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RA Digital - 08/2019

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408

408 Referendarteil: Zivilrecht RA 08/2019 Die urspr. Anordnung ist Prozessgeschichte und wird im Perfekt Indikativ ausgeführt. Es erfolgte eine Regelungsanordnung gem. §§ 936, 938 Abs. 1, 940 ZPO. In der Original-Entscheidung fehlt der Ausspruch, eine Störung zu unterlassen. Bauarbeiten zu verbieten reicht nicht, da diese nur die Ursache der Störung sind. Andernfalls wären auch lärmfreie Umbaumaßnahmen unzulässig, da es auf die Störung als Auswirkung nicht ankäme. Hierzu: BGH, NJW 1993, 1656. Rechtsbehelf ist ausschließlich der Widerspruch gegen die in Beschlussform ergangene einstweilige Verfügung gem. §§ 936, 924 Abs. 1 ZPO Der streitige Vortrag der Beklagten wird im Indikativ Präsens sowie indirekter Rede dargestellt. Die Verfügungsbeklagten möchten die Baumaßnahmen weiter durchführen. Hieran hindert sie die erwirkte einstweilige Verfügung. Daher begehren sie deren Aufhebung. K möchte den aufgrund der einstweiligen Verfügung erwirkten Rechtszustand erhalten und begehrt daher, dass der Antrag, die einstweilige Anordnung aufzuheben, zurückgewiesen wird. Geprüft wird die Zulässigkeit, §§ 936, 924 II ZPO, und die Begründetheit des von den Verfügungsbeklagten eingelegten Widerspruches, §§ 936, 925 I ZPO. Die Einhaltung einer Einlegungsfrist fordert §§ 936, 924 II ZPO nicht. Auf Antrag der K hat das LG ohne mündliche Verhandlung eine einstweilige Verfügung gegen die Verfügungsbeklagten erlassen, mit welcher ihnen bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung, aufgegeben worden ist, es zu unterlassen, im streitgegenständlichen Haus Umbau- und Modernisierungsarbeiten und damit bauliche Veränderungen vorzunehmen und jegliche damit in Zusammenhang stehenden und bereits begonnenen Arbeiten fortzusetzen, die zu Lärm, Geruchs- und Staubbelästigungen gegenüber der K führen. Gegen den Erlass der einstweiligen Verfügung haben die V am (…) Widerspruch eingelegt. Sie behaupten, die Umbauarbeiten seien hinsichtlich der wesentlichen störenden Arbeiten bereits nahezu beendet. Sie sind zudem der Ansicht, dass die Beeinträchtigungen durch Lärm, Staub, Verschmutzungen und Erschütterungen für die Verfügungskl. überwiegend nur unerheblich seien. Zumindest aber reiche eine zeitliche Beschränkung der Untersagung auf übliche Bürozeiten oder auf näher zu bestimmende Nachtzeiten oder Zeiten an den Wochenenden aus. Die V beantragen, die einstweilige Verfügung vom (…) aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen. Die K beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie behauptet, dass die nach den Arbeiten im Erdgeschoss begonnenen Arbeiten im ersten Obergeschoss bisher nur teilweise ausgeführt worden seien; in den höheren Stockwerken würden sämtliche Arbeiten noch ausstehen, die sich wegen der Lage des Mietobjekts der K im vierten Obergeschoss mit abnehmender Entfernung zunehmend störend auswirken würden. Zudem behauptet sie, dass das Entstehen erheblicher Mengen Staub im Verlaufe der Abrissarbeiten die Funktionsfähigkeit empfindlicher technischer Geräte unmittelbar gefährdet. Weiter behauptet sie, dass Rechtsanwälte sowie auch Notare nicht nur während üblicher Geschäftszeiten, sondern regelmäßig auch in den späten Abendstunden sowie an Samstagen und mitunter auch an Sonn- und Feiertagen in ihren Büroräumen arbeiten oder Besprechungen durchführen. Jura Intensiv ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die einstweilige Verfügung vom … wird aufrechterhalten. Der Widerspruch hat keinen Erfolg. Er ist zulässig und gem. §§ 936, 924 I ZPO statthaft. Er richtet sich gegen die in Beschlussform erlassene einstweilige Verfügung vom (…) und ist gem. §§ 936, 924 II ZPO formgerecht eingelegt worden. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 08/2019 Referendarteil: Zivilrecht 409 Der Widerspruch ist unbegründet. Die einstweilige Verfügung vom (…) erging gem. § 925 I ZPO rechtmäßig. Der Verfügungsanspruch besteht. K kann von der V1 aus dem Mietvertrag vom (…) sowie von V1, V2 und V3 wegen rechtswidriger Beeinträchtigung ihres Besitzes durch verbotene Eigenmacht an dem Mietobjekt, den Büroräumen im 4. Obergeschoss des Anwesens Straße1 in Stadt1, Unterlassung der in diesem Anwesen begonnenen Umbauarbeiten gem. §§ 535 I 2, § 862 I 1, § 858 I BGB verlangen. Denn K ist zur Duldung der mit diesen Arbeiten verbundenen Beeinträchtigungen ihres Mietgebrauchs insbesondere gegenüber V1 nicht verpflichtet. V1 ist verpflichtet, der K den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren; dabei hat sie gem. § 535 I 2 BGB die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Diese Pflichten hat sie verletzt. [8] Vertraglich vereinbarter Nutzungszweck für die Mieträume ist gemäß § 1.3 des Mietvertrages der Betrieb eines Rechtsanwalts- und Notariatsbüros. Der Betrieb eines Rechtsanwalts- und Notariatsbüros bedingt es, dass die hiermit üblicherweise zusammenhängenden Arbeiten, die weitgehend aus geistig-gedanklichen Tätigkeiten wie Aktenstudium, Recherche, Fertigen von Schriftsätzen oder sonstigen Urkunden sowie aus Besprechungen mit Mandanten und untereinander bestehen, grundsätzlich ungestört durchgeführt werden können. Ferner dürfen die üblicherweise verwendeten technischen Einrichtungen eines Anwalts- und Notariatsbüros nicht durch Einwirkungen von außen, insbesondere Baustaub, in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Die Verfügungsbeklagte hat demzufolge Störungen dieses vertragsgemäßen Gebrauchs, insbesondere durch Lärm, Erschütterungen, Staub, Verschmutzungen oder sonstige Immissionen grundsätzlich zu unterlassen und zugleich solche Störungen durch Dritte abzuwehren. [9] Die von der Verfügungsbeklagten bereits durchgeführten und noch geplanten Bauarbeiten innerhalb des Anwesens verletzen aufgrund ihrer Art, ihres Umfangs, ihrer Intensität und ihrer Dauer den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache durch die Verfügungsklägerin.… Durch solche Arbeiten kommt es für in demselben Gebäude befindliche Nutzer wie die Verfügungsklägerin zwangsläufig zu ganz erheblichen Lärm- und Staubbelästigungen sowie zu massiven Erschütterungen, die sich auch über mehrere Stockwerke hin auswirken. Die entstehenden Störungen sind umso intensiver, je näher sich die Arbeiten an dem von der Verfügungskl. genutzten Mietobjekts befinden. [10] Bei derartigen umfangreichen Arbeiten handelt es sich nicht um Renovierungs- und Umbauarbeiten, mit denen ein Mieter stets im Falle eines Mieterwechsels im selben Gebäude rechnen und die er daher als sozialüblich hinnehmen muss. [11] Die Umbauarbeiten sind auch nicht hinsichtlich der wesentlichen störenden Arbeiten bereits nahezu beendet. Die nach den vorgelegten Plänen noch zu erbringenden Arbeiten haben einen Umfang, eine Intensität und eine voraussichtliche Dauer, welche den Mietgebrauch durch die Verfügungsklägerin in erheblicher Weise stören würden. Jura Intensiv Es wird vollumfänglich die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Anordnung geprüft. Dies bedeutet, dass sowohl die Zulässigkeit als auch die Begründetheit der einstweiligen Anordnung zu prüfen sind, Thomas/ Putzo/Seiler, ZPO, § 925 Rn 1. Der Unterlassungsanspruch gegen die Vermieterin (V1) besteht gem. §§ 535 I 2 BGB. Gegen sämtliche Beklagten, auch gegen V1, besteht der Anspruch gem. §§ 862 I 1, 2, 858 I BGB. Ein Verfügungsanspruch liegt vor, sollte der materiell-rechtliche Individualanspruch des Verfügungsklägers bestehen, Thomas/Putzo/ Seiler, ZPO, § 935 Rn 5. Prüfung der Verletzung vertraglicher Pflichten, § 535 I BGB Dies ist einer der besonderen Aspekte des Urteils. Das OLG bejaht im Obersatz verbotene Eigenmacht der V1 (Vermieterin) und prüft danach Duldungspflichten der K (Mieterin) aus dem Mietvertrag, obwohl § 858 I BGB lediglich gesetzliche Duldungspflichten als Rechtfertigung für eine verbotene Eigenmacht anerkennt und K ausdrücklich die Zustimmung zu den Baumaßnahmen verweigerte. Beachte die Ausführungen im Fazit. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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