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RA Digital - 08/2020

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404 Zivilrecht

404 Zivilrecht RA 08/2020 Der VIII. Zivilsenat des BGH spricht ein Machtwort und begründet seine Ablehnung der anderslautenden Auffassung. A.A. OLG Köln, Urteil vom 25.08.2017, 6 U 188/16; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.04.2018, 2-32 O 95/17; Erman/Grunewald, BGB, § 434 Rn 49; Soergel/Wertenbruch, BGB, § 476 Rn 75 Klarstellung zum Urteil des BGH vom 12.10.2016, VIII ZR 103/15 = RA 2017, 1 ff. Entscheidender Aspekt des Urteils: Weil Rittigkeitsprobleme allein keine Mangelerscheinung sind, denn Tiere sind Lebewesen und keine unbelebten Sachen, fehlt es hier schon am Vortrag der Mangelerscheinung als solcher. Darüber hinaus hatte K weder die Nacherfüllung verlangt noch B eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Die Voraussetzungen des § 323 BGB hätten nicht vorgelegen. [56] Soweit hingegen zum Teil in der Rechtsprechung und im Schrifttum - jeweils ohne Begründung - anklingt, der Verkäufer eines Reitpferds habe - auch ohne Beschaffenheitsvereinbarung - dafür einzustehen, dass es zu „Rittigkeitsproblemen“ nicht komme trifft dies nicht zu. Daher ist der weiteren Annahme, bereits bloße „Rittigkeitsprobleme“ seien geeignet, die Vermutungswirkung des § 476 BGB aF auszulösen, die Grundlage entzogen. [57] Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Käufer nach Maßgabe des § 476 BGB aF weder den Grund für die Mangelerscheinung noch den Umstand beweisen muss, dass sie dem Verkäufer zuzurechnen ist. Zwar läuft dies darauf hinaus, dass der Käufer insoweit lediglich den Nachweis einer Mangelerscheinung, also eines mangelhaften Zustands zu erbringen hat, der - unterstellt, er beruhe auf einer dem Verkäufer zuzurechnenden Ursache - eine Haftung des Verkäufers wegen einer Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde. In der gegebenen Fallgestaltung des Kaufs eines Pferds mit „Rittigkeitsproblemen“ geht es jedoch nicht um den Grund einer Mangelerscheinung oder ob sie dem Verkäufer zuzurechnen ist, sondern um die vorgelagerte Frage, ob eine Mangelerscheinung überhaupt gegeben ist. Folglich steht fest, dass ein Mangel bei Gefahrübergang nicht vorgelegen hat. Weil es somit an den Voraussetzungen der §§ 90a, 434 BGB fehlt, hatte K zur Zeit der Rücktrittserklärung kein Rücktrittsrecht. Folglich konnte ein Rückgewährschuldverhältnis nicht entstehen. B. Ergebnis K hat gegen B keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung und Rückgabe des Pferdes aus einem Rückgewährschuldverhältnis gem. §§ 90a, 437 Nr. 2, 323 I Alt. 2, 346 I BGB. FAZIT Das Urteil weist zwei examensrelevante Aspekte auf. Zum einen bestätigt es die gefestigte Rechtsprechung, dass man im kaufrechtlichen Mängelrecht bei Lebewesen und unbelebten Gegenständen unterschiedliche Maßstäbe anlegen muss. Dies wirkt sich bei Vorliegen des Kissing Spine-Befundes aus, denn ohne klinische Symptome ist ein Mangel zunächst nicht anzunehmen. Zum anderen bringt das Urteil wichtige Klarstellungen zu den Anforderungen, die an Käufer zum Vortrag der Mangelerscheinung i.S.d. § 477 BGB gestellt werden. Die bloße Widersetzlichkeit eines Pferdes begründet diesen Vortrag nicht. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 08/2020 Zivilrecht 405 Problem: Erteilung eines Hausverbots ohne Grund Einordnung: Sachenrecht BGH, Urteil vom 29.05.2020 V ZR 275/18 EINLEITUNG In der RA 2019, 641 stellten wir Ihnen die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Hausrecht und den damit verbundenen Grenzen der Gleich- und Ungleichbehandlung im Privatrecht vor. Welche Auswirkungen dies auf ein ohne Angabe von Gründen erteiltes Hausverbot hat, beschäftigt den BGH in diesem Urteil. SACHVERHALT B betreibt eine Therme mit Saunabereich, welche K seit mehreren Jahren regelmäßig besucht. B führte K in einer Gästekartei für Stammkunden und informierte sie regelmäßig über Angebote. Über diese Angebote erwarb K zu Sonderkonditionen zahlreiche nicht personengebundene Eintrittskarten, welche teilweise noch nicht genutzt wurden. Am 12.02.2017 erteilte B der K ein schriftlich vorbereitetes, unbefristetes Hausverbot für die von ihr betriebene Therme sowie alle der K „angehörenden“ Einrichtungen. Im Umkreis von 30 Kilometern befinden sich weitere Bäder und Saunen anderer Betreiber. B erstattet K sämtliche Kosten der Eintrittskarten und erklärt diese als ungültig. K verlangt von B, das Hausverbot zurückzunehmen und Zugang zur Therme. Zu Recht? LÖSUNG A. Anspruch des K gegen B auf Rücknahme des Hausverbotes K könnte gegen B einen Anspruch auf Rücknahme des Hausverbotes aus einer vertraglichen Bindung haben. Hierfür könnte sprechen, dass K von B Eintrittskarten erworben hat. Die nicht personengebundenen Eintrittskarten stellen Inhaberschuldverschreibungen im Sinne der §§ 793, 807 BGB dar. Jura Intensiv I. Recht der B auf Aussprechen eines Hausverbotes Zunächst ist fraglich, ob B ein Recht zusteht, gegenüber K ein Hausverbot auszusprechen. Problematisch ist ja, dass B keine Begründung angegeben hat. [5] Die Beklagte ist als Betreiberin der Therme aufgrund ihres Hausrechts grundsätzlich befugt, gegenüber Besuchern ein Hausverbot auszusprechen. Das Hausrecht beruht auf dem Grundstückseigentum oder -besitz (§§ 858 ff., 903, 1004 BGB) und ermöglicht es seinem Inhaber, in der Regel frei darüber zu entscheiden, wem er Zutritt gestattet und wem er ihn verwehrt (…). In ihm kommt die aus der grundrechtlichen Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) fließende Befugnis des Eigentümers zum Ausdruck, mit der Sache grundsätzlich nach Belieben zu verfahren und andere von der Einwirkung auszuschließen (§ 903 Satz 1 BGB). Darüber hinaus ist das Hausrecht Ausdruck der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Privatautonomie, die die Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben schützt. Dazu gehört, LEITSATZ 1. Die Erteilung eines Hausverbots bedarf nicht schon dann eines sachlichen Grundes, wenn der Hausrechtsinhaber die Örtlichkeit für den allgemeinen Publikumsverkehr ohne Ansehen der Person öffnet, sondern nur unter der weiteren Voraussetzung, dass die Verweigerung des Zutritts für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet (im Anschluss an BVerfG, Bes. v. 11. April 2018 - 1 BvR 3080/09, BVerfGE 148, 267). 2. Welche Bedeutung der Zugang zu einer Einrichtung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hat, ist nicht aus der Perspektive des einzelnen Besuchers zu beurteilen; vielmehr ist aus objektivierter Sicht desjenigen, der die Einrichtung dem allgemeinen Publikumsverkehr öffnet, zu fragen, welche Funktion die von ihm willentlich eröffnete und betriebene Einrichtung bei typisierender Betrachtung hat. 3. Der Besuch einer Therme entscheidet nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben; der private Betreiber einer Therme bedarf daher für die Erteilung eines Hausverbots gegenüber einem Gast keines sachlichen Grundes. Grundsätzlich dürfen Eigentümer und Grundstücksbesitzer jederzeit ein Hausverbot ohne Angabe von Gründen aussprechen. § 903 BGB wird von Art. 14 GG garantiert. Privatautonomie © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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