadensersatzes statt der Leistung maßgeblich. Die Rechte des Käufers und des Bestellers eines Werkes bei Sach- oder Rechtsmängeln werden nämlich im Hinblick auf Rücktritt und Schadensersatz seit der Schuldrechtsreform einheitlich im allgemeinen Leistungsstörungsrecht und nur ergänzend in den Vorschriften des besonderen Teils geregelt. Folgerichtig treffen § 437 Nr. 3 BGB für das Kaufrecht und § 634 Nr. 4 BGB für das Werkvertragsrecht keine eigenständigen Regelungen über den Schadensersatz. Beide Bestimmungen verweisen insoweit u.a. auf den zentralen Haftungstatbestand in § 280 BGB, der durch § 281 BGB ergänzt wird (BT-Drucks. 14/6040 S. 135). In diesen Normen findet sich die eigentliche Grundlage für den kauf- und den werkvertraglichen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (…). [25] Es ist nicht erkennbar, dass - wie der VII. Zivilsenat meint - aus § 634 BGB ein eigenes (also von § 437 BGB ggf. abweichendes) Regelungskonzept entnommen werden kann, wonach sich der Ausgleich daran orientiert, ob eine Mängelbeseitigung durchgeführt wird. Denn § 437 BGB und der dieser Bestimmung nachgebildete (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 261) § 634 BGB zählen im Sinne erläuternder “Servicenormen” die bestehenden Mängelrechte auf, indem sie jeweils auf das allgemeine (für alle Vertragstypen einheitliche) Leistungsstörungsrecht. Der Gleichlauf zwischen Kauf- und Werksvertragsrecht war erklärtes Ziel der Schuldrechtsreform, weshalb § 634 BGB in Nachbildung von § 437 BGB entstanden ist (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 94 f., 261). Mit der Einführung des Anspruchs auf eine mangelfreie Sache sowie des hieran anknüpfenden Nacherfüllungsanspruchs (§ 437 Nr. 1, § 439, § 281 Abs. 1 BGB) ist einerseits das Kauf- dem Werkvertragsrecht stark angenähert und andererseits die Haftung des Werkunternehmers für Mängel des Werks an die neue kaufrechtliche Sachmängelhaftung angepasst worden (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 95, 209, 260). Dementsprechend hat auch der Senat den Nacherfüllungsanspruch im Kaufrecht gemäß § 439 BGB als inhaltsgleich zu dem Nacherfüllungsanspruch im Werkvertrag angesehen. Für den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung, der an die Stelle des (Nach-) Erfüllungsanspruchs tritt, gilt nichts Anderes. [26] Allerdings steht die Verweisung in den §§ 437, 634 BGB auf die §§ 280, 281 BGB jeweils unter dem Vorbehalt, dass “nicht ein anderes bestimmt ist”. Auf spezifisch werkvertragliche Bestimmungen, aus denen sich ein vom Kaufrecht abweichender Umfang des Schadensersatzanspruchs ableiten lassen könnte, stützt sich der VII. Zivilsenat jedoch nicht. Das gilt insbesondere für den Hinweis darauf, dass das Werkvertragsrecht im Gegensatz zum Kaufrecht einen Vorschussanspruch vorsehe. Richtig ist zwar, dass das Kaufrecht eine § 637 BGB entsprechende Regelung - also ein mit einem Vorschussanspruch flankiertes Selbstvornahmerecht des Käufers - nicht enthält. Aber auch im Verhältnis zu dem Architekten, dem Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2020 Zivilrecht 351 Planungsfehler unterlaufen sind, besteht im Hinblick auf den Schadensersatz neben der Leistung kein Vorschussanspruch gemäß § 637 Abs. 3 BGB; insoweit leitet der VII. Zivilsenat einen Vorfinanzierungsanspruch des Bestellers aus dem allgemeinen Schadensersatzrecht her. Schadensersatzansprüche stehen auch dem Käufer zu. Mit dem fehlenden Selbstvornahmerecht des Käufers lässt sich ein Auseinanderfallen von kaufund werkvertraglichem Haftungsregime deshalb nicht begründen. [28] Eine unterschiedliche Auslegung der §§ 280, 281 BGB lässt sich auch nicht mit dem zweiten Argument des VII. Zivilsenats begründen, dass nämlich die Gefahr einer „erheblichen Überkompensation“ im Werkvertragsrecht stärker als im Kaufrecht gegeben sei. Dabei handelt es sich um eine in erster Linie rechtspolitische Erwägung. Der V. Zivilsenat hat Zweifel daran, dass sie sich empirisch belegen lässt. So wird der Erwerb einer Eigentumswohnung von dem errichtenden Bauträger jedenfalls dann nach Kaufrecht beurteilt, wenn die Wohnung etwa drei Jahre nach der Errichtung veräußert wird und vermietet war; das Überschreiten dieser zeitlichen Grenze dürfte an der Gefahr einer „Überkompensation“ nichts ändern. (…) [34] Da der Schadensersatz gemäß § 437 Nr. 3 i.V.m. §§ 280, 281 BGB „statt der Leistung“ gewährt wird, kann der Gläubiger verlangen, wirtschaftlich so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn der Schuldner den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. (..) Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des positiven Interesses ist der Nacherfüllungsanspruch (…). Zu seiner abweichenden Auffassung, nach der sich der Vermögensschaden zunächst in dem mangelbedingten Minderwert der Sache erschöpft, gelangt der VII. Zivilsenat deshalb, weil er auf die (nur) für die Begründung des Anspruchs erforderliche Pflichtverletzung (Sachmangel) abstellt; jedenfalls im Kaufrecht ist richtiger Bezugspunkt aber die Nacherfüllung, zu der der Verkäufer vorrangig verpflichtet ist, und deren Ausbleiben der Schadensersatzanspruch kompensieren soll. [35] Die Schadensermittlung anhand der Mängelbeseitigungskosten ist im Kaufrecht auch deshalb angemessen, weil der mangelbedingte Minderwert der Sache das Leistungsinteresse des Käufers nicht immer zutreffend abbildet. Man denke etwa an die Lieferung des gekauften PKW in einer gängigen Farbe statt des bestellten grellen Farbtons. Ein solcher Sachmangel kann dazu führen, dass der Marktwert nicht sinkt, sondern steigt. Obwohl ein Minderwert des PKW nicht gegeben ist, hat der Käufer die bestellte Leistung nicht erhalten, für die er seinerseits die Gegenleistung erbracht hat. Bessert der Verkäufer nicht nach (Neulackierung), kann der Wert der dem Käufer entgangenen Leistung (Neulackierung) anhand der hierfür erforderlichen Kosten bemessen werden, ohne dass es darauf ankommt, ob diese bereits aufgewendet worden sind. Die Ersatzbeschaffungs- oder Mängelbeseitigungskosten bilden das Äquivalenzinteresse zutreffend ab, also das Interesse des Käufers, für seinen Kaufpreis das geschuldete Äquivalent zu erhalten. Sind die Mängelbeseitigungskosten tatsächlich aufgewendet worden, zieht dies der VII. Zivilsenat auch für das Werkvertragsrecht nicht in Zweifel. [40] Das Ziel, dem Käufer mittels Einführung eines vorrangigen Nacherfüllungsanspruchs zu der versprochenen Leistung zu verhelfen und die Verkäuferhaftung zu verschärfen, würde durch die Übernahme der neuen Rechtsprechung des VII. Zivilsenats konterkariert. Denn für den Verkäufer entstünden Anreize, die Nacherfüllung nicht vorzunehmen, wenn der Jura Intensiv Hinweis auf den Architekten, dem Planungsfehler unterlaufen sind 2. Argument des VII. Zivilsenates, BGH, RA 2019, 293, Urteil vom 22.02.2018, VII ZR 46/17, dort Rn 71: Erhebliche Überkompensation im Werkvertragsrecht 2. Argument des VII. Zivilsenates empirisch nicht belegbar Wichtiges Argument: Der Sinn und Zweck des Nacherfüllungsanspruchs würde missachtet. Wichtiges Argument: Sanktionscharakter des Schadensersatzanspruchs bei ausbleibendem Erfüllungserfolg Ein nützliches Beispiel, um das Problem zu verdeutlichen, wo der Unterschied in den Berechnungsmethoden liegen kann. Warum der VII. Zivilsenat hier differenziert, wird in der Tat nicht ganz klar. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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