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RA Digital - 09/2017

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490 Referendarteil:

490 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 09/2017 Rechtsgrundlagen Mangels spezieller Vorschriften in der GewO ist Art. 49 BayVwVfG anwendbar, der inhaltlich identisch ist mit § 49 VwVfG des Bundes. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 49 Rn 35 In einer Klausur dürfte das natürlich nicht offen gelassen werden. Beachte: Es liegt kein Austausch der Ermächtigungsgrundlage vor, da die Behörde ihre Entscheidung auf Art. 49 II 1 Nr. 1 und 3 BayVwVfG gestützt hat. In den Klausuren wird erwartet, dass die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen zunächst wörtlich wiedergegeben werden, bevor sie ausgelegt und der Sachverhalt subsumiert wird. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 49 Rn 47 Subsumtion des Sachverhalts Rechtliche Grundlage für die Anordnung des Widerrufs ist zum einen der im Bescheid vom 28. September 2010 ausdrücklich vorbehaltene Widerruf (vgl. Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2, Art. 36 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG) als auch die Bestimmung in Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG i.V.m. § 33 i Abs. 2 Nr. 1, § 33c Abs. 2 Nr. 1 GewO. Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2, Art. 36 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG gestattet den Widerruf einer Erlaubnis durch die Behörde nur nach Maßgabe des Widerrufsvorbehalts, insbesondere unter Beachtung darin enthaltener Beschränkungen oder näherer Voraussetzungen. Der Widerruf darf zudem nur aus den in den betreffenden Rechtsvorschriften vorgezeichneten Zwecken und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Ob der gegenüber dem Antragsteller ausgesprochene Widerruf hier auf den im Bescheid vom 28. September 2010 ohne weitere inhaltliche Voraussetzungen zugelassenen Widerrufsvorbehalt gestützt werden kann, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn jedenfalls liegen nach Auffassung der Kammer die Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG i.V.m. § 33c Abs. 2 Nr. 1 GewO zu Lasten des Antragstellers vor, die einen Widerruf in der Sache rechtfertigen. Nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. § 33i Abs. 2 Nr. 1 GewO bestimmt weiter, dass eine glücksspielrechtliche Erlaubnis dann zu versagen ist, wenn die in § 33c Abs. 2 Nr. 1 oder § 33d Abs. 3 GewO genannten Versagungsgründe vorliegen. Nach § 33c Abs. 2 GewO ist die Erlaubnis für die Aufstellung von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der jeweilige Antragsteller die für die Aufstellung von Spielgeräten erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt; die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt in der Regel nicht, wer in den letzten drei Jahren vor Stellung des Antrages wegen eines Verbrechens, wegen Diebstahls, Unterschlagung, Erpressung, Hehlerei, Geldwäsche, Verschleierung, unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte, Betrugs, Untreue, unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels, Beteiligung am unerlaubten Glücksspiel oder wegen eines Vergehens nach § 27 des Jugendschutzgesetzes rechtskräftig verurteilt worden ist. Jura Intensiv Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG verlangt zunächst eine Änderung der maßgeblichen Tatsachengrundlage, die die Behörde nunmehr dazu berechtigen würde, die entsprechende Erlaubnis nicht zu erteilen. Die Änderung der Tatsachen muss demnach dazu führen, dass die Behörde nunmehr berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. [...] Dies ist dann der Fall, wenn infolge der Änderungen die Voraussetzungen der Rechtsnorm nicht mehr vorliegen, der Verwaltungsakt also nicht mehr erlassen werden dürfte. Vorliegend hat die Antragsgegnerin ihren Widerruf maßgeblich auf die Verurteilung des Antragstellers im rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichtes ... vom 2. November 2016 [...] gestützt. Wären diese Vorfälle, die zur rechtskräftigen Verurteilung des Antragstellers im vorbezeichneten Urteil geführt haben, der Antragsgegnerin bei Erteilung der glücksspielrechtlichen Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 09/2017 Referendarteil: Öffentliches Recht 491 Erlaubnis im Jahr 2010 bekannt gewesen, wäre sie gestützt auf § 33i Abs. 2, § 33c Abs. 2 Nr. 1 GewO berechtigt gewesen, die beantragte Erlaubnis nach § 33i Abs. 1 GewO zu versagen. [...] Gemäß § 33i Abs. 2 Nr. 1 GewO, § 33c Abs. 2 Nr. 1 GewO ist die Erlaubnis grundsätzlich zwingend zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der jeweilige Antragsteller die für den Gewerbebetrieb – hier Aufstellen von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit – erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Dass es sich bei der den Antragsteller betreffenden Straftat nach § 266a StGB – Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt – nicht um eine in § 33c Abs. 2 Nr. 1 GewO genannte Straftat handelt, die in der Regel zur Versagung der erforderlichen Zuverlässigkeit führt, ist hierbei unerheblich. Die Antragsgegnerin hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass auch die den Antragsteller betreffende Straftat des § 266a StGB im 22. Abschnitt des StGB „Betrug und Untreue“ geregelt ist und es sich bei den durchaus vergleichbaren Straftaten nach § 263 StGB bzw. § 266 StGB um Regelversagungsgründe handelt. Letztlich bedarf dies jedoch keiner vertiefenden Betrachtung, da auch nach der strafrechtlichen Verurteilung des Antragstellers zugrunde liegenden Straftat von einer Unzuverlässigkeit des Antragsteller auszugehen ist. Zutreffend hat die Antragsgegnerin die in der Vergangenheit eingetretenen Tatsachen dahingehend beurteilt, dass diese auf eine Unzuverlässigkeit des Antragstellers in der Zukunft schließen lassen. Dies insbesondere aufgrund der Tatsache, dass der Antragsteller über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren [...] in 82 Fällen durch Nichtabführen von Sozialversicherungsabgaben einen Gesamtschaden in Höhe von 43.160,39 EUR zu Lasten der jeweiligen Sozialversicherungsträger verursacht hat. Die in der Verurteilung zum Ausdruck kommende Schwere der tat, die Höhe des zunächst verursachten Gesamtschadens […] wie auch insbesondere die Tatsache, dass der Antragsteller sämtliche Vergehen in Ausübung seines Gewerbes vorgenommen hat, lassen die gewerberechtliche Zuverlässigkeit des Antragstellers entfallen. [...] Auch die […] zumindest teilweise erfolgte Schadenskompensation kann letztlich kein anderes Ergebnis rechtfertigen. Zwar hat sich der Antragsteller insoweit zumindest um teilweise Schadensminderung bemüht, was anzuerkennen ist, jedoch kann das erst nach Urteilsspruch erfolgte Tätigwerden das über einen längeren Zeitraum erfolgte kriminelle Tun des Antragstellers, welches auch keinem Augenblicksversagen entsprochen hat, nicht unberücksichtigt lassen. Jura Intensiv Auch die vom Amtsgericht ... zugunsten des Antragstellers erfolgte Strafaussetzung zur Bewährung [...] lässt die Unzuverlässigkeit des Antragstellers nicht entfallen. Denn zum einen erfolgte die Strafaussetzung zur Bewährung lediglich aufgrund der Tatsache fehlender bzw. nicht einschlägiger Vorstrafen. Im Übrigen sagt eine vom Strafgericht ausgestellte günstige Sozialprognose nichts über die gewerberechtliche Zuverlässigkeit aus. Denn nach § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine weiteren Straftaten mehr begehen wird. Demgegenüber fordert die gewerberechtliche Zuverlässigkeit, dass der Betreffende die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß führt. Der Begriff der Unzuverlässigkeit muss in der Klausur definiert werden, bevor die Subsumtion erfolgt. Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt. Die gewerberechtlichen Regelungen normieren nicht abschließende Regelbeispiele, bei deren Vorliegen üblicherweise von einer Unzuverlässigkeit auszugehen ist. Diese sind bei der Frage, ob von einer Unzuverlässigkeit auszugehen ist, vorrangig zu prüfen. Liegt kein Regelbeispiel vor bzw. bestehen Zweifel, ob von einem solchen ausgegangen werden kann, ist auf die allgemeine Unzuverlässigkeitsformel zurückzugreifen. Unzuverlässigkeitsprognose verlangt eine genaue Auflistung der Verfehlungen in der Vergangenheit und das Aufzeigen des Bezugs zur Gewerbeausübung. Typische Formulierung, um Einwände der Beteiligten abzuarbeiten. Der – im Ergebnis regelmäßig nicht erfolgreiche – Einwand der Wiedergutmachung des Schadens wird von den Betroffenen typischerweise gegen die Unzuverlässigkeit erhoben. Auch die Bewährung wird von den Betroffenen regelmäßig als (erfolgloses) Argument gegen die Unzuverlässigkeit angeführt. Denn die Prognose im Rahmen der Aussetzung einer Strafe zur Bewährung unterscheidet sich von der bei der Prüfung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit anzustellenden Prognoseentscheidung. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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