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RA Digital - 07/2022

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348 Zivilrecht

348 Zivilrecht RA 07/2022 Es liegt ein Insichgeschäft gem. § 181 1. Fall BGB, ein Fall des Selbstkontrahierens, vor. § 181 BGB kann nach dem Rechtsgedanken des § 107 BGB teleologisch reduziert werden, wenn das Geschäft für die betroffenen Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Ein Geschäft ist lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn es nicht unmittelbar rechtlich nachteilig ist. Ein solcher rechtlicher Nachteil wird jedenfalls durch eine persönliche Verpflichtung des Minderjährigen begründet. Verpflichtungen durch Eintritt in die Vermieterstellung Grundsatzentscheidung: BGH, Beschluss vom 03.02.2005, V ZB 44/04 Auch der Erwerb eines Bruchteils des Eigentums führt zu den o.g. Nachteilen. [6] Für den Beteiligten zu 2 folgt dies aus § 1795 Abs. 2 i.V.m. § 181 BGB, da er die Auflassung (§ 925 BGB) zugleich als Veräußerer im eigenen Namen und als (gesetzlicher) Vertreter für die Beteiligten zu 4 und 5 als Erwerber erklärt hat. Seine Ehefrau, in deren Namen er aufgrund Vollmacht gehandelt hat, war nach § 1629 Abs. 2, § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB von der Vertretung ausgeschlossen, weil es sich bei der Auflassung um ein Rechtsgeschäft zwischen dem Beteiligten zu 2 als ihrem Ehegatten einerseits und den vertretenen minderjährigen Kindern andererseits handelt. Jedoch könnte § 181 BGB entsprechend § 107 BGB teleologisch zu reduzieren sein, wenn das Geschäft für B4 und B5 lediglich rechtlich vorteilhaft ist. [7] Der Beteiligte zu 2 und seine Ehefrau waren auch nicht deswegen ausnahmsweise ungeachtet des Ausschlusses nach § 1795 BGB zur Vertretung ihrer Kinder befugt, weil sich der Erwerb des Miteigentums an dem Grundstück für diese als lediglich rechtlich vorteilhaft darstellt (…). Denn so liegt es hier nicht. [8] Ein auf den Erwerb einer Sache gerichtetes Rechtsgeschäft ist für einen Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne von § 107 BGB, wenn er in dessen Folge mit Verpflichtungen belastet wird, für die er nicht nur dinglich mit der erworbenen Sache, sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen haftet. Eine solche persönliche Haftung ist mit dem Erwerb eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks verbunden. Gemäß § 566 Abs. 1, § 581 Abs. 2, § 593b BGB tritt der Erwerber mit dem Eigentumsübergang in sämtliche Rechte und Pflichten aus bestehenden Miet- oder Pachtverhältnissen ein. Er ist daher nicht nur zu der Überlassung des vermieteten oder verpachteten Grundstücks verpflichtet (§ 535 Abs. 1, § 581 Abs. 1, § 585 Abs. 2 BGB); vielmehr können ihn insbesondere auch Schadensersatz- und Aufwendungsersatzpflichten (§§ 536a, 581 Abs. 2, § 586 Abs. 2 BGB) sowie die Pflicht zur Rückgewähr einer von dem Mieter oder Pächter geleisteten Sicherheit (§§ 566a, 581 Abs. 2, § 593b BGB) treffen. Deshalb ist, wie der Senat bereits entschieden hat, davon auszugehen, dass der Erwerb eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks für einen Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist (...). [9] An dieser Bewertung ändert sich vorliegend nichts dadurch, dass die Beteiligten zu 4 und 5 jeweils lediglich einen Bruchteil des Grundstückseigentums erwerben sollen. Denn bei der Übertragung eines Miteigentumsanteils tritt der Erwerber gemäß § 566 BGB neben den verbleibenden Miteigentümern in den Vertrag auf Vermieterseite ein (…). Dies gilt auch, wenn ein vermietender Alleineigentümer einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück veräußert (…). Denn der Mieter ist bei der Veräußerung eines Miteigentumsanteils durch den bisherigen Alleineigentümer jedenfalls nicht weniger schutzbedürftig als im Falle der Veräußerung eines Miteigentumsanteils an einen Dritten bei einer bereits bestehenden Bruchteilsgemeinschaft, bei dem der Eintritt des neuen Miteigentümers in die Mietverhältnisse anerkannt ist (…). Folglich träten sowohl der Beteiligte zu 2 mit dem Erwerb von 93,8/100 Miteigentumsanteilen an dem von der Beteiligten zu 1 vermieteten Grundstück neben dieser als Vermieter in die Mietverhältnisse ein, als auch die Beteiligten zu 4 und 5 mit dem anschließenden Erwerb von jeweils 46,9/100 Miteigentumsanteilen von dem Beteiligten zu 2. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2022 Zivilrecht 349 [10] Ebenso wenig ist der Eigentumserwerb für die Beteiligten zu 4 und 5 deshalb lediglich rechtlich vorteilhaft, weil an dem Grundstück ein Nießbrauch bestellt ist. Dabei kommt es nicht darauf an - was das Berufungsgericht folglich offenlassen durfte -, ob die Beteiligte zu 1 oder die Nießbraucher Vermieter der Wohnräume sind. [11] Sollte die Beteiligte zu 1 ungeachtet des Nießbrauchs alleinige Vermieterin sein, etwa weil sie die Räume erst nach Eintragung des Nießbrauchs vermietet hat, so dass die Nießbraucher nicht nach § 567 BGB in die Mietverhältnisse eingetreten wären (...), fände § 566 BGB auf die Erwerbsvorgänge unmittelbare Anwendung. In diesem Fall träten somit zunächst der Beteiligte zu 2 mit dem Erwerb der 93,8/100 Miteigentumsanteile von dieser und sodann die Beteiligten zu 4 und 5 mit dem Erwerb der jeweils 46,9/100 Miteigentumsanteile von dem Beteiligten zu 2 in die Mietverhältnisse ein. [12] Sollten hingegen die Nießbraucher Vermieter der Räumlichkeiten sein, wäre der Eigentumserwerb für die Beteiligten zu 4 und 5 ebenso wenig lediglich rechtlich vorteilhaft. Denn der minderjährige Erwerber tritt - wie das Beschwerdegericht zutreffend sieht - jedenfalls mit der Beendigung des Nießbrauchs nach § 1056 Abs. 1 BGB entsprechend § 566 Abs. 1 BGB in die Pflichten aus dem dann noch bestehenden Mietverhältnis ein (...). [13] Soweit die Rechtsbeschwerde dem entgegenhält, es handele sich hierbei nur um eine bloß theoretische Möglichkeit einer zukünftigen Belastung, die für die Annahme eines rechtlichen Nachteils nicht genüge, trifft dies nicht zu. Richtig ist zwar, dass die bloß theoretische Möglichkeit einer zukünftigen Belastung nicht genügt, um einen Rechtsnachteil im Sinne von § 107 BGB anzunehmen. Deshalb ist die Schenkung eines Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt nicht bereits deshalb rechtlich nachteilig, weil eine in Zukunft erfolgende Vermietung oder Verpachtung durch den Nießbraucher nicht ausgeschlossen werden kann. Ist das Grundstück dagegen bereits im Zeitpunkt der Auflassung vermietet oder verpachtet, besteht die hinreichend konkrete Möglichkeit, dass der Minderjährige bei Beendigung des Nießbrauchs mit Pflichten aus dem Miet- oder Pachtvertrag belastet werden kann. Dies genügt, um einen Rechtsnachteil anzunehmen (...). Jura Intensiv B. Ergebnis Damit steht fest, dass die Auflassung noch schwebend unwirksam ist und ihre Wirksamkeit von der Genehmigung eines Ergänzungspflegers abhängt. An der Bewertung als rechtlich nachteilig ändert auch die Bestellung des Nießbrauchs nichts. Auch wenn der Nießbraucher Vermieter ist, treten die minderjährigen Erwerber mit der Beendigung des Nießbrauchs nach § 1056 I BGB analog § 566 BGB in die Pflichten des Mietverhältnisses ein. Die Gefahr, dass die Minderjährigen Vermieter werden, ist nicht nur rein theoretisch, sondern hier dadurch konkret vorhanden, weil das Mietverhältnis, in das sie eintreten würden, bereits besteht. FAZIT Ein lediglich rechtlicher Vorteil fehlt i. S. d. § 107 BGB, wenn dem Minderjährigen durch das vorzunehmende Rechtsgeschäft ein theoretischer rechtlicher Nachteil droht. Dies ist der Fall, wenn der Eintritt in ein Mietverhältnis gem. § 566 BGB droht, gleichgültig, ob der Vermieter Eigentümer des veräußerten Grundstücks oder Nießbraucher ist. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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