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RA Digital - 08/2017

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430 Referendarteil:

430 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 08/2017 Speziell für Referendare Problem: Anspruch auf bauordnungsrechtliches Einschreiten bei Verstoß gegen Abstandsflächenrecht Einordnung: Baurecht LEITSÄTZE (DER REDAKTION) 1. Die Frist für die Geltung einer Baugenehmigung läuft nicht bei Einlegung eines Nachbarrechtsbehelfs. 2. Ein Nachbar, der seinerseits den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält, ist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben regelmäßig daran gehindert, die Verletzung des Grenzabstands zu rügen. Zustände und Beschreibungen, die die Gegenwart betreffen (sog. „Ist- Zustände“, im Baurecht insbesondere die Beschreibung der Örtlichkeiten), werden in der Geschichtserzählung nicht im Indikativ Imperfekt, sondern im Indikativ Präsens wiedergegeben. Verwaltungsverfahren gehört zur Geschichtserzählung, also Indikativ Imperfekt Die Erledigung ist nicht Prozessgeschichte des vorliegenden Verfahrens, daher ist Indikativ Imperfekt die richtige Zeitform. VG Aachen, Urteil vom 30.03.2017 5 K 1234/15 EINLEITUNG Dem Urteil des VG Aachen liegt ein baurechtlicher Nachbarstreit zugrunde, in dem der Kläger ein bauordnungsrechtliches Einschreiten hinsichtlich einer errichteten Gartenanlage mit dem Argument begehrt, diese verstoße gegen Abstandsflächenrecht. TATBESTAND „Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks [...]. Dieses ist mit einem Wohnhaus und einer grenzständig zum Grundstück der Beigeladenen errichteten Garage bebaut. [...] Die Beigeladenen sind Eigentümer des östlich gelegenen Grundstücks. [...] Die zunächst ohne Baugenehmigung errichtete Grenzbebauung auf dem klägerischen Grundstück und die bei Errichtung zugleich im vorderen und hinteren Grundstücksbereich vorgenommenen Anschüttungen [...] wurden mit Baugenehmigung vom 08. Juli 2011 nachträglich genehmigt. In diesem Zusammenhang wurde eine Abstandsflächenbaulast zugunsten des Klägergrundstücks und zulasten des Grundstücks der Beigeladenen eingetragen, [...]. Die Verpflichtung erlischt danach im Falle der Grenzbebauung. Der Beklagte erteilte den Beigeladenen unter dem 14. November 2012 eine Baugenehmigung zu einer „Anschüttung sowie Errichtung einer Gartenanlage“ auf ihrem Grundstück u. a. entlang der klägerischen Grundstücksgrenze. Nach dem zur Genehmigung gehörigen Lageplan handelt es sich um eine Gartenanlage in Form einer großflächigen Anschüttung unterschiedlicher Höhe [...] mit mehreren Natursteinmauern, einer Terrasse und einem Weg entlang der Grundstücksgrenze. [...]. Unter dem 20. Januar 2014 wurde eine Bescheinigung über das Ergebnis der Besichtigung der abschließenden Fertigstellung der baulichen Anlage ausgestellt, wonach keine Abweichung von den genehmigten Unterlagen festgestellt worden sei. Bereits zuvor, unter dem 02. Juli 2013, modifiziert unter dem 01. Oktober 2013, hatte der Beklagte den Beigeladenen außerdem eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Palisadenwand entlang der gesamten Grenze zum klägerischen Grundstück erteilt. Jura Intensiv Diese Baugenehmigung war Gegenstand des Verfahrens 5 K 2299/13, in dem der Beklagte die Baugenehmigung unter dem 29. April 2014 für einen Bereich von 2,00 m gemessen ab der Straße aufhob. Daraufhin wurde der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Baugenehmigung wurde unter dem 02. Dezember 2015 erneut hinsichtlich der Geländehöhe modifiziert. Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans B1. [...], der dort ein allgemeines Wohngebiet ausweist und im Hinblick auf die Bauweise nur Einzel- und Doppelhäuser zulässt. Erstmals mit Schreiben vom 25. März 2015 Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 08/2017 Referendarteil: Öffentliches Recht 431 beanstandete der Kläger gegenüber dem Beklagten die Errichtung der Gartenanlage auf dem Nachbargrundstück. Ein vom Beklagten am 11. Mai 2015 durchgeführter Ortstermin ergab, dass „im Bereich der südlichen Grundstücksecke“, angrenzend an das klägerische Grundstück „die Natursteinmauer mit angrenzender Anschüttung“ ca. 60 cm höher als genehmigt hergestellt worden waren. Außerdem fehlte die Randsteinbefestigung der Terrasse. Eine Stützmauer gab es für die Aufschüttung nicht. Die Palisadenwand war nicht errichtet worden. Mit Schreiben vom 28. Mai 2015 beantragte der Kläger beim Beklagten ein bauordnungsrechtliches Einschreiten gegen die Beigeladenen durch Anordnung der Einstellung sämtlicher Bauarbeiten betreffend die Aufschüttung und die Errichtung der Gartenanlage sowie die Beseitigung sämtlicher nicht genehmigter Ausführungen der baulichen Anlage. Zur Begründung führte er aus, auf dem Nachbargrundstück werde nach der amtlich festgestellten Fertigstellung weitergebaut. [...] Mit Bescheid vom 10. Juni 2015, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 16. Juni 2015, lehnte der Beklagte ein bauordnungsrechtliches Einschreiten ab. Zur Begründung führte er aus, ein Anspruch auf bauordnungsrechtliches Einschreiten bestehe nicht, da das diesbezügliche behördliche Ermessen nicht auf null reduziert sei. Die tatsächlichen Abweichungen von der Baugenehmigung seien als gering einzustufen. Es seien außerdem keine nachbarschützenden Vorschriften verletzt. Insbesondere sei die Einhaltung von Abstandsflächen nicht erforderlich, da auf dem klägerischen Grundstück ebenfalls eine Grenzbebauung vorhanden sei. Vor diesem Hintergrund erweise sich das Bauvorhaben der Beigeladenen auch nicht als rücksichtslos. [...] Der Kläger hat am 08. Juli 2015 Klage gegen den Bescheid vom 10. Juni 2015 erhoben. Zur Begründung trägt er vor, die Entscheidung des Beklagten leide unter Ermessensfehlern. Es liege ein Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht vor, da der Bebauungsplan offene Bauweise vorsehe, sodass Grenzabstände einzuhalten seien. Außerdem handle es sich bei der Garage auf dem Grundstück des Klägers nicht um ein Gebäude der Hauptnutzung. Nur ein solches sei jedoch geeignet, die erforderliche Sicherungsfunktion bei gegenseitiger Grenzbebauung zu erfüllen. Das Vorhaben sei rücksichtslos. Dies werde bereits durch den Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht indiziert. [...] Jura Intensiv Der Kläger beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 10. Juni 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Der Beklagte und die Beigeladenen beantragen, die Klage abzuweisen. Der Beklagte trägt vor, die beiderseitigen grenzständigen Anlagen seien als zulässige gegenseitige Grenzbebauung anzusehen, da es sich bei beiden baulichen Anlagen nicht um solche der Hauptnutzung handle. Im Übrigen weise die Grenzbebauung auf dem Grundstück des Klägers größere Dimensionen auf als auf dem der Beigeladenen, sodass sich letztere nicht als rücksichtlos darstelle. [...] Die Beigeladenen schließen sich dem Vortrag des Beklagten an und tragen ergänzend vor, sie seien dem Kläger durch Übernahme einer Baulast hinsichtlich der von ihm zunächst Da die Klage hier bereits am 8. Juli und damit innerhalb eines Monats nach Bescheiddatum erhoben wird, ist das Zustellungsdatum nicht entscheidungserheblich und kann daher im Tatbestand weggelassen werden. Klageerhebung: Indikativ Perfekt Klägervorbringen: Konjunktiv Präsens Anträge: Indikativ Präsens Beachte: Antrag auf Neubescheidung! Falscher Aufbau! Es sind erst Antrag und Vortrag des Beklagten wiederzugegeben und anschließend Antrag und Vortrag des Beigeladenen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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