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RA Digital - 08/2022

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396 Zivilrecht

396 Zivilrecht RA 08/2022 Gegen eine Ausgleichspflicht: NK-BGB/Büdenbender, 4. Aufl., § 439 Rn. 33; Mankowski, NJW 2011, 1025, 1027 f.; Woitkewitsch, VuR 2005, 1, 5 f.; Erman/Grunewald, BGB, 16. Aufl., § 439 Rn. 13 Weitere Ansicht: „Abzug neu für alt“ nur bei Wertverbesserung oder Ersparnis eigener Aufwendungen für Instandhaltung und Inspektion; statt vieler: Grüneberg/Weidenkaff, BGB, § 439 Rn. 13 Ansicht des BGH: Kein „Abzug neu für alt“, wenn durch den Austausch eines Teiles ein Wertzuwachs eintritt oder infolge der Lebensauer Aufwendungen erspart werden. Wichtiges Argument: Der nachbessernde Verkäufer erfüllt seine modifizierte Erfüllungspflicht. Warum sollte der Käufer hierfür neben dem gezahlten Kaufpreis einen Ausgleich schulden? Der BGH sieht eine mögliche, ausgleichslose Wertsteigerung von der gesetzgeberischen Entscheidung als gedeckt an, nach der der Verkäufer einen Nacherfüllungsanspruch schuldet, dessen Inhalt von der veränderten Situation abhängt. Weitere Argumente gegen eine Kostenbeteiligung des Käufers nach den Grundsätzen „neu für alt“: § 439 VI BGB, der lediglich im Falle der Nachlieferung eine Nutzungsherausgabepflicht anordnet, nicht aber im Falle der Nachbesserung, ist eine Ausnahmevorschrift. § 439 II BGB beinhaltet Grundsätze der Kostenzuweisung im Falle der Nacherfüllung. Eine Beteiligung des Käufers käme einer Kaufpreiserhöhung gleich. [14] Hiergegen wird eingewandt, dass es für eine Kostenbeteiligung des Käufers an einer Anspruchsgrundlage fehle. Die Gegenrechte des Verkäufers seien in § 439 Abs. 6 BGB abschließend aufgeführt (…). § 439 BGB sehe eine Kostentragung durch den Käufer nur in begrenztem Rahmen vor. Da die Nacherfüllung aufgrund der nicht ordentlichen Erfüllung durch den Verkäufer erforderlich geworden sei, sei es unbillig, den Käufer mit Kosten zu belasten, die über den Kaufpreis hinausgingen (….). Ansonsten könnte dem Käufer unter Umständen eine Nachbesserung aus finanziellen Gründen unmöglich werden (). [15] Mehrheitlich wird eine differenzierende Auffassung vertreten. Eine Kostenbeteiligung aufgrund der Grundsätze „neu für alt“ sei abzulehnen, wenn eine Nachbesserung nur durch den Ersatz des mangelbehafteten Teils durch ein Neuteil erfolge. Anders sehe es aber bei Wertverbesserungen aus, die am Rest der Kaufsache durch die Nachbesserung einträten, oder wenn der Käufer nunmehr eine ohnehin anfallende Instand- bzw. Inspektionsarbeit einspare. Die hierdurch eingetretene Ersparnis oder Wertverbesserung habe der Käufer auszugleichen (…). [16] Der hier zu Entscheidung stehende Fall gibt keine Veranlassung, die Streitfrage insgesamt und abschließend zu entscheiden. Eine Beteiligung des Käufers an den Kosten der Nachbesserung einer (gebrauchten) mangelhaften Kaufsache nach den Grundsätzen eines Abzugs „neu für alt“ scheidet jedenfalls aus, wenn sich der Vorteil des Käufers darin erschöpft, dass die Kaufsache durch den zur Mangelbeseitigung erforderlichen Ersatz eines mangelhaften Teils durch ein neues Teil einen Wertzuwachs erfährt oder dass der Käufer durch die längere Lebensdauer des ersetzten Teils Aufwendungen erspart. (…) [17] Beseitigt der Verkäufer im Wege der Nachbesserung einen Mangel an der Kaufsache, kommt er lediglich seinen vertraglichen Pflichten nach. Hierfür kann er grundsätzlich keinen Ausgleich verlangen (…). Richtig ist zwar, dass der Verkäufer unter Umständen eine Leistung erbringen muss, die eine andere Qualität aufweist als diejenige, die er bei mangelfreier Leistung ursprünglich erbracht hätte, und der Käufer deshalb besser steht als bei einer von Anfang an mangelfreien Leistung. Dies ist aber der gesetzgeberischen Entscheidung für einen Nacherfüllungsanspruch geschuldet (…). Gegenstand des Nacherfüllungsanspruchs ist - im Unterschied zum ursprünglichen Erfüllungsanspruch - nicht mehr die erstmalige Lieferung der mangelfreien Kaufsache, sondern - als primäres Mangelrecht des Käufers - die Herstellung ihrer Mangelfreiheit durch Nachbesserung oder durch Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache (…). Da infolge der mangelhaften Leistung des Verkäufers der Vertrag nicht wie vorgesehen abgewickelt werden kann (…), hat sich die Nacherfüllung an dieser veränderten Situation auszurichten. Die Pflichten des Verkäufers werden damit nicht mehr allein durch den im Vertrag vereinbarten Kaufgegenstand festgelegt, sondern in Ansehung der Pflichtverletzung des Verkäufers modifiziert und ergänzt (…). [19] Eine andere Beurteilung wäre auch nicht damit zu vereinbaren, dass das Gesetz lediglich in § 439 Abs. 6 BGB (= § 439 Abs. 5 BGB aF) eine Herausgabe gezogener Nutzungen durch den Käufer bei Lieferung einer mangelfreien Sache anordnet. Eine darüber hinausgehende Beteiligung des Käufers an den Kosten der Nachbesserung ist hingegen nicht vorgesehen. Im Gegenteil bestimmt § 439 Abs. 2 BGB, dass der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen hat. Die Regelung soll den Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 08/2022 Zivilrecht 397 in Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 der Verbrauchsgüterkauf-RL festgelegten Grundsatz der Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung umsetzen (…), ist aber nicht auf Verbrauchsgüterkäufe beschränkt. Würde man gleichwohl eine Anrechnung „neu für alt“ vornehmen, käme dies im Ergebnis einer Beteiligung des Käufers an den Kosten der Nachbesserung bzw. einer Erhöhung des Kaufpreises gleich (…). [20] Für einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung in Höhe der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten nach § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 BGB gilt das Gleiche, und zwar auch dann, wenn die Nachbesserung wegen des arglistigen Verschweigens des Mangels nicht angeboten werden muss. Denn durch die Ersatzfähigkeit der Mängelbeseitigungskosten unabhängig von deren Aufwendung wird der Vorrang des Erfüllungsanspruchs schadensrechtlich umgesetzt (…). Deshalb scheidet eine allein an der längeren Lebensdauer des ersetzen Teils anknüpfende schematische Berücksichtigung eines Abzugs „neu für alt“ (auch) bei dem Schadensersatz statt der Leistung nach § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB aus. Hierdurch wird zudem dem Umstand Rechnung getragen, dass die Schadensersatzleistung in vielen Fällen der Vorfinanzierung der von dem Verkäufer nicht vorgenommenen und nun durchzuführenden Mangelbeseitigung dient (…). Ob der Käufer dem Verkäufer fruchtlos eine Nachfrist gesetzt hat oder eine solche Nachfristsetzung wegen eines arglistigen Verschweigens des Mangels durch den Verkäufer unzumutbar ist (§ 281 Abs. 2 Alt. 2 BGB), ist unerheblich. Der Käufer darf bei einem arglistig verschwiegenen Mangel nicht schlechter stehen als bei einer „nur“ mangelhaften Kaufsache. [21] Den Nacherfüllungsanspruch begrenzt der Senat, indem er aus § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB idF vom 2. Januar 2002 (jetzt: § 439 Abs. 4 Satz 2 BGB) Vorgaben für die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung abgeleitet hat (…). Diese Begrenzung wirkt sich unmittelbar auf die Höhe des nachfolgenden Schadensersatzanspruchs aus und verhindert eine Überkompensation des Käufers (…). Kann nämlich der Verkäufer die Nacherfüllung verweigern, weil sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist, beschränkt sich der Schadensersatzanspruch des Käufers auf den Ersatz des mangelbedingten Minderwerts (….) Jura Intensiv Der Schadensersatzanspruch wird nicht nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung durch einen „Abzug neu für alt“ gekürzt. B. Ergebnis K hat gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 23.400,30 € Schadensersatz statt der Leistung aus §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1 2. Fall BGB. Das Recht auf „fiktives Abrechnen“ setzt den Vorrang des Erfüllungsanspruchs schadensrechtlich um, denn häufig dient die Vorabforderung auf Gutachterbasis der Vorfinanzierung der Mängelbeseitigung. Eine dem § 637 III BGB entsprechende Anspruchsnorm fehlt im Kaufrecht. Auf einen Fristablauf kommt es nicht an, wenn der Käufer arglistig getäuscht wurde. Wichtig: Das Kaufrecht selbst verhindert die Überkompensation des Käufers durch die Einrede der Unverhältnismäßigkeit. Die Höhe des Schadensersatzes richtet sich nach dem Inhalt des Erfüllungs-, bzw. des Nacherfüllungsanspruchs. Nur wenn die Nacherfüllung nicht unverhältnismäßig i.S.d. § 439 IV BGB ist, kann der Schadensersatzanspruch den Wert dieser Nacherfüllung abbilden. Beruft sich der Verkäufer berechtigterweise auf § 439 IV BGB, kann der Käufer gem. § 440 BGB zurücktreten, mindern oder auch Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Dessen Höhe richtet sich dann aber nur nach dem Minderwert der Leistung und eben nicht nach dem Wert der – sie ist ja unverhältnismäßig – Nacherfüllung. FAZIT Die Entscheidung enthält wichtige Fortentwicklungen gefestigter Rechtsprechung des BGH. Zum einen bleibt der V. Zivilsenat dabei, dass Käufer von Bestandsimmobilien beim kleinen Schadensersatz statt der Leistung „fiktiv“ abrechnen dürfen. Einen Abzug „neu für alt“ müssen sie nicht hinnehmen, wenn durch die Nachbesserung eine Wertsteigerung eintritt. Eine Überkompensation verhindert § 439 IV BGB, der im Falle der Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung dafür sorgt, dass sich der Schadensersatzanspruch des Käufers auf den Ersatz des mangelbedingten Minderwerts beschränkt, weil der Schadensersatzanspruch immer an die Stelle des geschuldeten Nacherfüllungsanspruchs tritt und sich die Schadenshöhe stets danach richtet. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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