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RA Digital - 09/2016

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466 Referendarteil:

466 Referendarteil: Zivilrecht RA 09/2016 Rechtsauffassungen der Parteien (z.B. meint, ist der Auffassung), die aufgenommen werden können, wenn sonst kein streitiger Vortrag vorliegt, stehen ebenfalls im Präsens Konjunktiv. Um das Problem der Beweislastumkehr besser zu verdeutlichen, empfiehlt sich hier die Aufnahme dieser Rechtsansicht. Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils. Ein solches steht, wenn die Voraussetzungen vorliegen, im Ermessen des Gerichts. Hinsichtlich des Feststellungsantrags ist das Grundurteil sogar ein Endurteil; es handelt sich also um ein Teil-Grundurteil hinsichtlich der Leistungsklage und ein Teil-Endurteil hinsichtlich der Feststellungsklage (siehe dazu Zöller-Vollkommer, ZPO, § 304, Rn 3). Darstellung des Behandlungsfehlers und Untersuchung, ob es sich um einen groben Behandlungsfehler handelt Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für die Rechtsgutsverletzung Prüfung einer Analogie zur (relativ neuen) gesetzlichen Regelung der Beweislastumkehr: Es fehlt an einer unbewussten Regelungslücke. Hierfür wurden primär die Gesetzgebungsmaterialien untersucht. Er ist der Auffassung, dass entgegen der Meinung der Klägerin keine Beweislastumkehr zu Gunsten des geschädigten Tierhalters bzw. Tiereigentümers anzunehmen sei. Die für die humanmedizinische Behandlung von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Beweislastumkehr könnten nicht auf die veterinärmedizinische Behandlung übertragen werden. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig und auch dem Grunde nach begründet. Da vorliegend zwischen den Parteien der Anspruch nach Grund und Betrag streitig war, konnte das Gericht gem. § 304 I ZPO durch Zwischenurteil über den Grund entscheiden. Dabei ist auch der Feststellungsantrag zu Ziffer 2 zulässig; diesbezüglich ergeht ein Endurteil. Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 256 I ZPO, insbesondere das Feststellungsinteresse, liegen vor. Es besteht ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung des Bestehens einer weitergehenden Schadensersatzpflicht, da es nach ihrem schriftsätzlichen Vortrag nicht ausgeschlossen ist, dass noch weiterer Schaden entsteht. Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch gegen den Beklagten auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzung aus einem tierärztlichen Behandlungsvertrag gemäß § 280 I BGB. Daher ist die Feststellungsklage auch begründet. Dem Beklagten ist ein grober Verstoß gegen die Pflichten aus dem tierärztlichen Behandlungsvertrag zur Last zu legen. Denn am 08.07.2010 lag eine Fissur der Tibia hinten rechts vor, die sich bis zum 14.07. 2010 zu einer vollständigen Fraktur entwickelte, und in deren Folge das Pferd euthanasiert werden musste. Diesbezüglich liegt ein Befunderhebungsfehler vor, da der Beklagte keine Lahmheitsuntersuchung im Trab durchgeführt hat. Diese hätte mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Funktionsbeeinträchtigung der rechten Hinterhand des Pferdes ergeben, was den Beklagten zu weiterer Diagnostik und entsprechenden Vorkehrungen hätte veranlassen müssen. Es wäre nach dem Befund der Funktionsbeeinträchtigung zwingend erforderlich gewesen, strikte Boxenruhe sowie Maßnahmen zu verordnen, die geeignet gewesen wären, ein Hinlegen des Pferdes weitestgehend zu verhindern. Das Unterlassen dieser Maßnahmen war grob fehlerhaft gewesen. Bei der Fissur handelte es sich um eine besonders naheliegende Verletzungsfolge mit der Gefahr schwerwiegender Komplikationen, da eine vollständige Tibiafraktur regelmäßig zu einem tödlichen Verlauf führt. Dies war zwischen den Parteien unstreitig. Jura Intensiv Der Befunderhebungs- bzw. Beratungspflichtfehler war auch kausal für die Rechtsgutsverletzung in Form des Versterbens des Hengstes. Aufgrund der Unaufklärbarkeit des Kausalverlaufs ist eine Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin für die haftungsbegründende Kausalität geboten. Dies folgt zwar nicht aus einer analogen Anwendung des § 630h V BGB auf den veterinärmedizinischen Behandlungsvertrag, weil es für die Annahme einer Analogie an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Anhaltspunkte dafür lassen sich der Gesetzesbegründung zum Patientenrechtegesetz (BT- Drucks. 17/10488) nicht entnehmen und sind auch aufgrund der Intention des Gesetzgebers, die Rechte der Patienten zu verbessern, nicht ersichtlich. Inhaltsverzeichnis

RA 09/2016 Referendarteil: Zivilrecht 467 Zudem sprechen gewichtige Gründe gegen eine pauschale Übernahme der für den humanmedizinischen Behandlungsvertrag entwickelten Grundsätze zur Beweislastumkehr bei Vorliegen eines groben Behandlungs- oder Befunderhebungsfehlers für eine tierärztliche Behandlung. Anders als bei einem Menschen ist der behandelnde Tierarzt in weit größerem Maß auf indirekte Rückschlüsse zur Krankheits- bzw. Verletzungsursache und zum Behandlungsverlauf angewiesen. Es ist daher im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Gründe, die beim humanärztlichen Behandlungsvertrag eine Beweislastumkehr rechtfertigten, auch im konkreten tierärztlichen Behandlungsvertrag eine Beweislastumkehr zu begründen vermögen. Dies ist hier zu bejahen. „[11] Im humanmedizinischen Bereich führt ein grober Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, regelmäßig zur Umkehr der objektiven Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden. Bei einem Befunderhebungsfehler tritt eine Beweislastumkehr hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität ein, wenn bereits die Unterlassung einer aus medizinischer Sicht gebotenen Befunderhebung einen groben ärztlichen Fehler darstellt.“ [11] Die beweisrechtlichen Konsequenzen aus einem grob fehlerhaften Behandlungsgeschehen folgen nicht aus dem Gebot der prozessrechtlichen Waffengleichheit. Sie knüpfen vielmehr daran an, dass die nachträgliche Aufklärbarkeit des tatsächlichen Behandlungsgeschehens wegen des besonderen Gewichts des Behandlungsfehlers und seiner Bedeutung für die Behandlung in einer Weise erschwert ist, dass der Arzt nach Treu und Glauben - also aus Billigkeitsgründen - dem Patienten den vollen Kausalitätsnachweis nicht zumuten kann. Die Beweislastumkehr soll einen Ausgleich dafür bieten, dass das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen wegen der elementaren Bedeutung des Fehlers besonders verbreitert oder verschoben worden ist.“ Jura Intensiv Es kann nur ein Vergleich der Funktionen ergeben, inwieweit Tierarzt und Humanmediziner rechtlich verschieden oder gleich zu behandeln sind. Danach finden auch bei der veterinärmedizinischen Behandlung bei einem groben Behandlungsfehler, insbesondere auch bei einem Befunderhebungsfehler, die für die humanmedizinische Behandlung entwickelten Grundsätze zur Beweislastumkehr Anwendung. „[15] aa) Beide Tätigkeiten beziehen sich auf einen lebenden Organismus, bei dem der Arzt zwar das Bemühen um Helfen und Heilung, nicht aber den Erfolg schulden kann. Gerade wegen der Eigengesetzlichkeit und weitgehenden Undurchschaubarkeit des lebenden Organismus kann ein Fehlschlag oder Zwischenfall nicht allgemein ein Fehlverhalten oder Verschulden des Arztes indizieren. Im Hinblick darauf kommt dem Gesichtspunkt, die Beweislastumkehr solle einen Ausgleich dafür bieten, dass das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen wegen der elementaren Bedeutung des Fehlers besonders verbreitert oder verschoben worden ist, auch bei der tierärztlichen Behandlung eine besondere Bedeutung zu. Auch der grob fehlerhaft handelnde Tierarzt hat durch einen schwerwiegenden Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Beweislastumkehr ist möglich, hängt aber jeweils von einer Prüfung im Einzelfall ab. vgl. etwa BGH, Urteil vom 27.04.2004, VI ZR 34/03 vgl. BGH, Urteil vom 24.02. 2015, VI ZR 106/13 Gründe für die Beweislastumkehr: nicht – wie üblich – die prozessuale Waffengleichheit, sondern Unzumutbarkeit des vollen Nachweises nach Treu und Glauben. vgl. BGH, Urteil vom 26.03.2013, VI ZR 109/12 Prüfung der Beweislastumkehr im konkreten Fall Wegen der Besonderheiten des Organismus kann nicht jeder Misserfolg pauschal dem Arzt angelastet werden (es liegt ja auch kein Werkvertrag vor). siehe dazu BGH, Urteil vom 15.03.1977, VI ZR 201/75 Inhaltsverzeichnis

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