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RA Digital - 07/2021

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356 Referendarteil:

356 Referendarteil: Zivilrecht RA 07/2021 Das Kündigungsrecht des Verbrauchers ändert an dessen unangemessener Benachteiligung nichts. Unerheblich ist ebenfalls das in diesem Zusammenhang bestehende Kündigungsrecht des Verbrauchers. Dieses gewährt dem Verbraucher keine nennenswerten Vorteile. Allenfalls denkbar ist der Umstand, dass ein Verbraucher sich aus anderen Gründen vom Vertrag lösen will und die angebotene Vertragsänderung zum Anlass nimmt, das Vertragsverhältnis zu beenden, [29] (…) steht mit dem Mechanismus der Vertragsänderung nicht in einem die Interessenabwägung bestimmenden Zusammenhang. Überlegung, ob „zwingende“ organisatorische Gründe seitens des Kreditinstituts bestehen, um den Massenverkehr zu bewältigen. Weiterer Punkt: Prüfung, ob ein Vertrauensumstand besteht, weil bislang die Rechtsprechung „solche ähnlichen“ Klauseln toleriert hat. Grundsätzlich besteht kein Vertrauensschutz Das Risiko, eine Klausel zu verwenden, welche ggf. gerichtlich für unwirksam erklärt wird, trägt der Verwender. BGH, Urteil vom 13.05.2014, XI ZR 405/12, Rn 88 2. zu prüfende Klausel Die einseitige Abänderungsmöglichkeit der Hauptleistungspflichten kann dazu führen, dass die Rechtsposition des Vertragspartners erheblich entwertet wird. Die Zustimmung des hierfür erforderlichen Änderungsvertrags kann nicht fingiert werden. Für Interessierte: A.A: Gsell/Krüger/ Lorenz/Reymann-Weiler, BGB, § 308 Nr. 5 Rn 139 Auch bankbetriebswirtschaftliche Erwägungen verhelfen der Beklagten nicht, da es dieser sowieso bedarf, um die Verwendung einer Erklärungsfiktion grundsätzlich zu rechtfertigen. Verfassungsrechtliche Erwägungen, insbesondere Gründe des Vertrauensschutzes, stehen der hiesigen Rechtsauffassung nicht entgegen. [35] Dem Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist, soweit sich Klauseln aufgrund einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung als unwirksam erweisen, im Allgemeinen kein Vertrauensschutz zuzubilligen. Höchstrichterliche Urteile sind kein Gesetzesrecht und erzeugen damit keine vergleichbare Rechtsbindung. Gerichtliche Entscheidungen, die die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts betreffen, wirken schon ihrer Natur nach auf einen in der Vergangenheit liegenden, in seiner rechtlichen Bewertung noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt ein. Für diese grundsätzlich zulässige so genannte unechte Rückwirkung können sich zwar im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes Schranken aus dem Prinzip der Rechtssicherheit ergeben. Das Risiko, dass eine zunächst unbeanstandet gebliebene Allgemeine Geschäftsbedingung in späteren höchstrichterlichen Entscheidungen wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners als unwirksam beurteilt wird, trägt aber grundsätzlich der Verwender (BGH (…)). Jura Intensiv Ebenfalls unwirksam ist Nr. 12 (5) AGB. Diese Klausel hält ebenfalls einer Inhaltskontrolle nicht stand. Die Klausel betrifft Entgelte für Hauptleistungen und benachteiligt die Kunden damit entgegen den Geboten von Treu und Glauben gem. den §§ 307 I 1 BGB und § 307 II Nr. 1 BGB unangemessen. Denn mittels der auch hier vorliegenden Zustimmungsfiktion kann die vom Kunden geschuldete Hauptleistung ohne Einschränkungen abgeändert werden. [38] (…) Die Beklagte erhält damit eine Handhabe, das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung erheblich zu ihren Gunsten zu verschieben und damit die Position ihres Vertragspartners zu entwerten. Für solche weitreichenden, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffenden Änderungen ist, wie oben ausgeführt, ein den Erfordernissen der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB genügender Änderungsvertrag notwendig. Eine Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung reicht hierfür unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Verwendungsgegners nicht aus. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 I 1 ZPO sowie auf § 709 ZPO. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2021 Referendarteil: Zivilrecht 357 FAZIT Der Sinn und Zweck der Klauseln ist offensichtlich. Das Kreditinstitut möchte sich die vollumfängliche, einseitige Abänderungsmöglichkeit der Hauptleistungspflichten vorbehalten, ohne dass es überhaupt eines Zutuns des Kunden bedarf. Dies erleichtert – faktisch – Preiserhöhungen. Dies hält einer AGB-Kontrolle nicht stand. Das Judiz legt das bereits nahe, auch wenn dies das LG Köln, Urteil vom 12.06.2018, 21 O 351/17, sowie das OLG Köln, Urteil vom 19.12.2019, 12 U 87/18, anders bewertet haben. Der Unterlassungstenor bzw. -antrag stellt eine Besonderheit dar. Das zu unterlassene Verhalten ist, den Anforderungen des § 253 II Nr. 2 ZPO gemäß, hinreichend bestimmt zu formulieren. Geht es – wie hier – darum, dass ein bestimmter Text nicht verwendet werden soll, ist der Text im Antrag aufzuführen. Ist der Text aber umfangreich und würde ein Zitat jegliche Übersichtlichkeit zu Nichte machen, darf ausnahmsweise (!) in einem Antrag auf eine Anlage verwiesen werden. Weiterhin war es hier ausnahmsweise erforderlich, zur Zulässigkeit der Klage auszuführen. Der Grund hierfür ist die Besonderheit, dass sich der Anspruch aus dem UKlaG ergibt, hier § 6 I, II UklaG, in Verbindung mit einer Rechtsverordnung, welche einem Landgericht die Klage örtlich zuweist. In einer Urteilsklausur könnte die Zulässigkeit seitens des Prüfungsamtes entweder unterstellt werden oder es klagt ein „normaler“ Verbraucher gegen ein Kreditinstitut auf die Feststellung der Unwirksamkeit einer Klausel oder verteidigt sich gegen einen aufgrund der geänderten Vertragsbedingungen geltend gemachten Zahlungsanspruch. Die Möglichkeiten sind hier vielzählig und daher wird die Entscheidung auch für Prüfungsämter interessant sein. Maßgeblich war hier neben der inhaltlichen AGB-Kontrolle die Feststellung, dass diese überhaupt eröffnet und nicht aufgrund § 675g BGB ausgeschlossen ist, da die hier verwendeten Klauseln inhaltlich über die Regelungen des § 675g BGB hinausgehen und auch andere Vertragstypen mitumfassen. Jura Intensiv Ebenfalls ein interessanter Gedankengang in dieser Entscheidung war es, ob aufgrund anderer höchstrichterlicher Entscheidungen, im Rahmen derer keine Ausführungen zu einer Unwirksamkeit solcher Klauseln mit einer Erklärungsfiktion erfolgten, ein schützenswerter Vertrauenstatbestand bzgl. der Wirksamkeit der Klausel geschaffen wurde. Dieses Argument wurde zutreffend unter dem Hinweis auf die unterschiedlichen Rechtswirkungen von Urteilen und Gesetzen, sowie bezugnehmend auf das Verwendungsrisiko solcher Klauseln, zurückgewiesen. OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.10.2011, 14 U 56/11; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 253 Rn 11 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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