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RA Digital - 08/2021

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428 Öffentliches Recht

428 Öffentliches Recht RA 08/2021 Umschreibung, was zum eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gehört Hier: (-), da Eingriff in die Substanz des Gewerbebetriebs fehlt Problematisch ist zudem, ob das erforderliche Sonderopfer vorliegt, da sehr viele Gewerbetreibende von Betriebsschließungen betroffen waren (vgl. LG Hannover, Urteil vom 9.7.2020, 8 O 2/20, RA 2020, 537, 540; Reschke, DÖV 2020, 423, 429; Stöß/ Putzer, NJW 2020, 1465, 1467). i.S.d. Art. 14 GG nur vor, wenn in die Substanz des Betriebes eingegriffen wird. Die Substanz umfasst dabei neben dem gegenständlichen Bestand des Betriebes auch dessen vom Inhaber geschaffene Organisation persönlicher und sachlicher Mittel als eine bestimmte Sach- und Rechtsgesamtheit. Außerhalb des von der Eigentumsgarantie umfassten Gewerbebetriebes verbleiben grundsätzlich die allgemeinen Gegebenheiten und Chancen, innerhalb derer der Unternehmer seine Tätigkeit entfaltet. […] Vorliegend fehlt es an einem Eingriff in den von der Klägerin geführten, eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch die streitgegenständlichen Schließungsanordnungen. […] Ein Eingriff in die Substanz des Betriebes ist mit der temporären Schließungsanordnung nach der vorhergehenden Definition nicht verbunden: Weder die sachlichen noch die personellen Mittel werden einzeln und / oder in ihrer Gesamtheit durch die Untersagung der Öffnung des Ladengeschäftes berührt. Insbesondere wurde der Klägerin nicht generell die Vermarktung ihrer Ware untersagt, nachdem beispielsweise ein Versand derselben auf Bestellung nach wie vor zulässig war. […] Die CoronaschutzVO des Landes NRW vom 22.03.2020 sah […] eine von vorneherein temporäre Schließung vor, welche die Klägerin […] letztendlich bis zum 26.04.2020 betraf. Ab dem 27.04.2020 waren in NRW eingeschränkte Öffnungen für alle Geschäfte wieder zulässig. Eine zwingende Geschäftsschließung über einen Zeitraum von 5 Wochen greift empfindlich in die Berufsausübungsfreiheit gem. Art. 12 GG ein; die Qualität einer Beeinträchtigung des Gewerbebetriebes in seiner Substanz ist damit jedoch nicht erreicht. Vielmehr konnte die Klägerin nach Ende dieses ersten Lockdown ihr Ladengeschäft mit den bisherigen sachlichen und personellen Mitteln, also mit derselben Substanz wie zuvor, wenn auch unter finanziellen Einbußen fortsetzen.“ Demnach scheidet ein Entschädigungsanspruch aus dem Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs aus. Anderweitige Ansprüche wie der Amtshaftungsanspruch und der Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff verlangen ein rechtwidriges hoheitliches Verhalten und kommen daher von vornherein nicht in Betracht. Der Klägerin steht mithin kein Anspruch auf Entschädigung für ihre schließungsbedingten Einnahmeausfälle zu. Jura Intensiv LG Hannover, Urteil vom 9.7.2020, 8 O 2/20, RA 2020, 537 FAZIT Die Grundaussage der bisher veröffentlichten zivilgerichtlichen Entscheidungen ist eindeutig: Entschädigungsansprüche polizeilicher Nichtstörer wegen coronabedingter Betriebsschließungen bestehen nicht. Die Argumentation der einzelnen Entscheidungen weicht allerdings durchaus voneinander ab. Hat das LG Hannover die Anwendbarkeit polizeirechtlicher Entschädigungsansprüche und des enteignenden Eingriffs aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt, konzentriert sich das LG Düsseldorf auf die Prüfung der konkreten Anspruchsvoraussetzungen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 08/2021 Referendarteil: Öffentliches Recht 429 Speziell für Referendare Problem: Sondernutzungserlaubnis für Altkleidercontainer Einordnung: Straßenrecht OVG Münster, Urteil vom 28.05.2021 11 A 390/19 EINLEITUNG In dem Urteil geht es um ein ständig aktuelles Problem aus der Praxis, das Aufstellen von Altkleidersammelcontainern und die in diesem Zusammenhang zulässigen straßenrechtlichen Erwägungen, verbunden mit einer übereinstimmenden Teilerledigung. TATBESTAND „[…] Mit Schreiben vom 3. Juni 2016 beantragte die Klägerin die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen für die Aufstellung von Altkleidersammelcontainern an insgesamt 20 Standorten im Gebiet der Beklagten [...] „für drei Jahre“. [...] Unter dem 3. Januar 2017 erteilte die Beklagte dem Deutschen Roten Kreuz […] für das Kalenderjahr 2017 Sondernutzungserlaubnisse für die Aufstellung von 16 Altkleidercontainern an neun Standorten auf öffentlichen Verkehrsflächen im Stadtgebiet der Beklagten. Mit Schreiben vom 3. Februar 2017 forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte auf, den mit Schreiben vom 3. Juni 2016 gestellten Antrag zu bescheiden. Darauf erwiderte die Beklagte mit Schreiben vom 16. Februar 2017, dass sie der Klägerin bereits mit Schreiben vom 21. Juni 2016 mitgeteilt habe, dass die Standorte zur Aufstellung von Altkleidercontainern in F2. durch die Verwaltung vorgegeben würden und die Anzahl der Standorte damit begrenzt sei. Ferner habe sie bereits mitgeteilt, dass Sondernutzungserlaubnisse auf Zeit erteilt würden und eine Genehmigung für das Jahr 2016 schon an einen Wettbewerber erteilt worden sei. Zugleich habe sie um Übersendung eines Gewerbezentralregisterauszuges zum Nachweis der Zuverlässigkeit gebeten. Hierauf sei keine Reaktion erfolgt. Sie sei daher davon ausgegangen, dass unter den von ihr dargestellten Bedingungen kein Interesse an der Aufrechterhaltung des Antrags bestanden habe. Nunmehr seien die Containerstandplätze auch für das Kalenderjahr 2017 vergeben. Der Antrag der Klägerin könne daher nur abgelehnt werden. Sie bitte um Mitteilung, ob die Klägerin den Antrag vor diesem Hintergrund für das kommende Kalenderjahr verstanden wissen möchte und - bejahendenfalls - um die Vorlage des Gewerbezentralregisterauszuges. Mit Schreiben vom 10. April 2017 bat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin u. a. um Übersendung der kommunalen Beschlüsse, aufgrund derer die Standorte der Altkleidercontainer seitens der Beklagten vorgegeben würden. Unter dem 18. Mai 2017 teilte die Beklagte u.a. mit, dass ein aktueller kommunaler Beschluss nicht vorliege. Zuletzt sei im Juni 1997 im Rat beschlossen worden, die Aufstellung von Altkleidersammelcontainern auf öffentlichen Flächen grundsätzlich zu verhindern. Von diesem Beschluss habe man aus rechtlichen Gründen Abstand genommen. Die Ratsmehrheit habe ein großes Interesse daran, die Kleidersammlung an Jura Intensiv LEITSÄTZE (DER REDAKTION) 1. Für die Entscheidung einer Gemeinde, eine bestimmte Art der Sondernutzung „in eine Hand“ zu geben, bedarf es eines straßenbezogenen Grundes. 2. Die Erwägung, Verwaltungsaufwand zu vermindern, hat keinen sachlichen Bezug zur Straße. 3. Die Entscheidung über die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen zählt regelmäßig zu den Geschäften der laufenden Verwaltung, der Erlass allgemeiner Richtlinien bzgl. der Ermessenspraxis einer Gemeinde bei der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen jedoch nicht; sie ist daher wegen des grundlegenden Charakters grds. dem Gemeinderat vorbehalten. Zustände und Beschreibungen, die die Gegenwart betreffen, werden im Indikativ Präsens wiedergegeben. Im Übrigen Geschichtserzählung im Indikativ Imperfekt. Dass ein Prozessbevollmächtigter für die Klägerin gehandelt hat, ist in einer Klausur nur dann von Relevanz und daher im Tatbestand zu erwähnen, wenn es in den Entscheidungsgründen darauf ankommt, z.B. im Fall einer Zustellungsproblematik oder der Frage nach einer Kostenerstattung. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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