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RA Digital - 09/2016

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460 Zivilrecht

460 Zivilrecht RA 09/2016 Problem: Unangemessene Klausel gem. § 307 I 1 BGB trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 309 Nr. 13 BGB Einordnung: Schuldrecht BGH, Urteil vom 14.07.2016 III ZR 387/15 LEITSATZ Eine Klausel, die den Anforderungen des § 309 Nr. 13 BGB entspricht, ist im Regelfall auch mit § 307 BGB vereinbar. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. Besonderheiten eines Vertrags können zu einer Unwirksamkeit der beanstandeten Klausel nach § 307 I 1 BGB trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 309 Nr. 13 BGB führen. So, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Es bedarf dabei einer umfassenden Würdigung der wechselseitigen Interessen, wobei die Abweichung vom dispositiven Recht Nachteile von einigem Gewicht begründen muss und Gegenstand, Zweck und Eigenart des Vertrags mit zu berücksichtigen sind. EINLEITUNG Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind vertragliche Klauseln, die zur Standardisierung und Konkretisierung von Massenverträgen dienen. Sie werden von einer Vertragspartei einseitig gestellt und bedürfen daher einer besonderen Kontrolle, um ihren Missbrauch zu verhindern. Ihre Prüfung in der Examensklausur gilt als Standardwissen. Es ist Lernstoff, der sichere Kenntnisse voraussetzt. SACHVERHALT Der Kläger (K) ist ein nach § 3 I 1 Nr. 1, 4 UKlaG qualifizierter Verbraucherschutzverband. Die Beklagte (B) betreibt verschiedene Telemediendienste, darunter eine Partnervermittlung über die Internetseite www.partnervermittlung.de. In Klausel Nr. 7 II der hierfür zugrunde gelegten AGB heißt es: „Die Kündigung der VIP- und/oder Premium-Mitgliedschaft bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (eigenhändige Unterschrift) und ist z.B. per Fax oder per Post an B (Adresse siehe Impressum) zu richten; die elektronische Form ist ausgeschlossen.“ K hält diese Regelung nach § 309 Nr. 13 BGB für unwirksam und verlangt von B die Unterlassung ihrer Verwendung. Sie schränke die Möglichkeiten zur Schriftformwahrung bei einer Kündigung durch den Kunden unzulässig ein und erschwere so die Vertragsauflösung. Zudem liege darin eine unangemessene Benachteiligung des Kunden, zumal B die fristlose Kündigung gem. Nr. 8 per E-Mail aussprechen und den Widerruf gem. Nr. 11 a) auch in „Textform (Brief, Fax, E-Mail)“ erklären dürfe. Zudem erfolge sowohl das Zustandekommen als auch die gesamte Durchführung des Vertragsverhältnisses auf rein elektronischem Weg. Zu Recht? Jura Intensiv PRÜFUNGSSCHEMA A. Anspruch des K gegen B auf Unterlassung gem. § 1 UKlG I. Anspruchsberechtigung II. Verwendung einer unwirksamen Klausel 1. Kontrollfähigkeit gem. § 307 III 1 BGB 2. Verstoß gegen § 309 Nr. 13 BGB 3. Verstoß gegen § 307 I 1 BGB B. Ergebnis LÖSUNG A. Anspruch des K gegen B auf Unterlassung gem. § 1 UKlaG K könnte gegen B einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung von Klausel Nr. 7 II gem. § 1 UKlaG haben. Inhaltsverzeichnis

RA 09/2016 Zivilrecht 461 I. Anspruchsberechtigung Der Kläger (K) ist ein nach § 3 I 1 Nr. 1, 4 UKlaG qualifizierter Verbraucherschutzverband und damit zur Geltendmachung des aus § 1 UKlaG folgenden Unterlassungsanspruchs berechtigt. II. Verwendung einer unwirksamen Klausel Weiterhin müsste es sich bei der Klausel Nr. 7 II um eine AGB handeln, die nach den §§ 307-309 BGB unwirksam ist. 1. Kontrollfähigkeit gem. § 307 III 1 BGB Gem. § 307 III 1 BGB unterliegen der Inhaltskontrolle nur solche Bedingungen, die von dispositiven Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzende Regelungen enthalten. Ausweislich der Klausel Nr. 7 II bedarf die Kündigung des Partnervermittlungsvertrags zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform und ist u.a. per Fax oder per Post an B zu richten. Die elektronische Form ist ausgeschlossen. Das BGB sieht solche Erfordernisse für die Kündigung eines Partnervermittlungsvertrags i.S.d. § 656 BGB analog nicht vor. Die Klausel kann folglich auf ihren Inhalt gem. den §§ 307-309 BGB kontrolliert werden. 2. Verstoß gegen § 309 Nr. 13 BGB In Betracht kommt ein Verstoß gegen § 309 Nr. 13 BGB. Danach ist eine Bestimmung in AGB unwirksam, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, an eine strengere Form als die Schriftform oder an besondere Zugangserfordernisse gebunden werden. „[8] Ob die fragliche Klausel bereits gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 13 BGB in der noch bis zum 30. September 2016 geltenden Fassung verstößt, braucht der Senat nicht entscheiden. (Nach der ab dem 01.10.2016 für von diesem Zeitpunkt an geschlossene Verträge geltenden Fassung kann für Erklärungen von Verbrauchern, die, wie die Kündigung, gegenüber dem Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Dritten abzugeben sind, allenfalls noch die Textform, nicht aber die Schriftform wirksam vorgegeben werden.)“ Jura Intensiv 3. Verstoß gegen § 307 I 1 BGB Zu prüfen ist vielmehr, ob ein Verstoß gegen § 307 I 1 BGB vorliegt. Danach sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen im Sinne des § 307 I 1 BGB ist eine Benachteiligung, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Kündigung eines Partnervermittlungsvertrags analog § 656 BGB sieht kein Schriftformerfordernis vor Der BGH musste vorliegend zur Unwirksamkeit der Klausel aufgrund des § 309 Nr. 13 BGB keine Stellung beziehen, da er im nächsten Schritt eine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 I 1 BGB bejaht. Selbst wenn kein Verstoß gegen § 309 Nr. 13 BGB vorliegt, kann die Klausel trotzdem nach § 307 I BGB unwirksam sein. Definition und Prüfungsmaßstab zur Bestimmung einer unangemessenen Benachteiligung i.S.d. § 307 I 1 BGB „[9] Es bedarf dabei einer umfassenden Würdigung der wechselseitigen Interessen, wobei die Abweichung vom dispositiven Recht Nachteile von einigem Gewicht begründen muss und Gegenstand, Zweck und Eigenart des Vertrags mit zu berücksichtigen sind. [10] Gemessen daran trägt die Beklagte mit Nr. 7 II ihrer AGB den Interessen ihrer Kunden nicht ausreichend Rechnung; die Klausel benachteiligt gerade im Hinblick auf die besondere Art des Zustandekommens und der gesamten Abwicklung des Vertrags die Vertragspartner unangemessen. Inhaltsverzeichnis

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