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RA Digital - 07/2022

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378 Referendarteil:

378 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 07/2022 Prozessgeschichte: Indikativ Perfekt Streitiges des Klägers: Konjunktiv Präsens Anträge: Indikativ Präsens Zustelldatum wird mitgeteilt, wenn es für die Wahrung der Klagefrist wichtig ist. Klagen werden abgewiesen, nicht verworfen, abgelehnt, zurückgewiesen o.Ä. Streitiges der Beklagten: Konjunktiv Präsens Prozessgeschichte: Indikativ Perfekt Dagegen hat der Kläger am 03.03.2021 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt der Kläger seine Argumentation aus dem Verwaltungsverfahren, welche weiter vertieft wird. Insbesondere ist er der Auffassung, dass die von ihm zu benutzenden Kabelbrücken keine Gefahrenquelle, auch nicht für Verkehrsteilnehmer mit eingeschränkter Mobilität, darstellen würden. Zudem diene die beantragte Sondernutzung nicht nur seinem privaten Interesse, sondern auch dem Interesse der Allgemeinheit, denn die Benutzung der Fahrzeuge mit Elektro- bzw. Hybridmotor führe allgemein und insbesondere auch lokal zu einer Verringerung der Umweltbelastung durch Schadstoffe. Entgegen der Ansicht der Beklagten gehe es ihm auch nicht um eine komfortable Möglichkeit, seine Fahrzeuge mit Strom zu betanken, denn öffentliche Ladesäulen dienten nicht dazu, Elektrofahrzeuge während längerer (nächtlicher) Standzeiten aufzuladen, sondern seien von vornherein für eine zeitlich relativ kurze Inanspruchnahme gedacht. Zudem seien die öffentlichen Ladesäulen im Stadtgebiet der Beklagten selbst für eine solche eingeschränkte Nutzung zum Vorteil einer Vielzahl von Nutzern nicht ausreichend. Die nächstgelegene Ladestation befinde sich in einem Parkhaus, welches von 1.30 Uhr bis 6.30 Uhr geschlossen sei. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.09.2020 und des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2021 – zugestellt am 03.02.2021 – zu verpflichten, dem Kläger die Erlaubnis zur Sondernutzung des Gehwegs durch zwei Kabelbrücken vom Rand des Grundstücks E-Straße in B-Stadt zum Fahrbahnrand zu erteilen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte ist der Auffassung, dass ihr bei der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis ein weites Ermessen zukomme. Diesen eingeräumten Ermessensspielraum habe sie durch ihre Entscheidung im konkreten Fall vollständig ausgenutzt. Die Ablehnung werde inhaltlich gestützt auf Erwägungen zur Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, insbesondere auf die Aufrechterhaltung des störungsfreien Gemeingebrauchs für Nutzer des schmalen Gehwegs. Das sei nicht fehlerhaft, denn die behördliche Ermessensausübung habe sich an Gründen zu orientieren, die einen sachlichen Bezug zur Straße hätten. […] Jura Intensiv Mit Beschluss vom 03.01.2022 hat die Kammer den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. […]“ ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Prozessvorspann zum Einzelrichter fehlt. Mögliche Formulierung: „Das Gericht hat durch den Einzelrichter entschieden, weil ihm die Kammer den Rechtsstreit durch Beschluss gem. § 6 Abs. 1 VwGO übertragen hat.“ Rechtsgrundlage: § 16 I HStrG Die Rechtsgrundlage ist in einer Klausur wörtlich wiederzugeben. „Die zulässige Klage ist unbegründet, denn der Bescheid des Magistrats der Stadt Oberursel vom 11.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2021 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, weil der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Sondernutzungserlaubnis hat (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Rechtsgrundlage für die Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis ist § 16 Abs. 1 des Hessischen Straßengesetzes (HStrG). Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 HStrG bedarf der Gebrauch der öffentlichen Straßen über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) der Erlaubnis der Straßenbaubehörde. Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 HStrG soll die Erlaubnis nicht Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2022 Referendarteil: Öffentliches Recht 379 erteilt werden, wenn behinderte Menschen durch die Sondernutzung in der Ausübung des Gemeingebrauchs erheblich beeinträchtigt werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Verlegen der Stromkabel (einschließlich der Kabelbrücken) über den Gehweg, welcher Teil der öffentlichen Straße ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 HStrG), stellt eine Sondernutzung dar, da sie vom Gemeingebrauch (§ 14 HStrG) nicht umfasst ist. Nach § 14 HStrG ist der Gebrauch der öffentlichen Straßen jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften gestattet (Gemeingebrauch). Die Widmung der Straße beinhaltet nur die Nutzung als Gehweg, wobei gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 HStrG auch der Luftraum über dem Straßenkörper zur öffentlichen Straße gehört. Hierunter fällt die Einrichtung einer privaten Versorgungsleitung nicht, zumal diese mit einer Einbringung von Gegenständen, eben der Stromkabel und der Kabelbrücken auf den Straßenkörper, verbunden ist. Auch der Kläger selbst stellt nicht in Abrede, dass es sich bei der von ihm beabsichtigten Nutzung um eine straßenrechtliche Sondernutzung handelt. Die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis liegt nach § 16 Abs. 1 Satz 1 HStrG im pflichtgemäßen Ermessen der Straßenbaubehörde. […] Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich daher auf die Prüfung, ob die Ablehnung der Sondernutzungserlaubnis rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Das der Behörde eingeräumte Ermessen ist entsprechend dem Zweck der Vorschrift des § 16 Abs. 1 HStrG unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens auszuüben (§ 40 HVwVfG). Das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bezweckt, der Behörde bei der Entscheidung über die Zulassung der beantragten Sondernutzung einen Ausgleich der gegenläufigen Interessen der verschiedenen Straßennutzer und Anlieger zu ermöglichen. Es entspricht deshalb allgemeiner Auffassung, dass die Ermessensentscheidung sich an straßenbezogenen Gesichtspunkten zu orientieren hat, also insbesondere der Wahrung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie eines einwandfreien Straßenzustandes. Jura Intensiv Entsprechende Gesichtspunkte hat die Beklagte zur Begründung ihrer ablehnenden Entscheidung herangezogen. Sie hat zutreffender Weise darauf abgestellt, dass die Verlegung der beiden Elektrokabel einschließlich der beiden Kabelbrücken ein zusätzliches, wenn auch geringfügiges, Hindernis im öffentlichen Straßenverkehr, wozu auch der Fußgängerverkehr gehört, darstellt. Mit der Verlegung wird eine zusätzliche Unebenheit auf dem Gehweg geschaffen und damit die Barrierefreiheit insbesondere für Personen mit Gehbehinderungen, die beispielsweise auf die Benutzung eines Rollstuhls oder eines Rollators angewiesen sind, beeinträchtigt. Dass auch dieser Personenkreis bei einer Ermessensentscheidung über eine Sondernutzungserlaubnis in den Blick zu nehmen ist, verdeutlicht die bereits zitierte Vorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 2 HStrG. Dem Kläger mag zwar zuzugestehen sein, dass es sich um ein nur geringfügiges Hindernis handelt, welches im Regelfall auch durch Rollstuhlfahrer und Benutzer von Rollatoren überfahren werden kann, doch ist darauf hinzuweisen, dass es zu Unfällen […] üblicherweise dann kommt, wenn die Betreffenden die erforderliche Sorgfalt außer Acht lassen Urteilsstil: Ergebnis voranstellen § 2 II Nr. 1 HStrG nennt den Straßenkörper als Teil einer öffentlichen Straße. Unproblematisch Sondernutzung, daher nur kurze Ausführungen. Rechtsfolge: Ermessen Typische Formulierungen zur Überprüfung der behördlichen Ermessensausübung Sog. Lenkungsfunktion der Sondernutzungserlaubnis Zulässige Ermessensgesichtspunkte: • Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs • Wahrung des einwandfreien Straßenzustandes Nach Darlegung der abstrakten rechtlichen Maßstäbe erfolgt die konkrete Subsumtion. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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