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RA Digital - 08/2016

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412 Referendarteil:

412 Referendarteil: Zivilrecht RA 08/2016 Problem: Gewillkürter Parteiwechsel in der Berufung Einordnung: ZPO I, Schuldrecht AT OLG Nürnberg, Urteil vom 04.07.2016 14 U 612/15 LEITSÄTZE Klagt der Zedent einer bereits vor Eintritt der Rechtshängigkeit abgetretenen Forderung diese ohne Offenlegung der Abtretung als eigenes Recht ein und erklärt er, nachdem er gegen das seine Klage abweisende Sachurteil eine zulässige Berufung eingelegt hat, zusammen mit dem Zessionar, dass Letzterer den Berufungsrechtsstreit an seiner Stelle fortführe, hängt der Parteiwechsel nicht von der Einwilligung der beklagten Partei ab. Sowohl für den Eintritt des Zessionars in den als auch für das Ausscheiden des Zedenten aus dem Rechtsstreit sind in diesem Fall ausschließlich die in § 533 ZPO bestimmten Voraussetzungen einer zulässigen Klageänderung maßgeblich. Berufungsurteile unterteilen sich nicht in Tatbestand und Gründe, sondern in Gründe I und II, § 540 I Nr. 1, 2 ZPO. Auf Details des Mahnverfahrens sollten Sie eingehen, wenn es für die Entscheidung darauf ankommt. Unstreitiges Parteivorbringen auch im Berufungsurteil im Indikativ Imperfekt Vorgänge aus dem erstinstanzlichen Verfahren, insbesondere das Urteil, sowie die Zustellung des Urteils und die Berufungseinlegung, sind Teil der Prozessgeschichte und stehen daher im Perfekt Indikativ. EINLEITUNG Das Berufungsurteil des OLG Nürnberg betrifft den gewillkürten Parteiwechsel. Er ist eine prozessuale Situation, die bereits in der 1. Instanz zivilprozessuale Probleme aufwirft. Dies gilt für die Berufungsinstanz erst recht. Wird der Gegenseite in der 1. Instanz lediglich „ihre“ Partei genommen, kann in 2. Instanz sogar eine ganze Instanz „verloren gehen“, weil der Gegenpartei eine Instanz weniger für ihre Verteidigung zur Verfügung steht. Aus diesem Grund ist der gewillkürte Parteiwechsel in der Berufungsinstanz nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die das OLG Nürnberg in einem – seltenen – Zwischenurteil darstellt. GRÜNDE I. Mit der Klage begehrte die in erster Instanz als alleinige Klägerin auftretende [...] (im Weiteren: frühere Klägerin), bei der es sich um ein Bauträgerunternehmen handelt, die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 185.170 € nebst Zinsen. Bei dem Hauptsachebetrag handelt es sich in der Summe um Bearbeitungsgebühren, die die Beklagte der früheren Klägerin anlässlich der Gewährung verschiedener Darlehen berechnet und vereinnahmt hat. Jura Intensiv Dem streitigen Verfahren ist ein Mahnverfahren vorausgegangen. Der Mahnantrag ist am 28.12.2012 bei dem Mahngericht eingegangen. Nach fristgerechtem Widerspruch hat die ursprüngliche Klägerin am 17.5.2016 den weiteren Kostenvorschuss eingezahlt. Daraufhin hat das Mahngericht nach Zahlungseingang das Verfahren am 03.06.2013 an das Landgericht Nürnberg- Fürth abgegeben, bei dem die Akten am 10.06.2013 eingegangen sind. Mit von den Klägerinnen vorgelegter schriftlicher Abtretungsvereinbarung (Anlage K 22) trat die frühere Klägerin u. a. die streitgegenständlichen Ansprüche gegen die Beklagte am 21.01.2013 an die [...] (im Weiteren: neue Klägerin) ab. Dem Inhalt der Vereinbarung entsprechend erfolgte die Abtretung zunächst still und die frühere Klägerin war ermächtigt, die abgetretenen Ansprüche klageweise geltend zu machen. Mit Endurteil vom 18.03.2015 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth die Klage in der Sache abgewiesen, weil es sich bei den vereinbarten Bearbeitungsentgeltklauseln nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 BGB handeln würde. Inhaltsverzeichnis

RA 08/2016 Referendarteil: Zivilrecht 413 Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 26.03.2015 zugestellte Urteil hat die frühere Klägerin mit am 01.04.2015 per Telefax bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten am 19.05.2015 begründet. Mit am selben Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 20.05.2015 haben die Prozessbevollmächtigten der früheren Klägerin unter Vorlage einer Vollmachtskopie angezeigt, von der neuen Klägerin mit deren anwaltlichen Vertretung beauftragt worden zu sein. Zugleich haben sie namens beider Klägerinnen erklärt, dass die neue Klägerin anstelle der früheren Klägerin das Berufungsverfahren fortführe. Außerdem haben sie namens der neuen Klägerin auf das bisherige erstinstanzliche Vorbringen der früheren Klägerin, auf deren Berufungsschrift sowie auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 19.05.2015 vollinhaltlich Bezug genommen und angekündigt, in der mündlichen Verhandlung die von der bisherigen Berufungsklägerin formulierten Berufungsanträge zu stellen. Desweiteren haben sie mitgeteilt, dass „[neue Klägerin] mit heutiger Wirkung gegenüber der ursprünglichen Klägerin [...] [ihre Ermächtigung] zurückgenommen [habe]“. In der Berufungserwiderung widersprach die Beklagte dem Parteiwechsel ausdrücklich. In der mündlichen Verhandlung am 13.06.2016 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen den Antrag aus dem Schriftsatz vom 19.05.2015 „für Herrn Y., hilfsweise für die [frühere Klägerin]“ gestellt. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat die Zurückweisung der Berufung beantragt. Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des Endurteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 18.03.2015 Bezug genommen. II. Der Parteiwechsel auf Klägerseite ist zulässig. Infolge des zulässigen Parteiwechsels führt die neue Klägerin den Rechtsstreit anstelle der früheren Klägerin fort. Jura Intensiv Über die Zulässigkeit des Parteiwechsels kann im Wege des Zwischenurteils nach § 280 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 10.11.1980 - II ZR 96/80, juris Rn. 15 f.) entschieden werden. Die für eine gewillkürte Parteiänderung auf Klägerseite erforderlichen Parteiwechselerklärungen der alten und der neuen Klagepartei liegen vor. Sie wurden von den Prozessbevollmächtigten beider Klägerinnen mit Schriftsatz vom 20.05.2015 abgegeben. Der Klägerwechsel in zweiter Instanz wird in Rechtsprechung und Schrifttum wie eine Klageänderung behandelt und setzt - ebenso wie diese - eine zulässige Berufung voraus. Die von der früheren Klägerin eingelegte Berufung erfüllt sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen der § 511 I, II Nr. 1, §§ 517, 519, 520 ZPO. Auch die in § 533 ZPO geregelten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Klageänderung in der Berufungsinstanz sind erfüllt. Zeitpunkt der Berufungsbegründung Erklärung des Parteiwechsels durch den Prozessbevollmächtigten als Prozessgeschichte Die Reaktion der Gegenseite auf den Parteiwechsel sollte erwähnt werden. Im Berufungsurteil ist es – anders als im erstinstanzlichen Urteil – nicht mehr nötig, die Anträge wörtlich zu zitieren. Nur das Begehren der Parteienin der Berufungsinstanz muss klar werden. Es kann weitgehend auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen werden. Das Gericht entscheidet hier mit Zwischenurteil nach § 280 I ZPO über die Zulässigkeit des Parteiwechsels. Auslegung der Erklärungen der Parteien: Parteiwechsel erklärt? BGH, Urteil vom 28.06.1994, X ZR 44/93 Klägerwechsel – auch in der 2. Instanz – wird die eine Klageänderung behandelt. Zum Erfordernis der zulässigen Berufung: BGH, Urteil vom 23.02.2011, XII ZR 59/09 Zulässigkeit der Klageänderung in der Berufungsinstanz: § 533 ZPO Inhaltsverzeichnis

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