338 Zivilrecht RA 07/2022 Trainingsbereich zur Verfügung, um das Entgelt zu erhalten. Folglich handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag. II. Freiwerden des Schuldners von der synallagmatischen Leistungspflicht gem. § 275 BGB Der Anspruch des Schuldners auf die Erbringung der Gegenleistung, das heißt der Anspruch auf die Zahlung des Entgeltes entfällt, vorbehaltlich der Ausnahmen gem. § 326 I BGB, wenn der Schuldner von seiner synallagmatischen Hauptleistungspflicht gem. § 275 BGB frei geworden ist. § 275 I BGB setzt voraus, dass dem Schuldner oder jedermann die Erbringung der geschuldeten Leistung dauerhaft unmöglich ist. Fraglich ist, ob dies hier der Fall war, indem B aufgrund der staatlichen Anordnung das Fitnessstudio im Zeitraum vom 16.03.2020 bis 04.06.2020 schließen musste. Dies könnte ein Fall der rechtlichen Unmöglichkeit sein. Definition der echten Unmöglichkeit gem. § 275 I BGB aus rechtlichen Gründen B durfte ihre vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht nicht erfüllen. B stellte sich in der Revision auf den Standpunkt, es läge keine Unmöglichkeit, sondern nur ein vorübergehendes Leistungshindernis vor. Die Ausführungen des BGH hierzu sind so ausführlich wie stichhaltig. Schulmäßig definiert der BGH zunächst die Leistungspflicht. Es kommt auf das regelmäßige Training an, will man seine Fitnessoder Gesundheitsziele erreichen. [16] (...) Rechtliche Unmöglichkeit ist gegeben, wenn ein geschuldeter Erfolg aus Rechtsgründen nicht herbeigeführt werden kann oder nicht herbeigeführt werden darf. (...) [17] Die Beklagte musste zunächst aufgrund der für sofort vollziehbar erklärten Allgemeinverfügung Nr. 4 des Landkreises Emsland „zur Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen Bereich angesichts der Corona-Epidemie und zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 auf dem Gebiet des Landkreises Emsland“ vom 17. März 2020 (...) ihr Fitnessstudio schließen.(...) [18] Aufgrund dieser hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie war es der Beklagten in dem streitgegenständlichen Zeitraum rechtlich unmöglich, dem Kläger die Möglichkeit zur vertragsgemäßen Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren und damit ihre vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen (...) Dies spricht zunächst für das Vorliegen eines Falles der rechtlichen Unmöglichkeit. Fraglich ist aber, ob auch eine dauerhafte Nichterbringbarkeit vorlag. Keinen Fall der Unmöglichkeit stellt der Fall eines nur vorübergehenden Leistungshindernisses dar. Für ein solches könnte sprechen, dass B das Fitnessstudio im Hinblick auf die zeitliche Befristung der Corona-Schutzmaßnahmen lediglich vorübergehend schließen musste. Jura Intensiv [20] (...) Ein nur zeitweiliges Erfüllungshindernis ist aber dann einem dauernden gleichzustellen, wenn durch das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks in Frage gestellt ist und der einen oder anderen Partei bei billiger Abwägung der beiderseitigen Belange nicht mehr zugemutet werden könnte, die Leistung dann noch zu fordern oder zu erbringen. Dabei ist die Frage, ob ein Leistungshindernis zu einer dauernden oder nur vorübergehenden Unmöglichkeit führt, nach dem Zeitpunkt des Eintritts des Hindernisses zu beurteilen (...). [22] Wird - wie im vorliegenden Fall - für einen Fitnessstudiovertrag eine mehrmonatige feste Vertragslaufzeit gegen Zahlung eines monatlich fällig werdenden Entgelts vereinbart, schuldet der Betreiber des Fitnessstudios seinem Vertragspartner die Möglichkeit, fortlaufend das Studio zu betreten und die Trainingsgeräte zu nutzen. Der Zweck eines Fitnessstudiovertrags liegt in der regelmäßigen sportlichen Betätigung und damit entweder in der Erreichung bestimmter Fitnessziele oder zumindest der Erhaltung von Fitness und körperlicher Gesundheit. Aufgrund dessen Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 07/2022 Zivilrecht 339 sind für den Vertragspartner gerade die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von entscheidender Bedeutung (...). Kann der Betreiber des Fitnessstudios während der vereinbarten Vertragslaufzeit dem Vertragspartner zeitweise die Nutzungsmöglichkeit des Studios nicht gewähren, etwa weil er - wie hier - das Fitnessstudio aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie schließen muss, kann dieser Vertragszweck für den Zeitraum der Schließung nicht erreicht werden. Die von dem Betreiber geschuldete Leistung ist deshalb wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar (...). Damit liegt kein nur vorübergehend wirkendes Leistungshindernis, sondern eine echte, rechtliche Unmöglichkeit gem. § 275 I BGB vor. III. Keine den Anspruch erhaltende Ausnahme Es darf keine den Anspruch erhaltende Ausnahme vorliegen 1. Abweichende Vereinbarungen Fraglich ist, ob sich aus einer zwischen den Parteien im Vertrag getroffenen Regelung durch Auslegung oder ergänzende Auslegung gem. §§ 133, 157, 242 BGB eine von den Rechtsfolgen der §§ 326 I, 326 IV, 346 I BGB abweichende Regelung ergibt, welche B berechtigt, anstatt der Rückzahlung des Entgeltes, die Laufzeit des Vertrages zu verlängern. Dafür könnte zunächst sprechen, dass im Vertrag weder konkrete, vertraglich geschuldete Öffnungszeiten noch eine Mindestanzahl an Öffnungstagen pro Monat vereinbart wurden. [26] Zwar enthält der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag tatsächlich keine ausdrückliche Regelung zum Umfang der Leistungspflicht der Beklagten. (...) Eine Verpflichtung zur ununterbrochenen Zurverfügungstellung des Fitnessstudios ist weder in dem Fitnessstudiovertrag noch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ausdrücklich vorgesehen. Nach Ziffer 2.1 der für das streitgegenständliche Rechtsverhältnis geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen war die Beklagte jedoch dazu verpflichtet, dem Kläger die Nutzung ihres Fitnessstudios „während der Öffnungszeiten“ zu ermöglichen. Daher ist der Vertrag dahingehend auszulegen, dass der Kunde das Fitnessstudio während der ihm bei Vertragsschluss bekannten regelmäßigen Öffnungszeiten nutzen kann und die Beklagte jedenfalls nicht dazu berechtigt ist, das Fitnessstudio zu diesen Zeiten und erst recht nicht über mehrere Monate hinweg vollständig zu schließen. Diese Auslegung kann der Senat selbst vornehmen, weil hierzu keine weiteren Feststellungen zu treffen sind. Jura Intensiv Für eine ergänzende Auslegung gem. §§ 133, 157, 242 BGB müsste der Vertrag eine Lücke enthalten, die durch Anknüpfung an den Parteiwillen entsprechend zu schließen wäre. [27] (...) Allein der Umstand, dass ein Vertrag für einen bestimmten Gesichtspunkt keine ausdrückliche Regelung enthält, besagt noch nicht, dass er insoweit unvollständig ist. Von einer planwidrigen Unvollständigkeit kann nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrundeliegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung Wichtig: Die Leistung ist nicht nachholbar. Charakter eines absoluten Fixgeschäftes Die typischen, den Anspruch erhaltenden Ausnahmen, nämlich die in den §§ 326 II, 326 III BGB genannten Fälle oder die Fälle des Übergangs der Gegenleistungsgefahr gem. §§ 446, 447, 644 BGB, sind nicht einschlägig und bedürfen keiner Erwähnung. § 326 I BGB kann als Rechtsnorm des Schuldrechts vertraglich abbedungen werden. Um diese Auslegung zu treffen, genügt gesunder Menschenverstand. Ergänzende Vertragsauslegung Voraussetzungen für das Vorhandensein einer planwidrigen Vertragslücke © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
RA 07/2022 Strafrecht 385 Problem:
RA 07/2022 Strafrecht 387 Soweit da
RA 07/2022 Referendarteil: Strafrec
RA 07/2022 Referendarteil: Strafrec
Examenstipps Digital für das Öffe
Bestens ausgestattet mit Jura Inten
Laden...
Laden...
Laden...
Follow Us
Facebook
Twitter