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RA Digital - 07/2022

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390 Referendarteil:

390 Referendarteil: Strafrecht RA 07/2022 PRÜFUNGSSCHEMA: BEGRÜNDETHEIT EINER REVISION A. Prozessvoraussetzungen und Verfahrenshindernisse B. Verfahrensrügen C. Sachrüge LÖSUNG A. Prozessvoraussetzungen und Verfahrenshindernisse Das Fehlen von Prozessvoraussetzungen oder Vorliegen von Verfahrenshindernissen ist nicht ersichtlich. Bei der Vereidigung des Dolmetschers in den beiden Formen des § 189 GVG handelt es sich um eine für die Hauptverhandlung vorgeschriebene Förmlichkeit, deren Beachtung nach § 274 StPO nur durch das Protokoll bewiesen werden kann (BGH, Beschluss vom 8.10.2013, 4 StR 273/13). Mit der Eidesleistung in der Hauptverhandlung (§ 189 I GVG) bzw. mit dem Berufen auf einen allgemeinen Eid (§ 189 II GVG) soll dem Dolmetscher seine besondere Verantwortung im konkreten Fall bewusst gemacht werden. Eine solche Verpflichtung ist bereits deswegen erforderlich, weil das Gericht in der Regel – gegebenenfalls mit Ausnahme gängiger Fremdsprachen wie etwa Englisch oder Französisch – die Übersetzung nicht überprüfen kann. In diesem Sinne ist die Vereidigung eine wesentliche und unverzichtbare Förmlichkeit des Verfahrens (BGH, Beschluss vom 6.6.2019, 1 StR 190/19). B. Verfahrensrüge I. Vorliegen eines Verfahrensfehlers Das LG kann gegen § 189 II, I GVG verstoßen haben, indem der in der Hauptverhandlung tätig gewordene Dolmetscher weder gemäß § 189 II GVG allgemein beeidigt gewesen noch vom Gericht nach § 189 IGVG vereidigt worden ist. „[8] Zwar war der Dolmetscher weder nach § 189 II GVG zum Zeitpunkt seines Tätigwerdens rechtswirksam allgemein beeidigt noch wurde er vor seinem Tätigwerden vom Gericht nach § 189 I GVG i.V.m. § 64 StPO individuell vereidigt. Damit liegt der geltend gemachte Verfahrensfehler vor“. Ein Verstoß gegen § § 189 II, I GVG ist gegeben. II. Beruhen „[9] In der Regel beruht ein Urteil auch auf einem Verstoß gegen die Vereidigungsvorschriften des § 189 GVG, weil zumeist nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein nach § 189 I GVG vom Gericht einzelfallbezogen vereidigter oder ein nach § 189 II GVG allgemein beeidigter Dolmetscher, der sich zudem unmittelbar vor seinem Tätigwerden in der Hauptverhandlung auf die allgemeine Beeidigung berufen und sich damit seine Eidespflicht noch einmal vergegenwärtigt hat, sorgfältiger als ein nicht vereidigter Dolmetscher übersetzt hätte. Vielfach ohne Auswirkungen auf die Übersetzungsleistung ist jedoch das bloße Unterbleiben einer ausdrücklichen Berufung eines tatsächlich gemäß § 189 II GVG wirksam allgemein beeidigten Dolmetschers auf diesen Eid. In einem solchen Fall kann, sofern es sich um einen seit langem regelmäßig in Hauptverhandlungen tätig werdenden Dolmetscher handelt und keine Zweifel an der Richtigkeit der erbrachten Übersetzungsleistung vorliegen, nach gefestigter Rechtsprechung regelmäßig ausgeschlossen werden, dass das versehentliche und vereinzelte Unterbleiben einer Berufung auf die allgemeine Beeidigung die Qualität der Übersetzung negativ beeinflusst haben könnte, womit das Urteil nicht auf dem Rechtsfehler der fehlenden Berufung auf den wirksamen Eid beruht. [10] Aber auch vorliegend beruht das Urteil nicht auf dem Verstoß gegen § 189 GVG - hier dem Fehlen einer weiterhin rechtswirksamen allgemeinen Beeidigung des in der Hauptverhandlung tätig gewordenen Dolmetschers nach § 189 II GVG - und auf dem daraus resultierenden relativen Revisionsgrund. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 07/2022 Referendarteil: Strafrecht 391 [11] Es ist auszuschließen, dass der Dolmetscher sorgfältiger als geschehen übersetzt hätte, wenn seine erloschene allgemeine Beeidigung noch wirksam gewesen wäre. Denn er ging, wie seine ausdrückliche Berufung auf seine allgemeine Beeidigung zeigt, bei seinem Tätigwerden in der Hauptverhandlung - wenngleich irrtümlich - davon aus, diese vor dem 1.1.2011 vorgenommene allgemeine Beeidigung sei noch wirksam. Er fühlte sich mithin ebenso an seinen geleisteten Eid gebunden, treu und gewissenhaft zu übertragen, wie dies der Fall gewesen wäre, wenn der Eid noch rechtsgültig gewesen wäre. [12] Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass ein Urteil nicht auf einem Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Vereidigung eines in der Hauptverhandlung tätig gewordenen Dolmetschers beruht, wenn dieser allgemein beeidigt war, sich im Glauben an die Wirksamkeit des Eides und dessen Erstreckung auf die konkrete Übersetzungsleistung auf diesen berufen hat und auch das Gericht von der Wirksamkeit des Eides ausgegangen ist, die allgemeine Beeidigung aber im Einzelfall mängelbehaftet oder unzureichend war, weil der Eid statt vom Gerichtspräsidenten von einem von diesem beauftragten Richter abgenommen worden war, weil er sich auf eine andere als die Sprache bezog, aus der im konkreten Fall übertragen wurde, oder weil er - unter der bis zum 11.12.2008 geltenden Fassung des § 189 II GVG - ein Tätigwerden bei dem betreffenden Gericht nicht erfasste. In diesen Fällen war vor dem Hintergrund der Berufung auf einen geleisteten Eid und der damit verbundenen Annahme des Dolmetschers, an diesen im konkreten Fall gebunden zu sein, jeweils auszuschließen, dass der Dolmetscher sich seiner besonderen Verantwortung und seiner Pflicht zur treuen und gewissenhaften Übersetzung, die auch aus der Eidesleistung resultiert, nicht bewusst war. Diese Fallkonstellationen sind vergleichbar mit der hier vorliegenden. [13] Rechtlich unerheblich ist, dass die vorgenannte Neuregelung der allgemeinen Beeidigung von Dolmetschern im Bundesland L besondere Anforderungen an die fachliche Qualifikation und persönliche Zuverlässigkeit von Dolmetschern aufgestellt hat und nicht ohne Weiteres gewährleistet ist, dass Dolmetscher, die lediglich vor dem 1.1.2011 im Bundesland L allgemein beeidigt wurden, die seither geltenden Voraussetzungen für eine allgemeine Beeidigung erfüllen. Denn § 189 I GVG gestattet es den Gerichten, auch solche Personen als Dolmetscher zu vereidigen und einzusetzen, die den von § 23 NJG (und vergleichbaren Regelungen anderer Bundesländer) aufgestellten Anforderungen nicht genügen oder dies nicht nachgewiesen haben. § 189 GVG dient mithin nicht dazu, Dolmetscher von einem Tätigwerden auszuschließen, welche die derzeit landesrechtlich und zukünftig in §§ 3 f. GDolmG festgelegten formellen Voraussetzungen für eine allgemeine Beeidigung nicht erfüllen. [14] Zwar beruht ein Urteil regelmäßig auf der fehlenden Vereidigung eines Dolmetschers, wenn er - und sei es in gutem Glauben - behauptet hat, allgemein beeidigt zu sein, eine allgemeine Beeidigung gemäß § 189 II GVG tatsächlich jedoch nie stattfand. Denn dann fehlt es an einer hinreichenden Grundlage für eine Annahme des Dolmetschers, einer Eidespflicht genügen zu müssen. Eine solche Fallgestaltung ist hier jedoch nicht gegeben, denn der tätig gewordene Dolmetscher war allgemein beeidigt worden; lediglich die Wirksamkeit des Eides war wegen Fristablaufs erloschen“. Jura Intensiv Auf die Verfahrensrüge, eine in der Hauptverhandlung eingesetzte Dolmetscherin habe keinen allgemeinen Eid als Dolmetscherin geleistet, kann die Revision nur gestützt werden, wenn das Urteil auf dieser Verfahrensverletzung beruht. Das Beruhen eines Urteils auf der fehlenden Vereidigung einer Dolmetscherin gerade als Dolmetscherin scheidet aus, wenn keinerlei Zweifel an den Sprachkenntnissen und dem für den Einsatz als Dolmetscherin in der Hauptverhandlung erforderlichen Übersetzerqualitäten bestehen (BGH, Urteil vom 29.7.2021, 1 StR 29/21). Das Urteil beruht nicht auf dem Verstoß. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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