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RA Digital - 07/2022

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356 Referendarteil:

356 Referendarteil: Zivilrecht RA 07/2022 Zulässigkeit der Widerklage: • Rechtshängiger Rechtsstreit • Konnexität • (Streit, ob § 33 ZPO eine Gerichtsstandsregelung oder besondere Zulässigkeitsvoraussetzung ist). Ob zu diesem Streit Ausführungen in einer Klausur erfolgen sollen, wird unterschiedlich gehandhabt. Fragen Sie hierzu Ihre Ausbilder. RG, Urteil vom 21.04.1931, II 241/30; Zöller/Greger, ZPO, § 145 Rn. 14 Zur Grundkonstellation: Der Anspruch des K besteht, der Gegenanspruch des B im Wege der Widerklage besteht nicht. Lösung: K obsiegt, denn sein Anspruch besteht. B verliert die Widerklage, weil sein Anspruch nicht besteht. BGH, Urteil vom 07.04.2011, VII ZR 209/07 Die Vorinstanz bejahte die Vereinbarkeit mit § 307 I 1 BGB: [16] Zu berücksichtigen ist, dass der geschäftserfahrene Unternehmer nicht in gleichem Maß schutzbedürftig ist wie der Verbraucher. Er ist mit den Risiken des Geschäfts vielfach besser vertraut und zu einer entsprechenden Vorsorge in der Lage. Bei der Beurteilung von Pauschalierungsklauseln oder Aufrechnungsverboten kann auch das gemeinsame Interesse an einer raschen Abwicklung des Vertrags von Bedeutung sein. Die Widerklage ist zulässig. Die Voraussetzungen des § 33 BGB sind erfüllt. Die Widerklage ist aber aus den oben genannten Gründen aufgrund des Fehlens eines aufrechenbaren Anspruches unbegründet. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I 1, 709 ZPO. FAZIT In der Originalentscheidung heißt es noch: [13] Auch wenn - wie nachfolgend auszuführen sein wird - ein aufrechenbarer Gegenanspruch der Beklagten nicht besteht, ist wegen der Rechtskraftwirkung des Urteils die Wirksamkeit des in Ziffer 3.3. des Vertrages vereinbarten Aufrechnungsverbotes zu prüfen (vgl. (…)). Diese Ausführungen sollten in einer Klausur nicht erfolgen. Ist die Widerklage innerprozessual bedingt, beispielsweise für den Fall, dass eine Aufrechnungslage nicht besteht, ändert sich meiner Meinung nach an den Entscheidungsgründen nichts. Auf die Wirksamkeit des Aufrechnungsverbotes kommt es in keinem Fall an. Für die Begründetheit der Klage kann es – typische Formulierung – dahinstehen, ob die Aufrechnungsmöglichkeit vertraglich ausgeschlossen ist, weil der Gegenanspruch (des B) nicht besteht. Die innerprozessuale Bedingung für die Widerklage ist auch – losgelöst von der Wirksamkeit des Aufrechnungsverbotes – erfüllt, da bei fehlendem Gegenanspruch keine Aufrechnungslage besteht. Für die Begründetheit der Widerklage kommt es aus den gleichen Gründen ebenfalls nicht auf die Wirksamkeit des Ausschlusses an. Die Ausführungen des Gerichts können daher allenfalls als Indiz dafür angesehen werden, dass die Ausführungen zur Wirksamkeit der Klausel hier nicht lediglich als obiter dicta zu werten sind, sondern in Rechtskraft erwachsen sollen. Die Entscheidung „schlägt Wellen“, weil die Klausel „Eine Aufrechnung ist gegenüber Ansprüchen des Verwenders nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen zulässig.“ in der Praxis absolut gängig ist und nunmehr, nachdem der BGH dieser Formulierung gegenüber Verbrauchern eine Absage erteilt hat, nunmehr auch durch ein Obergericht für den Geschäftsverkehr als unwirksam eingestuft wurde. Das erste Argument des OLG ist schlüssig, auch wenn es nur eine Wiederholung ist. Der BGH hält die Möglichkeit der Aufrechnung von gegenseitigen Ansprüchen aus dem Schuldverhältnis für nicht ausschließbar, weil – hier dem Auftragnehmer – andernfalls ein wesentliches Recht, um sich gegen unberechtigte Forderungen aus dem Vertrag zu wehren, fehlen würde. Eine Auseinandersetzung mit den Argumenten der Vorinstanz erfolgte aber nicht. Das zweite Argument, die Bezugnahme auf die Anwendbarkeit von § 309 Nr. 3 BGB, erschließt sich demgegenüber ohne weitere Erläuterung nicht, denn § 309 Nr. 3 BGB ist hier irrelevant, weil die streitgegenständliche Klausel sich auf unbestrittene oder rechtskräftige Forderungen überhaupt nicht bezieht. Gemeint ist (wohl) vielmehr, dass eine Klausel, welche nicht gegen § 309 Nr. 3 BGB verstößt, dennoch gegen § 307 I 2 BGB verstoßen kann, weil § 309 Nr. 3 BGB nicht abschließend regelt, was im Rahmen von AGB hinsichtlich der Modifikationen von Aufrechnungslagen rechtlich zulässig ist. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2022 Referendarteil: Zivilrecht 357 Problem: Abtretung eines Grundschuldrückübertragungsanspruches Einordnung: Schuldrecht AT; Sachenrecht BGH, Beschluss vom 14.01.2022 V ZR 255/20 EINLEITUNG Braucht ein Grundstückseigentümer mehrere Kredite und bestellt er hierzu als Sicherheiten den unterschiedlichen Banken Grundpfandrechte, kann er die nachrangigen Grundpfandrechte „aufwerten“, indem er die Rückübertragungsansprüche gegenüber vorrangigen Sicherungsnehmer auf die nachrangigen Gläubiger abtritt. Die vorliegende Entscheidung behandelt die Frage, ob Zustimmungserfordernisse einer Inhaltskontrolle standhalten. Die Entscheidung wird als erstinstanzliches Urteil dargestellt. TATBESTAND Der zwischenzeitlich verstorbene S bestellte der beklagten Bank (B) 1997 eine Buchgrundschuld i. H. v. 300.000 DM an seinem Grundstück als Sicherheit für ein ihm gewährtes Darlehen. Die Grundschuld wurde in das Grundbuch unter der laufenden Nr. 4 eingetragen. In der notariellen Bestellungsurkunde heißt es, dass die Abtretung der Rückgewähransprüche einschließlich der Ansprüche auf Zahlung eines Übererlöses der Zustimmung der B bedürfe. Im Jahr 2001 bestellte der S zu Gunsten des Klägers (K) zur Sicherung eines Darlehens eine Grundschuld über 600.000 DM, welche in das Grundbuch unter der laufenden Nr. 6 eingetragen wurde. In der Bestellungsurkunde trat der S dem K seine Ansprüche auf die Rückübertragung vorrangiger Grundschulden ab. Das durch die Grundschuld gesicherte Darlehen der B wurde 2005 abgelöst. Eine Löschung oder Rückgewähr der Grundschuld erfolgte nicht. 2014 trat der S seinen Rückgewähranspruch nochmals an den K ab. 2017 pfändete die Ehefrau des zu diesem Zeitpunkt verstorbenen S den auf dessen unbekannte Erben übergegangenen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld. Die B erkannte diesen Anspruch in einer Drittschuldnererklärung an. 2018 betrieb eine gegenüber beiden Grundschulden vorrangige Gläubigerin die Zwangsversteigerung des Grundstücks. Die Verteilung des Erlöses führte zur vollständigen Befriedigung der betreibenden Gläubigerin G. Zu Gunsten der B wurde ein Betrag von 224.073,66 € beim Amtsgericht hinterlegt. Jura Intensiv K beantragt, die B zu verurteilen, die Freigabe und Herauszahlung des von der G bei dem Amtsgericht (…) (Az (…)) zu Gunsten der B hinterlegten Betrages in Höhe von 224.073,66 € nebst Hinterlegungszinsen an die Klägerin zu bewilligen. LEITSATZ 1. Der die Abtretung eines Grundsch uldrückgewähranspruchs betreffende formularmäßige Zustimmungsvorbehalt der Bank ist auch dann wirksam, wenn Sicherungsgeber und Grundstückseigentümer personenidentisch sind. 2. Ein solcher Zustimmungsvorbehalt benachteiligt den Sicherungsgeber entgegen den Geboten von Treu und Glauben auch dann nicht unangemessen, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen keinen Anspruch auf Zustimmung vorsehen. 3. Der Sicherungsgeber hat jedenfalls dann einen Anspruch auf Zustimmung, wenn ein schützenswertes Interesse der Bank an deren Verweigerung nicht besteht oder seine berechtigten Belange an der Abtretbarkeit des Rückgewähranspruchs überwiegen. Der Sachverhalt liest sich komplizierter als er ist. S bestellt 3 Grundschulden bei verschiedenen Banken (G, B und K). Das Darlehen der B wird vollständig zurückgezahlt. G betreibt die Zwangsvollstreckung und hinterlegt den Überschuss. Fraglich ist, wem das Geld zusteht. In Betracht kommen der K oder die E, die mglw. rechtzeitig gepfändet hat. Klassiker: Herausgabeverlangen eines hinterlegten Betrages gem. § 812 I 1 2. Alt. BGB, da B ein „Sperrposition“ aufgrund der Hinterlegung als „etwas“ erlangt hat. Aktuelle Anträge sind hervorzuheben. Dies erfolgt stets durch Einrücken, Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 313 Rn 19. B beantragt, die Klage abzuweisen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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