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RA Digital - 08/2020

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444 Strafrecht

444 Strafrecht RA 08/2020 Für bloße Beweiserheblichkeit: Schönke/ Schröder, StGB, § 274 Rn 22c Für Urkundengleichheit: OLG Nürnberg, Beschluss vom 23.01.2013, 1 Ws 445/12, StV 2014, 296 Prüfung der Voraussetzungen einer Urkunde zur Feststellung der Urkundengleichheit [36] Dabei kann dahinstehen, ob der Begriff der Daten im Sinne des § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB lediglich erfordert, dass die Daten beweiserheblich sind, oder ob die Daten darüber hinaus wie auch im Rahmen des § 269 StGB urkundengleich sein müssen. Denn die hier relevanten Daten des Verfügungsrahmens und der Umstände der bisherigen Karteneinsätze weisen jedenfalls Urkundengleichheit auf. [37] Der noch bestehende Verfügungsrahmen sowie die Umstände der bisherigen Kartennutzung seit der letzten PIN-Abfrage stellen Gedankenerklärungen dar, die durch die Speicherung im Autorisierungssystem bzw. auf dem Chip der ec-Karte perpetuiert sind. Weiterhin sind diese Daten auch beweiserheblich, weil sie für die Autorisierung weiterer Bezahlvorgänge mit der ec-Karte relevant sind. Nur wenn der Verfügungsrahmen noch nicht ausgeschöpft ist und in Bezug auf die Umstände der bisherigen Kartennutzung die Voraussetzungen […] für das Absehen von der PIN- Abfrage erfüllt sind, erteilt die kartenausgebende Bank im POS-Verfahren die Autorisierung der Zahlung (ohne PIN-Abfrage). Anders als im Hinblick auf die Transaktionsdaten ist in Bezug auf den Verfügungsrahmen und die Umstände der bisherigen Kartennutzung auch die Garantiefunktion des Urkundenbegriffs erfüllt. Es ist nämlich die kartenausstellende Bank als Aussteller dieser Daten […] erkennbar.“ 2. Keine ausschließliche Verfügungsbefugnis „[38] Über diese Daten durfte der Angeklagte auch nicht verfügen. Das Tatbestandsmerkmal der Verfügungsbefugnis bezieht sich im § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf das Recht, mit den Daten im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen. Dieses Recht stand dem Angeklagten als Nichtberechtigtem nicht zu, sondern vielmehr dem Zeugen [Z] als berechtigtem Karteninhaber bzw. der Sp als kartenausgebendem Kreditinstitut.“ 3. Tathandlung Jura Intensiv „[39] Mit dem Einsatz der ec-Karte durch den Angeklagten im POS- Verfahren wurden diese Daten schließlich überschrieben, also gelöscht, bzw. verändert im Sinne der Norm.“ 4. Subjektiver Tatbestand „[40] Nach den Feststellungen des Landgerichts handelte der Angeklagte auch vorsätzlich. Er hat danach die beschriebenen Vorgänge in seiner Laiensphäre nachvollzogen und die Verwirklichung der Umstände, die den objektiven Tatbestand ausmachen, zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen. Zudem hat er auch mit der erforderlichen Nachteilzufügungsabsicht gehandelt. Denn er hat in dem Bewusstsein gehandelt, dass notwendige Folge seiner Tat der Nachteil des Berechtigten ist, mit der Urkunde keinen Beweis mehr führen zu können.“ II. Rechtswidrigkeit und Schuld A handelte rechtswidrig und schuldhaft. III. Ergebnis A ist strafbar gem. § 274 I Nr. 2 StGB. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 08/2020 Referendarteil: Strafrecht 445 Speziell für Referendare Problem: Beweiswürdigung bei bedingtem Tötungsvorsatz Einordnung: Beweiswürdigung BGH, Urteil vom 15.01.2020 2 StR 304/19 EINLEITUNG Eine zentrale Regel der Beweiswürdigung ist das Gebot, alle wesentlichen Tatsachen und Beweisergebnisse, die Gegenstand der Hauptverhandlung waren, erschöpfend in einer Gesamtschau zu würdigen und zwar gleichrangig alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Aspekte. Einzelindizien dürfen nicht nur isoliert bewertet werden, sondern sie entfalten ihr wahres Beweisgewicht erst dadurch, dass sie in der Relation zu den anderen Umständen des Einzelfalls gesehen werden. Diese ständige Rechtsprechung wird von dem BGH im Rahmen der vorliegenden Entscheidung, die sich mit der Frage des Vorliegens bedingten Tötungsvorsatzes beschäftigt, bestätigt. SACHVERHALT A war am Tatabend sehr aufgebracht. Er hatte die Vorstellung, dass der N seine jüngere Schwester vormittags sexuell belästigt hatte. Er wollte den N deshalb bestrafen. A verabredete deshalb mit N ein Treffen. A organisierte die Unterstützung von etwa zehn unbekannten jungen Männern. Zur Verstärkung seiner geplanten Schläge gegen den N trug er einen Schlagring. Die übrigen jungen Männer führten Baseballschläger, Stöcke aus Holz, eine Metallstange und einen Zimmermannshammer mit. Als der A den N erreicht hatte, „baute“ er sich vor diesem „auf“, während die übrigen Mitglieder der Gruppe N tatplangemäß umringten, so dass der N keine Möglichkeit hatte zu flüchten. A begann unvermittelt auf den N einzuschlagen. Als N sich zu wehren begann, schalteten sich drei bis vier junge Männer der Gruppe ein und schlugen, unter dem Einsatz von Baseballschlägern bzw. Stöcken aus Holz und der Metallstange wuchtig auf den Oberkörper des N ein. Ein unmittelbar neben dem A stehender Mann der Gruppe schlug dem N den Zimmermannshammer auf den Hinterkopf. A sah die Schläge seiner Begleiter, so dass er Kenntnis von dem konkreten Einsatz der Schlagwerkzeuge hatte. Er war mit deren Einsatz zur Erreichung seines Ziels, dem N eine körperliche „Abreibung“ zu verpassen, einverstanden. Der N ging aufgrund der zahlreichen Schläge gegen Körper und Kopf schließlich zu Boden und blieb dort liegen. In dieser Situation schlug einer der Begleiter des A dem N noch zweimal mit dem Zimmermannshammer auf den Hinterkopf. Dabei nutzte er zumindest bei dem zweiten Schlag die Seite des Zimmermannhammers, an der sich die beiden Zacken zum Herausziehen von Nägeln befanden. Die Spitze des Hammers blieb im Kopf des N stecken. A nahm auch die erneuten Schläge mit dem Zimmermannshammer gegen den Kopf des N wahr. Er war mit diesen einverstanden, weshalb er seine Schläge und Tritte gegen den N zunächst fortsetzte. Beim Herausziehen des Hammers durch den Angreifer hob sich der Kopf des N ein Stück an. Da sich der N nicht mehr bewegte, ging dieser Angreifer davon aus, dass der N infolge der Gewalteinwirkung verstorben war. Er rief dem A und den übrigen jungen Männern zu, dass der N tot bzw. gestorben sei. Hierüber waren der A und seine Begleiter sehr erschrocken. Sie stellten die Schläge und Tritte sofort ein und flüchteten in der Annahme vom Tatort, dass der N Jura Intensiv LEITSÄTZE (DER REDAKTION) 1. Bedingt vorsätzlich handelt, wer den Eintritt des Todes als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Ziels Willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet (Willenselement), mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein. 2. Hat der Täter eine offensichtlich äußerst gefährliche Gewalthandlung begangen, liegt es - vorbehaltlich der in die Gesamtbetrachtung einzustellenden gegenläufigen Umstände des Einzelfalls - nahe, dass er den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Tuns erkannt und, indem er gleichwohl sein gefährliches Handeln begonnen und fortgesetzt hat, den Todeserfolg auch billigend in Kauf genommen hat. Das Vertrauen auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolgs ist regelmäßig dann zu verneinen, wenn der vorgestellte Ablauf des Geschehens einem tödlichen Ausgang so nahekommt, dass nur noch ein glücklicher Zufall diesen verhindern kann. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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