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RA Digital - 07/2022

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344 Zivilrecht

344 Zivilrecht RA 07/2022 Es verbieten sich schematische Lösungen ohne Betrachtung des Einzelfalles. Argument: Tritt ein neuer Mieter an die Stelle des alten, haftet der alte, vom Vermieter ausgesuchte Mieter nicht mehr mit den anderen Mietern gesamtschuldnerisch für die Ansprüche des Vermieters. Der Mieterwechsel hat also Einfluss auf das Insolvenzrisiko. Argument: Tritt ein neuer Mieter an die Stelle des alten, reduzieren sich die Möglichkeiten für den Vermieter, die Miete zu erhöhen im Vergleich zu einem Neuabschluss. Argument: Die Vermieterinteressen werden nicht mitberücksichtigt, wenn man allein aus dem beachtenswerten Interesse der Mieter an einem unkomplizierten Mieterwechsel einen Anspruch auf Zustimmung herleitet. Der VIII. Zivilsenat sperrt sich gegen Pauschalaussagen aufgrund schematischer Betrachtungen. Er verkennt nicht, dass eine Vermietung an eine Wohngemeinschaft, die aus Studenten besteht, aufgrund der Umstände des Einzelfalles eine Auslegung in Richtung eines Anspruchs auf Zustimmung möglich ist, wenn beide Seiten von der Fluktuation ausgegangen sind. schematische Beantwortung der Frage, ob sich aus einem Mietvertrag mit mehreren Mietern, die eine Wohngemeinschaft bilden, ein Anspruch auf eine Zustimmung zu einem Mieterwechsel oder gar eine antizipierte Einwilligung hierzu ergibt. Im Rahmen der einzelfallbezogenen Auslegung sind allerdings die häufig gegenläufigen Interessen der Vertragsparteien zu berücksichtigen. [26] (…). Ein Recht auf Zustimmung zu einem Mieterwechsel oder - noch weitergehend - eine bereits antizipierte Einwilligung in einen künftigen Mieterwechsel begünstigt die Mieter im Vergleich zu der gesetzlichen Lage erheblich. Denn der bisherige Mieter scheidet - anders als bei einer Untervermietung - bei einer (teilweisen) Vertragsübernahme durch den neuen Mieter aus dem Mietverhältnis aus und haftet ab diesem Moment nicht mehr - gesamtschuldnerisch mit den anderen Mietern - für die Erfüllung künftig entstehender vertraglicher Verpflichtungen. (…) [29] (…) Zum anderen wird der Vermieter durch die beständige Aufnahme neuer Mieter in einen bestehenden Vertrag erheblich in der Dispositionsfreiheit bezüglich seiner Wohnung eingeschränkt. So reduzieren sich seine Möglichkeiten, die Miete zu erhöhen, im Vergleich zu einem Neuabschluss eines Mietvertrags dauerhaft. [31] Im Hinblick auf die häufig gegenläufige Interessenlage der Vertragsparteien kann deshalb nicht allein aus dem erheblichen und beachtenswerten Interesse der Mieter an einem unkomplizierten und jederzeit möglichen Mieterwechsel auf eine vertragliche Vereinbarung eines Anspruchs auf Zustimmung des Vermieters zu künftigen Austauschbegehren der Mieter geschlossen werden. Vielmehr bedarf es konkreter Anhaltspunkte dafür, dass der Vermieter den Mietern ein derartiges Recht zugestehen wollte. Fraglich ist, ob sich aus dem Vermieten an eine Wohngemeinschaft etwas anderes ergibt. Man könnte der Auffassung sein, dass der Vermieter durch die Vermietung einer Wohnung an eine Wohngemeinschaft bei deren Mitgliedern für ihn erkennbar das Vertrauen in seine Zustimmung zu einem künftigen Mieterwechsel begründet. Jura Intensiv [38] Allein das Zusammenwohnen mehrerer Personen und die Bezeichnung als Wohngemeinschaft besagen deshalb nichts darüber, ob nach dem Willen der Mieter die Mitbewohner jederzeit austauschbar sein sollen und hiermit auch zu rechnen ist. Es ist mithin entgegen der Auffassung der Revision nicht „allgemein bekannt, dass eine Wohngemeinschaft häufige Ab- und Zugänge ihrer Mitglieder zu verzeichnen hat“. Erst recht muss ein Vermieter, der einen Mietvertrag mit mehreren Mietern abschließt, nicht ohne Weiteres damit rechnen, dass das Zusammenleben der Mieter nicht auf eine gewisse Konstanz und Dauer, sondern auf einen häufigen Wechsel der Bewohner angelegt ist. (…) [39] Aus der bloßen Bezeichnung als Wohngemeinschaft und dem Abschluss eines Mietvertrags durch mehrere Mieter lassen sich daher keine tragfähigen Schlüsse darüber ableiten, welche beidseitigen Vorstellungen dem Mietverhältnis zu Grunde lagen. (…) [43] Fehlt eine ausdrückliche schriftliche oder mündliche Abrede über ein Recht zum Mieterwechsel und kann dieses auch den zum Mietvertragsschluss führenden Willenserklärungen nicht im Wege der Auslegung entnommen werden, kann sich ein solches auf Grund einer nachvertraglichen Vereinbarung, etwa im Zuge von Regelungen zur Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2022 Zivilrecht 345 Vertragsübernahme, ergeben. Auch insoweit ist eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung der auf diese nachträglichen Vereinbarungen gerichteten Willenserklärungen der Vertragsparteien geboten, bei der neben allen Umständen des Einzelfalls auch die Gebote von Treu und Glauben zu berücksichtigen sind.(…). [44] Daraus, dass der Vermieter mehrfach einem Mieterwechsel zugestimmt hat, kann zudem in der Regel nicht abgeleitet werden, dass es ihm auf die Person des Mieters nicht ankommt und er deshalb auch mit künftigen Mieterwechseln einverstanden sein wird. (..) [53] (…) Dem ersten Nachtrag kann ein derartiger übereinstimmender Wille schon deshalb nicht entnommen werden, weil dieser nicht nur den Mieterwechsel unter ansonsten gleichbleibenden Vertragsbedingungen regelte, sondern zugleich eine erhebliche Erhöhung der Grundmiete vereinbart und eine zusätzliche Person als Mieter aufgenommen wurde. Die Beklagte hat sich mithin nicht bedingungslos mit einem Mieterwechsel einverstanden erklärt. Vielmehr war die Vertragsänderung für sie selbst vorteilhaft. Dies spricht dagegen, dass sie sich zugleich mit ihrem Einverständnis zu der Vertragsübernahme dazu verpflichten wollte, künftigen Mieterwechseln bedingungslos zuzustimmen. Es besteht kein Anspruch auf Zustimmung des Vermieters zum Mieterwechsel durch Auslegung des Vertrages gem. §§ 133, 157 BGB. B. Anspruch der K gegen B auf Zustimmung zum Mieterwechsel aus einer konkludent getroffenen Vereinbarung Fraglich ist, ob sich ein Anspruch auf Zustimmung hier aus einer konkludent getroffenen Vereinbarung ergibt. [58] Je nach den Umständen des Einzelfalls kann zusätzlich zu prüfen sein, ob sich eine mietvertragliche Vereinbarung eines Rechts zum Mieterwechsel aus einem neben den Mietvertrag tretenden schlüssigem Verhalten der Vertragsparteien ergibt. Denn mietvertragliche Abreden können grundsätzlich auch stillschweigend durch schlüssiges Verhalten getroffen werden (…). [60] Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte für eine konkludente Vereinbarung eines Rechts zum Mieterwechsel. Eine tatsächliche Übung, aus der ein solcher Anspruch hergeleitet werden könnte, liegt nicht vor. Wie ausgeführt, ist den im Zusammenhang mit den zwei Nachträgen abgegebenen Willenserklärungen ein übereinstimmender Wille auf eine entsprechende in die Zukunft gerichtete Bindung nicht zu entnehmen. (…). Jura Intensiv Grundsätzlich kann sich aus nachvertraglichen Vereinbarungen ergeben, dass ein Vermieter mit künftigen Mieterwechseln einverstanden ist. Aber auch in diesem Falle bedarf es hierzu konkreter Anhaltspunkte, die vorliegend gefehlt haben. Denn der Vermieter profitierte aufgrund der Mieterhöhungen selbst von den Änderungen auf der Mieterseite. Zur Absicherung der oben getroffenen Auslegung untersucht der VIII. Zivilsenat den zugrundeliegenden Sachverhalt auf konkludent getroffene Abreden. Solche lassen sich aber aus denselben Gründen (s.o.) nicht aus dem Verhalten der Parteien herleiten. Folglich ist keine konkludent getroffene Vereinbarung ersichtlich. C. Anspruch der K gegen B auf Zustimmung zum Mieterwechsel gem. §§ 241 II, 242 BGB Fraglich ist, ob die K gegen B einen Anspruch auf Zustimmung zum Mieterwechsel gem. §§ 241 II, 241 II BGB haben. Der Grundsatz der Vertragstreue kann bei Dauerschuldverhältnissen dann unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebotes oder nach Treu und Glauben Ausnahmen erfahren, wenn berechtigte Interessen eines Vertragsteils diese gebieten. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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