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RA Digital - 07/2022

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Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

380 Referendarteil:

380 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 07/2022 oder eine Gefahrenquelle übersehen oder geringschätzen. Wenn die Beklagte deshalb darauf abgestellt hat, die möglichen Stolpergefahren auf dem Gehweg möglichst gering zu halten und nicht weiter zu erhöhen, ist dies unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Einwände des Klägers Klimaschutz BVerfG Beschluss vom 24.03.2021, 1 BvR 2656/17 u.a., RA 2021, 309 BVerfG Beschluss vom 24.03.2021, 1 BvR 2656/17 u.a., RA 2021, 309, 311 Klimaschutz kein straßenbezogener Gesichtspunkt • spielt bei Ermessensausübung keine Rolle Andere Rechtslage in Berlin wegen § 11 II 1 BerlStrG (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 03.11.2011, OVG 1 B 65/10, Rn 19 ff.). Die vom Kläger für seine Rechtsposition ins Felde geführten Argumente und Gesichtspunkte führen nicht dazu, dass das der Beklagten eingeräumte Ermessen dergestalt auf null reduziert ist, dass der Kläger einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Sondernutzungserlaubnis hätte. Der von ihm ins Felde geführte Klimaschutzaspekt, welcher nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Staat zum Klimaschutz verpflichtet, führt nicht dazu, dass die Beklagte verpflichtet wäre, dem Kläger für den von ihm angeführten Nutzungszweck die beantragte Sondernutzungserlaubnis zu erteilen. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden […], dass Art. 20a GG keine subjektiven Rechte Einzelner begründet. Ferner kann ein Betroffener die fehlerhafte Abwägung der Belange des Klimaschutzes nicht per se, sondern allein unter dem Gesichtspunkt einer entsprechenden Betroffenheit seiner eigenen Belange beanspruchen. Dem Kläger ist aber zum einen durch die Inanspruchnahme der vorhandenen Ladestationen die Nutzung seiner Elektro- bzw. Hybridfahrzeuge möglich, […]. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass der Aspekt des Klimaschutzes nicht zu den Gesichtspunkten zählt, die im Rahmen einer Ermessensentscheidung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 HStrG zu berücksichtigen ist. Soweit das OVG Berlin-Brandenburg in einem Urteil entschieden hat, dass bei der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis auch Aspekte des Klimaschutzes berücksichtigt werden können ist […] darauf hinzuweisen, dass dies mit der besonderen Berliner Rechtslage begründet wurde, wonach eine Sondernutzungserlaubnis auch versagt werden kann, wenn dem öffentliche Interessen entgegenstehen. Eine entsprechende Vorschrift fehlt aber im Hessischen Straßengesetz. […] Schließlich ist noch anzumerken, dass die Mobilität des Klägers deswegen gewährleistet ist, weil er über zwei Fahrzeuge verfügt, so dass es ihm möglich ist, die Fahrzeuge nacheinander zu laden, sodass ihm jederzeit ein vollständig aufgeladenes Fahrzeug zur Verfügung steht, während das andere an einer Ladestation aufgeladen wird. Soweit das Elektromobilitätsgesetz (EmoG) in § 3 Bevorrechtigungen für Fahrzeuge i.S. des § 2 enthält (wozu im Übrigen die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen nicht gehört), stehen diese unter dem Vorbehalt, dass sie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht beeinträchtigen. […]“ Jura Intensiv Z.B. Bad.-Württ., Termin Dezember 2021, 1. Klausur; Hessen, Termin Mai 2022, 1. Klausur; Rh.-Pfalz, Termin Juni 2020, 2. Klausur FAZIT Straßenrecht ist im 2. Examen absoluter Pflichtfachstoff und wird immer wieder sowohl in den Klausuren als auch in der mündlichen Prüfung thematisiert. Der Schwerpunkt liegt dabei regelmäßig auf der Frage, ob ein Verhalten straßenrechtliche Sondernutzung ist und – wenn das der Fall ist – ob dieses Verhalten genehmigungsfähig ist. Das VG Frankfurt stellt in diesem Zusammenhang fest, dass Klimaschutzgesichtspunkte (trotz der Klimaschutzentscheidung des BVerfG) keine Rolle spielen, weil ihnen der sachliche Bezug zum Straßenrecht fehlt. Anders wäre es nur, wenn der Gesetzgeber ausdrücklich die Berücksichtigung straßenfremder Gesichtspunkte ermöglichen würde. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2022 STRAFRECHT Strafrecht 381 Problem: Beleidigung durch Äußerungen zur „Ehe für alle“ Einordnung: Strafrecht BT III / Beleidigung OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 08.02.2022 2 Ss 164/21 EINLEITUNG In der vorliegenden Entscheidung geht es um zwei klassische Probleme im Rahmen des Tatbestandes der Beleidigung, § 185 StGB, nämlich um die Beleidigungsfähigkeit von Personengruppen und um das Verhältnis der Beleidigung zur Meinungsfreiheit, Art. 5 GG. SACHVERHALT Der Angeschuldigte A ist Inhaber eines Lehrstuhls für Evolutionsbiologie. In dieser Funktion gab er unter der Überschrift „Ehe für alle? Diese widersinnige Entscheidung überrascht mich nicht“ ein online veröffentlichtes Interview. Zu der Bundestagsentscheidung zur „Ehe für alle“ – gemeint war die Entscheiidung zum „Gesetzesentwurf zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ – befragt, bezeichnete er „Homo-Paare, d.h. Mann-Mann- bzw. Frau-Frau-Verbindungen“ als „sterile, asexuelle Erotik-Duos ohne Reproduktions-Potenzial“. In gleichgeschlechtlichen Beziehungen lebende Kinder bezeichnete er als „bemitleidenswerte Befruchtungs-Produkte“, deren Erziehung durch „widernatürliche Früh-Sexualisierung“ in Form „geistiger Vergewaltigung“ erfolge. Zum Adoptionsrecht von gleichgeschlechtlichen Paaren befragt, äußerte er sich wie folgt: „Sollte das Adoptionsrecht für Mann-Mannbzw. Frau-Frau-Erotikvereinigungen kommen, sehe ich staatlich geförderte Pädophilie und schwersten Kindesmissbrauch auf uns zukommen.“ Die „Homo- Ehe“ eröffne „ein mögliches Horror-Kinderschänder-Szenario, über das man nicht weiter nachdenken möchte – die Ehe für alle drei wird dann kommen. Da lesbische Frauen in verstärktem Maße zur Pädophilie neigen, ergeben sich dort analoge Probleme.“ Die Ausführungen des A waren in ihrer dargebrachten Form, insbesondere durch die Bezugnahme auf – angebliche – wissenschaftliche Erkenntnisse geeignet und dazu bestimmt, Homosexuelle im Allgemeinen und gleichgeschlechtliche Paare im Besonderen in ihrer Geltung und in ihrem Ansehen gegenüber heterosexuellen Mitmenschen als ungleichberechtigte Personen herabzuwürdigen und zu verletzen, was der Angeschuldigte jedenfalls billigend in Kauf nahm. Jura Intensiv LEITSATZ DER REDAKTION Weder bei Homosexuellen noch bei in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften lebenden Kindern handelt es sich um eine abgrenzbare und deutlich überschaubare Gruppe, weswegen Äußerungen über die Gruppe an sich nicht auf die persönliche Ehre jedes einzelnen Angehörigen der Gruppe durchschlagen. Hat A sich wegen Beleidigung, § 185 StGB, strafbar gemacht? PRÜFUNGSSCHEMA: BELEIDIGUNG, § 185 StGB A. Tatbestand I. Beleidigungsfähiges Opfer II. Missachtenskundgabe III. Vorsatz bzgl. I. und II. B. Rechtswidrigkeit und Schuld © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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