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RA Digital - 07/2021

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338 Zivilrecht

338 Zivilrecht RA 07/2021 geschlossen wurde. In diesem Fall besteht zumindest im Fall eines Verbrauchsgüterkaufs gem. § 475 VI BGB ein Vorschussanspruch. Jedoch wurde der Vertrag bereits 2012 geschlossen, weshalb § 439 III BGB in der Fassung vom 01.01.2018 nicht anwendbar ist. Nach aktueller Rechtslage könnte K, wenn er einen Anspruch auf Nacherfüllung gem. § 439 I BGB hätte, die Kosten der Ersatzvornahme für Ausbau und Entsorgung des Holzes sowie Neueinbau des mangelfreien Holzes aus § 439 III BGB verlangen – unabhängig vom Vorliegen eines Verbrauchsgüterkaufs. Der BGH klärt in der vorliegenden Entscheidung, ob es einen verschuldensunabhängigen Vorschussanspruch hinsichtlich der Kosten der Nachlieferung, also eines Deckungskaufs aus § 439 II BGB gibt. Jenseits dessen müsste K Nachlieferung fordern und nach Ablauf der Nacherfüllungsfrist Schadensersatz statt der Leistung aus §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1 2. Fall BGB gem. § 281 IV BGB fordern. Die Voraussetzungen eines Nacherfüllungsanspruchs gem. §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB lagen hier ohne Probleme vor. Es handelt sich vorliegend um einen klassischen Fall des zum Einbau bestimmten Baumaterials. Ebenso wie in den Fällen des § 634 I Nr. 2 BGB offenbaren sich Mängel mitunter spät, weshalb hier die längere Verjährung genauso gerechtfertigt ist wie bei der zum Bauwerk führenden Bauleistung selbst. B. Anspruch des K gegen B auf Aufwendungsersatz gem. §§ 437 Nr. 1, 439 I, II BGB in Höhe von 10.891,18 € K könnte gegen B einen Anspruch auf Vorschuss des Aufwendungsersatzes für die Durchführung einer Ersatzvornahme sowie eines Deckungskaufs in Höhe von 10.891,18 € gem. §§ 437 Nr. 1, 439 I, II BGB haben. Dies setzt erstens einen Anspruch auf Nacherfüllung voraus, zweitens, dass dieser Anspruch gem. § 439 II BGB zu einer verschuldensunabhängigen Verkäuferpflicht zur Erstattung von Einbau-, Entsorgungs- und Ausbaukosten führt und drittens, dass wegen dieser Kosten ein Anspruch auf Vorschuss besteht. I. Anspruch auf Nacherfüllung Zunächst müsste K gegen B einen Anspruch auf Nacherfüllung gem. §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB haben. 1. Anspruch entstanden Indem unstreitig im Januar 2012 ein Kaufvertrag über das Holz geschlossen wurde, dieses unmittelbar darauf an K geliefert wurde, ist die Gefahr gem. § 446 S.1 BGB auf K übergegangen. Es steht fest, dass das gelieferte Holz nicht der entsprechenden Nutzungsklasse entsprach und somit gem. § 434 I 2 Nr. 2 BGB bei Gefahrübergang mangelhaft war. Ausschlussgründe sind nicht ersichtlich, insbesondere hat K unverzüglich nach Auftreten des Mangels gerügt, sodass ein Ausschluss nach § 377 II, III HGB unbeschadet der Frage, ob ein Handelskauf vorliegt, nicht in Betracht kommt. 2. Anspruch durchsetzbar B hat gem. § 214 BGB im seit September 2015 rechtshängigen Prozess die Einrede der Verjährung erhoben. Fraglich ist aber, ob die Verjährungsfrist des § 438 BGB abgelaufen ist. Wäre § 438 I Nr. 3 BGB einschlägig, wäre aufgrund der zweijährigen Verjährungsfrist die Verjährung bereits im Januar 2014 eingetreten, wäre § 438 I Nr. 2 lit. b BGB einschlägig, wäre aufgrund der fünfjährigen Verjährungsfrist im September 2015 noch keine Verjährung eingetreten. Dann müssten die Hölzer für ein Bauwerk verwendet worden sein. Jura Intensiv [28] Nach der Gesetzesbegründung zu § 438 Absatz 1 Nummer 2 Buchst. b BGB kann hinsichtlich der Frage, ob die Kaufsache „für ein Bauwerk“ verwendet worden ist, auf die zu § 638 Absatz 1 Satz 1 BGB aF (jetzt § 634a Absatz 1 Nummer 2 BGB) entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden (...). Danach ist ein Bauwerk eine unbewegliche, durch Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache. Von der Vorschrift erfasst sind nicht nur Neuerrichtungen von Bauwerken, sondern auch Erneuerungs- und Umbauarbeiten an einem errichteten Gebäude, wenn sie für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Gebäudes von wesentlicher Bedeutung sind und wenn die eingebauten Teile mit dem Gebäude fest verbunden sind (…). [29] Der Ausdruck „Bauwerk“ beschreibt dabei (...) nicht nur die Ausführung des Baus als Ganzem, sondern auch die Herstellung der einzelnen Bauteile und Bauglieder, und zwar unabhängig davon, ob sie äußerlich als hervortretende, körperlich abgesetzte Teile in Erscheinung treten. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2021 Zivilrecht 339 Vorliegend wurden die Hölzer in das Haus fest eingebaut und damit als Bauteil innerhalb eines Bauwerks verwendet. [27] Die Hölzer wurden für ein Bauwerk verwendet. Damit steht fest, dass der Nacherfüllungsanspruch aus §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB gem. § 438 I Nr. 2 lit. b noch nicht verjährt war. II. Vorliegen eines Verbrauchsgüterkaufs § 439 II BGB dient der Zuweisung der Kosten beim Nacherfüllungsanspruch, weshalb fraglich ist, ob sich aus der Norm ein verschuldensunabhängiger Anspruch ergibt. 1. Keine verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlage Man kann vertreten, dass § 439 II BGB keine verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlage sei, weil andernfalls Wertungswidersprüche zum System des Schadensersatzes im Kaufrecht drohten. Gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB muss der Verkäufer den Mangel bei Gefahrübergang zu vertreten haben. 2. Verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlage im Falle eines Verbrauchsgüterkaufs Es sprechen aber einige Argumente dafür, einen verschuldensunabhängigen Anspruch des Käufers gegen den Verkäufer aus § 439 II BGB zuzulassen, wenn es sich um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 BGB handelt. Hierfür spricht neben dem Wortlaut auch die Historie. § 439 II BGB ersetzt den verschuldensunabhängigen § 476a S. 1 BGB in der Fassung des BGB bis zum 31.12.2001. Ferner lässt sich diese Sichtweise entscheidend auf die richtlinienkonforme Auslegung aus Art. 3 III 1, IV der Richtlinie 1999/44/EG stützen, nach der die Nacherfüllung für den Käufer zum einen unentgeltlich zu erfolgen hat, und sie für ihn zum anderen ohne besondere Mühewaltungen möglich sein muss. Fraglich ist hier aber, ob es sich um einen Verbrauchsgüterkauf handelt, denn einerseits waren die Hölzer für das privat genutzte Wohnhaus des K bestimmt, was der Mitarbeiter der B wusste. Andererseits stand K mit B jahrelang in Geschäftsverbindung und adressierte B unwidersprochen die Rechnung an die Tischlerei des K. Zu prüfen ist deshalb, ob K als Verbraucher gem. § 13 BGB gekauft hat oder als Unternehmer gem. § 14 BGB. Jura Intensiv [14] Gemäß § 474 Absatz 1 Satz 1 BGB aF liegt ein Verbrauchsgüterkauf vor, wenn ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist ein Verbrauchsgüterkauf im Streitfall gegeben, weil der Kläger die Hölzer als Verbraucher von der beklagten Unternehmerin (§ 14 BGB) erworben hat. (…) Nach § 13 BGB (in der gemäß Artikel 229 § 32 Absatz 1 EGBGB hier noch anwendbaren, vor dem 13. Juni 2014 geltenden Fassung) ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. [15] Danach hat der Kläger die Hölzer als Verbraucher erworben. Er verfolgte unstreitig einen privaten Zweck (…). Die hier zutage getretenen Begleitumstände, wonach das Geschäft in gleicher Weise wie geschäftliche Bestellungen des Klägers bei der Beklagten abgewickelt wurde, sind entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts von Diese ablehnende Auffassung vertreten Hellwege AcP 206 (2006) S. 136; Lorenz, NJW 2014, 2319; Schwab JuS 2015, 361. Die dieser Auffassung zugrundeliegenden BGH-Entscheidungen, nach der § 439 II BGB bei einem Verbrauchsgüterkauf eine verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlage sein kann, waren schon Gegenstand von Examensklausuren. Für vorgerichtliche Gutachterkosten, BGH, Urteil vom 30.04.2014, VIII ZR 275/13 = RA 2014, 353, für vorgerichtliche Anwaltskosten, BGH, Urteil vom 24.10.2018, VIII ZR 66/17. Streitig war hier, ob es sich überhaupt um einen Verbrauchsgüterkauf gehandelt hat. Der BGH sieht hier einen Verbrauchsgüterkauf. Entscheidend ist, dass K einen privaten Zweck verfolgte. Die Begleitumstände sind von untergeordneter Bedeutung. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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