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RA Digital - 08/2020

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418 Nebengebiete

418 Nebengebiete RA 08/2020 § 185 I BGB ist auch auf Gestaltungsrechte – wie die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses – anzuwenden (vgl. Palandt/Ellenberger, § 185 Rn 2). [30] b) Von der völligen – und sei es grob fahrlässigen – Unkenntnis des Kündigungssachverhalts ist der Fall zu unterscheiden, dass schon einige Tatsachen bzw. Umstände bekannt sind, die auf einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung hindeuten. Dann kann der Lauf der Ausschlussfrist ausgelöst werden (...). Allerdings darf der Kündigungsberechtigte, der bislang lediglich Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 II 1 BGB zu laufen begänne. Dies gilt indes nur so lange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen und Beweismittel verschaffen soll, die ihm die Entscheidung darüber ermöglichen, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht (...). [20] (...) Als „rechtlicher Arbeitgeber“ sollte das Klinikum die betreffenden Vertragsverhältnisse nicht lediglich durchführen, sondern auch rechtlich gestalten, also zB Änderungsvereinbarungen abschließen und Kündigungen erklären können. Das umfasst zumindest auch die Ermächtigung nach § 185 I BGB, Kündigungen im eigenen Namen mit Wirkung für die Beklagte auszusprechen (vgl. Palandt/Ellenberger § 185 Rn 7). (...) [21] IV. Das Landesarbeitsgericht hat allerdings rechtsfehlerhaft gemeint, für die außerordentliche Kündigung fehle es an einem wichtigen Grund iSv. § 626 BGB. [28] 2. Das Landesarbeitsgericht durfte (…) nicht davon ausgehen, die Kündigungserklärungsfrist des § 626 II BGB sei in Bezug auf den Vorwurf der Drittmittelveruntreuung nicht gewahrt worden. [29] a) Die Frist beginnt nach § 626 II 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Auch grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang (...). Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände (...). [31] c) Das Anlaufen der Kündigungserklärungsfrist setzt allerdings stets voraus, dass dem Kündigungsberechtigten die Tatsachen bereits im Wesentlichen bekannt und nur noch zusätzliche Ermittlungen erforderlich sind oder doch erscheinen dürfen, wie etwa die Anhörung des Betroffenen bei einer Verdachtskündigung oder die Ermittlung von gegen eine Kündigung sprechenden Tatsachen (...). Hingegen besteht keine Obliegenheit des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer belastende Tatsachen zu ermitteln, die einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung begründen. Das widerspräche einerseits dem Grundsatz, dass eine – sogar grob – fahrlässige Unkenntnis der maßgeblichen Tatsachen nicht genügt, um die Erklärungsfrist auszulösen (...). Es läge andererseits auch nicht im Interesse der Arbeitnehmer, weil der Arbeitgeber zu ständigem Misstrauen angehalten (...) und gleichsam gezwungen würde, bei der bloßen Möglichkeit einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung „vom Schlimmsten“ auszugehen und zügig „Belastungsermittlungen“ in die Wege zu leiten. [32] d) Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grundsätzlich (1.) die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs maßgeblich. Sind für den Arbeitgeber (2.) mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt, genügt grundsätzlich die Kenntnis schon eines der Gesamtvertreter (...). Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören (3.) zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat (...). Die Kenntnis anderer Personen ist für die Zwei-Wochen-Frist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt selbst dann, wenn ihnen Vorgesetzten- oder Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 08/2020 Nebengebiete 419 Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber die Kenntnis auch anderer Personen nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen (4.) eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder in der Verwaltung innehaben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten dieser ohne weitere Nachforschungen seine (Kündigungs-) Entscheidung abgewogen treffen kann. Voraussetzung dafür, dem Arbeitgeber solche Kenntnisse zuzurechnen, ist ferner, dass die Verspätung, mit der er in eigener Person Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruht (...). Beide Voraussetzungen (ähnlich selbständige Stellung und schuldhafter Organisationsmangel in Bezug auf die Kenntniserlangung) müssen kumulativ vorliegen (...). [33] e) Danach ist zwar die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass es, weil keine „befreiende“ Übertragung des Kündigungsrechts stattgefunden hat (Rn. 19), für die Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen sowohl auf die Beklagte als auch auf das Klinikum ankommt. [34]| f) Jedoch hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen, die seine Annahme trügen, der Fristlauf habe entgegen dem Vorbringen der Beklagten bereits vor dem 26. Februar 2018 begonnen. [Wird ausgeführt.] [38] (…) Für das fortgesetzte Berufungsverfahren sind folgende weitere Hinweise veranlasst: [43] 5. Sollte das Landesarbeitsgericht nicht von einer „Tat“ überzeugt sein, müsste es prüfen, ob die Beklagte sich (…) auch auf den dringenden Verdacht einer „Drittmittelveruntreuung“ gestützt hat und ob die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung vorliegen. [45] 7. Schließlich wäre zu prüfen, ob der Kläger die Kündigungserklärung wirksam zurückgewiesen hat. [46] a) Nach einhelliger Auffassung kann dem Erklärungsempfänger das Recht zustehen, ein ihm gegenüber von einem Nichtberechtigten mit Einwilligung des Berechtigten nach § 185 I BGB vorgenommenes einseitiges Rechtsgeschäft – wie die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses – mangels Vorlage der Einwilligung in schriftlicher Form zurückzuweisen, wenn nicht der Berechtigte ihn – den Erklärungsempfänger – zuvor von der Einwilligung in Kenntnis gesetzt hatte. Es bedarf keiner Entscheidung, ob dieses Zurückweisungsrecht aus § 182 III iVm. § 111 Satz 2 BGB (so BGH, XII ZR 119/96 - zu 4 der Gründe) oder einer analogen Anwendung von § 174 BGB (so Palandt/Ellenberger § 185 Rn 7) folgt. [47] b) Vorliegend entfällt das Zurückweisungsrecht nicht deshalb, weil die Befugnis des Klinikums, das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu kündigen, bereits unmittelbar aus dem Gesetz folgte. Vielmehr musste hinzutreten, dass hierüber eine entsprechende Vereinbarung nach § 22 IV iVm. § 15 UniKlinG abgeschlossen worden war. Deshalb würde es ggf. darauf ankommen, ob die Beklagte den Kläger über die in der VE UniKlinG enthaltene Ermächtigung des Klinikums in Kenntnis gesetzt hatte, sein Arbeitsverhältnis zu kündigen. Jura Intensiv Das BAG legt hier ausführlich dar, die Kenntnis welcher Personen bei juristischen Personen die Kündigungserklärungsfrist des § 626 II BGB in Gang setzt, also „Kenntnis“ im Sinne der Norm begründet. Die hier darstellten Grundsätze können sinngemäß auf Personengesellschaften und auf natürliche Personen als Arbeitgeber übertragen werden. Das BAG konnte nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht selbst über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung entscheiden, weshalb es die Sache hinsichtlich der gegen die Beklagte gerichteten Anträge an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen hat. Häufig – so auch hier – wird das genutzt, um dem neuen Tatgericht gleich weitere „Prüfaufträge“ und „Rechtsbelehrungen“ zu erteilen, um eine erneute Aufhebung des nächsten Urteils des Tatgerichts möglichst zu vermeiden. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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