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RA Digital - 09/2016

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480 Öffentliches Recht

480 Öffentliches Recht RA 09/2016 Verhinderung der Ausnutzung einer Zwangslage Geeignetheit = Zweckförderlichkeit Problem: Vermieter legt die Maklerkosten evtl. auf die Miete um Inhaltliche Prüfung der 3-Stufen- Theorie Alternative 1: „Echtes“ Bestellerprinzip aa) Legitimes Ziel und Geeignetheit Legitimes Ziel des Gesetzes ist es, die Wohnungssuchenden vor der Ausnutzung faktischer Zwangslagen zu schützen. Gerade in Gebieten mit angespannten Mietwohnungsmärkten nehmen Vermieter die Dienste von Wohnungsvermittlern im eigenen Interesse in Anspruch, wälzen die Kosten aber auf die Wohnungssuchenden ab. Auf die Höhe der Maklercourtage können die Mieter in diesen Gebieten in der Regel keinen Einfluss nehmen, sodass vor allem wirtschaftlich schwächere Wohnungssuchende finanziell überfordert sein können. Geeignet sind die gesetzlichen Regelungen, wenn sie die Realisierung des gesetzgeberischen Ziels fördern. „[70] Die Eignung der Neuregelung lässt sich nicht deshalb in Zweifel ziehen, weil Vermieter, die sich ihrerseits weiterhin uneingeschränkt zur Provisionszahlung verpflichten können, ihre durch Bezahlung eines Maklers entstandenen Kosten bei der Kalkulation der Miete berücksichtigen und auf diese Weise bei Mietern ganz oder in Teilen refinanzieren können. Zum einen kann eine solchermaßen erhöhte Wohnungsmiete durchaus an Grenzen stoßen, etwa sofern die Vorschriften zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d ff. BGB Mietpreisbremse) zur Wirkung kommen sollten. Zum anderen bleiben Vermieter stets mit der Vorlage der Maklerkosten sowie den Ungewissheiten der Durchsetzbarkeit höherer Mieten belastet, so dass sie möglicherweise auf die Einschaltung eines Wohnungsvermittlers ganz verzichten und die Mietersuche selbst übernehmen werden. Selbst wenn Vermieter eine Überwälzung der Maklerkosten durch höhere Miete durchsetzen können, wird der vom Gesetzgeber erstrebte Ausgleich nicht gänzlich verfehlt. Als Vorteil verbleibt den Wohnungssuchenden dann zumindest, dass die Maklerkosten nicht wie bei der direkten Zahlung der Courtage sofort in voller Höhe und zeitgleich mit weiteren finanziellen Belastungen bei Beginn des Mietverhältnisses aufgebracht werden müssen. […]“ Jura Intensiv Somit sind die Vorschriften des Mietrechtsnovellierungsgesetzes geeignet. bb) Erforderlichkeit Erforderlich ist eine Vorschrift, wenn es kein gleich geeignetes, milderes Mittel gibt, um die Ziele des Gesetzgebers zu erreichen. Die Drei-Stufen-Theorie verlangt in diesem Zusammenhang die Prüfung, ob das verfolgte Ziel durch einen Eingriff auf einer niedrigeren Stufe erreicht werden kann bzw. - wenn dies nicht möglich ist - ob auf derselben Stufe ein milderes Mittel zu Verfügung steht. Als Alternative zu der von dem Gesetzgeber gewählten Lösung kommt das sog. „echte“ Bestellerprinzip in Betracht, wonach derjenige als Besteller der Vermittlungsdienste anzusehen ist, der in zeitlicher Hinsicht zuerst an den Makler herantritt. „[72] […] Angesichts der Marktverhältnisse lässt sich eine vergleichbare Wirksamkeit dieses Prioritätsprinzips nicht […] eindeutig feststellen. Aufgrund der Marktmacht der Vermieter erscheint vielmehr die Annahme einleuchtend, dass Mietinteressierte, um bei der Wohnungssuche erfolgreich sein zu können, sich ungeachtet der tatsächlichen Abläufe oftmals in die Position derjenigen drängen lassen müssen, die den ersten Kontakt zu einem Wohnungsvermittler hergestellt haben. […]“ Inhaltsverzeichnis

RA 09/2016 Öffentliches Recht 481 Möglicherweise wäre es zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels aber auch ausreichend, die Provisionshöhe gesetzlich zu begrenzen. „[74] […] Um Einsparungen zu erzielen, die insgesamt im Bereich der vom Gesetzgeber mit Einführung des Bestellerprinzips prognostizierten 573,52 Millionen Euro liegen, könnte im Einzelfall nur noch eine Provisionshöhe zugelassen werden, die eine Vermittlung von Wohnraum im Auftrag des Wohnungssuchenden weitgehend unrentabel machen müsste. […]“ Als weitere Alternativlösung ist eine regionale Begrenzung des Bestellerprinzips auf Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten in Erwägung zu ziehen. „[75] […] Seine Annahme, dass Vermieter außerhalb angespannter Wohnungsmärkte jedenfalls nicht zwingend über die Marktmacht verfügen, um die Vermittlungsprovision auf den Wohnungssuchenden abwälzen zu können, ist nicht zu beanstanden. Eine zusätzliche Belastung der Vermieter in diesen Regionen konnte der Gesetzgeber daher als gering einschätzen. Die Vermieter sind dort ohnehin in größerem Umfang mit dem Vermittlungsentgelt belastet, ohne dies an die Wohnungssuchenden weitergeben zu können. Verfügt ein Vermieter hingegen ausnahmsweise doch über eine derart starke Verhandlungsposition, dass ihm die Abwälzung der Maklerprovision auf Wohnungssuchende möglich ist, erscheint es mit Blick auf das gesetzgeberische Ziel auch gerechtfertigt, den Schutz des Bestellerprinzips außerhalb angespannter Wohnungsmärkte greifen zu lassen.“ Die Erforderlichkeit könnte schließlich aufgrund der sog. Ausschließlichkeitsregel in Zweifel zu ziehen sein. D.h. die Neuregelung lässt sich so verstehen, dass der Makler auch dann keinen Provisionsanspruch hat, wenn er für mehrere Wohnungssuchende tätig wird, die ihn jeweils gesondert mit der Wohnungsvermittlung beauftragt haben. Jura Intensiv „[81] […] Zwar wird der Wohnungsvermittler hier im Interesse der einzelnen Wohnungssuchenden und auf deren Initiative hin eingeschaltet, sein Tätigwerden liegt aber auch im Interesse des Vermieters, dem er im Fall der Mehrfachbeauftragung nicht nur einen Interessenten vorstellen, sondern eine Auswahl unter mehreren Bewerbern ermöglichen kann, die nach den vom Vermieter bestimmten Maßstäben geeignet sind. Die Chance, ohne großen eigenen Suchaufwand unter mehreren grundsätzlich geeigneten Mietinteressierten den aus seiner Sicht besten Vertragspartner auszuwählen, ist für den Vermieter aber regelmäßig der Grund dafür, seine Wohnung einem Makler mit dem Ziel einer optimalen Vermietung an die Hand zu geben. Ein Tätigwerden des Wohnungsvermittlers gleichermaßen für mehrere Wohnungssuchende geht daher typischerweise auch mit einem Interesse des Vermieters an der Maklertätigkeit einher. […]“ Ähnlich gelagert ist die Situation im Fall der Vorbefassung. Hier bietet der Makler die Wohnung nach einem erfolglosen Vermittlungsversuch einem weiteren Mietinteressenten an. Da er nicht für einen einzigen Wohnungssuchenden tätig geworden ist, steht ihm bei einem extensiven Verständnis der Ausschließlichkeitsregel dann aber kein Provisionsanspruch zu. Alternative 2: Gesetzliche Kappung der Maklerprovision Vgl. BT-Drs. 18/3121, S. 26 Alternative 3: Räumliche Begrenzung des Bestellerprinzips Vgl. BT-Drs. 18/3121, S. 16 Alternative 4: Ausnahme vom Bestellerprinzip bei Mehrfachbeauftragungen Alternative 5: Ausnahme vom Bestellerprinzip bei Vorbefassung Inhaltsverzeichnis

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