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RA Digital - 07/2022

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388 Strafrecht

388 Strafrecht RA 07/2022 C. Strafbarkeit gem. § 242 I StGB bzgl. des Mobiltelefons Durch das Mitnehmen des Mobiltelefons könnte A sich wegen Diebstahls gem. § 242 I StGB strafbar gemacht haben. Zum Fortwirken beendeter Gewalt als Drohung vgl. BGH, Beschluss vom 28.01.2022, 3 StR 445/21, RA 2022, 274 I. Tatbestand A hat das Mobiltelefon, also eine fremde bewegliche Sache, vorsätzlich weggenommen (s.o.). Er müsste aber bzgl. des Mobiltelefons mit der Absicht rechtswidriger Zueignung gehandelt haben. Ebenso wie bei dem Schlüsselbund ist auch bzgl. des Mobiltelefons jedenfalls nach den Grundsatz „in dubio pro reo“ davon auszugehen, dass A dieses nur weggenommen hat, um Druck auf G ausüben zu können und diese durch die Drohung mit dem dauerhaften Entzug des Mobiltelefons zur Herausgabe seines eigenen Handys zu zwingen. Dann ist aber auch bzgl. des Mobiltelefons zugunsten des A davon auszugehen, dass er dieses der G im Austausch für sein eigenes Handy zurückgeben wollte. Er hatte nicht den Willen, G ihr Mobiltelefon dauerhaft zu entziehen. Aufgrund des somit fehlenden Enteignungswillens hat A keine Zueignungsabsicht und sich somit auch nicht wegen Diebstahls, § 242 I StGB, strafbar gemacht. II. Ergebnis A ist nicht strafbar gem. § 242 I StGB FAZIT Die Prüfung des Finalzusammenhangs und der Zueignungsabsicht sind zwei klassische Schwerpunkte in Fällen zum Raub, § 249 I StGB, wobei letzteres auch im Rahmen des Diebstahls, § 242 I StGB, Bedeutung erlangen kann. Die Voraussetzungen des Finalzusammenhangs werden vom BGH in der vorliegenden Entscheidung sehr schön beschrieben. Wie dargestellt scheidet dieser aus, wenn sich der Täter erst nach der Gewaltanwendung zur Wegnahme entschließt. Unter Umständen kann eine abgeschlossene Gewaltanwendung noch als konkludente Drohung mit erneuter Gewaltanwendung fortwirken und der Täter dann diese Drohung final zur Wegnahme einsetzen. Eine solche Überlegung war jedoch im vorliegenden Sachverhalt insb. aufgrund des schnellen Ablaufs des Geschehens nicht ernsthaft anzustellen. Der für eine Zueignungsabsicht erforderliche Wille zur dauerhaften Enteignung des Opfers fehlt, wenn der Täter die weggenommen Sache ohne Wertminderung zurückgeben will. Selbst wenn er die Sache vor der Rückgabe verwenden will, stellt die Wegnahme somit keinen als Raub oder Diebstahl dar, sondern eine sog. Gebrauchsanmaßung, die nur in Ausnahmefällen (insb. gem. § 248b StGB) strafbar ist. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2022 Referendarteil: Strafrecht 389 Speziell für Referendare Problem: Dolmetschervereidigung Einordnung: Revision, relativer Revisionsgrund BGH, Beschluss vom 11.01.2022 3 StR 406/21 EINLEITUNG Der Beschuldigte oder Angeklagte, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, hat Anspruch auf unentgeltliche Beiordnung eines Dolmetschers, soweit dies zur Ausübung seiner prozessualen Rechte erforderlich ist. Die Vereidigung des Dolmetschers ist – anders als in Zivilsachen – stets notwendig. Die allgemeine Vereidigung ist möglich. Sie erfolgt idR nach dem Gerichtsdolmetschergesetz. Nach dem 12.12.2024 können sich Dolmetscher nur noch auf die allgemeine Beeidigung nach diesem Gesetz berufen; die Berufung auf etwaige landesrechtliche Vorschriften genügt dann nicht mehr. Der 3. Strafsenat bestätigt im Rahmen der vorliegenden Entscheidung die Grundsätze der obergerichtlichen Rechtsprechung zu Fehlern im Zusammenhang mit der Vereidigung von Dolmetschern. SACHVERHALT Vor dem LG im Bundesland L wurde gegen den A ein Verfahren wegen versuchten Mordes geführt. In der Hauptverhandlung wurde bei der Vernehmung von zwei Zeugen ein Dolmetscher tätig; der A selbst war der deutschen Sprache hinreichend mächtig. Vor seinem Tätigwerden erklärte der Dolmetscher auf Frage des Gerichts, er sei allgemein beeidigt, und berief sich in dem Glauben an die Wirksamkeit seiner allgemeinen Beeidigung auf diese. Das LG sah in der Annahme der Richtigkeit der Angaben des Dolmetschers davon ab, ihn gemäß § 189 I GVG zu vereidigen. Der Dolmetscher übersetzte daraufhin bei der Vernehmung des einen Zeugen, der kein Deutsch sprach. Da der andere Zeuge der deutschen Sprache weitgehend kundig war, wurde der Dolmetscher bei dessen Vernehmung nur partiell benötigt. Beanstandungen gegen die Übersetzungsleistungen wurden nicht erhoben, insbesondere nicht von A und dessen Verteidiger, die selbst Kenntnisse der fremden Sprache haben beziehungsweise ihrer mächtig sind. Zwar war der Dolmetscher für die betreffende Sprache gemäß § 189 II GVG im Bundesland L allgemein beeidigt worden. Mit Wirkung vom 1.1.2011 wurden im Bundesland L die Vorschriften über die allgemeinen Beeidigungen von Dolmetschern und Ermächtigungen von Übersetzern grundlegend neu gestaltet. Alle vor dem 1.1.2011 im Bundesland L vorgenommenen allgemeinen Beeidigungen – darunter auch diejenige des vorliegend tätig gewordenen Dolmetschers – waren gemäß § 31 I 1 NJG nur während einer Übergangsfrist bis zum 31.12.2015 weiter wirksam; sie erloschen zum 1.1.2016. Mithin war die Beeidigung des Dolmetschers zum Zeitpunkt seines Tätigwerdens in der Hauptverhandlung nicht mehr gültig. Das LG hat den A verurteilt. Jura Intensiv DER LEITSATZ (DER REDAKTION) Ein Urteil beruht regelmäßig auf der fehlenden Vereidigung eines Dolmetschers, wenn er behauptet hat, allgemein beeidigt zu sein, eine allgemeine Beeidigung gemäß § 189 II GVG tatsächlich jedoch nie stattfand. Denn dann fehlt es an einer hinreichenden Grundlage für eine Annahme des Dolmetschers, einer Eidespflicht genügen zu müssen. Anders zu beurteilen ist es jedoch, wenn der tätig gewordene Dolmetscher allgemein beeidigt worden ist und lediglich die Wirksamkeit des Eides wegen Fristablaufs erloschen ist. Lediglich die seit dem 1. Januar 2011 im Bundesland L (im Originalfall Niedersachsen – derzeit gemäß §§ 22 ff. NJG) erfolgten allgemeinen Beeidigungen sind noch wirksam. Sie verlieren ihre Gültigkeit - wie alle nach den landesrechtlichen Vorschriften der einzelnen Bundesländer vorgenommenen allgemeinen Beeidigungen von Dolmetschern – nach derzeitiger Rechtslage erst zum Ablauf des 11.12.2024, wenn eine im Anschluss an das Inkrafttreten des Gerichtsdolmetschergesetzes des Bundes zum 1.1.2023 geltende Übergangsfrist endet. Ab dann wird nur noch eine Berufung auf eine nach dem Gerichtsdolmetschergesetz des Bundes vorgenommene allgemeine Beeidigung von § 189 II GVG erfasst sein. Hat eine zulässige Revision der A gegen das Urteil Aussicht auf Erfolg? © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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