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RA Digital - 09/2018

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458 Zivilrecht

458 Zivilrecht RA 09/2018 Das Bereitsstellen der Buchungsmöglichkeit auf der Internetseite stellt eine bloße invitatio ad offerendum dar. Das Anklicken des Kunden ist ein verbindliches Angebot, wenn es über eine Schaltfläche erfolgt, die § 312j III BGB entspricht. Abzugrenzen ist die Annahme von der Eingangsbestätigung i.S.d. § 312i I 1 Nr. 3 BGB, siehe AG Plettenberg, RA 2018, 62. Die Beschreibung „Super Sicht“ wurde von den Parteien als Beschaffenheit i.S.d. § 434 I 1 BGB vereinbart. Dafür spricht die Aufforderung in der E-Mail, „verbindlich“ zu bestätigen. Entscheidend für das Gericht: Alle anderen Angaben wurden Vertragsbestandteil. „[28] Mit der über ihre Internetseite bereit gestellten Buchungsmaske bedient sich B eines Tele- oder Mediendienstes, den potentielle Kunden individuell elektronisch zum Zwecke einer Bestellung abrufen können und mit dem diese ihre Bestellung auch wiederum elektronisch an die B übermitteln können. [29] Das Zustandekommen eines Vertrages auf elektronischem Weg richtet sich mangels einer besonderen Regelung nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 145 ff. BGB. [30] Bei den über die Buchungsmaske buchbaren Konzertkarten handelt es sich nicht um ein verbindliches Angebot nach § 145 BGB. Das Bereitstellen der Buchungsmöglichkeit auf der Internetseite der B stellt vielmehr eine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (sog. Invitatio ad offerendum) dar, da der Betreiber der Internetseite regelmäßig zunächst überprüft, ob sein Vorrat ausreicht und die Gelegenheit haben muss, zu untersuchen, ob gegen den interessierten Kunden Bedenken jedweder Art bestehen. Dieses System hat sich bisher im Bereich des Internetkaufs im Allgemeinen sowie beim Kartenkauf im speziellen etabliert, sodass K als zukünftiger Kunde nach Treu und Glauben davon ausgehen muss, dass seine Bestellung über die Buchungsmaske noch durch den Kartenhändler angenommen werden muss. Demzufolge gibt K durch das Anklicken der gewünschten Kartenkategorie sein Angebot für die Konzertkarten ab. [31] Die Annahme des Vertragsschlusses erfolgte in Form der Bestätigungsnachricht durch die Email vom 14.09.2017, unter der Bedingung der rechtzeitigen Kaufpreiszahlung, § 158 I BGB.“ K zahlte den Kaufpreis noch am selben Tag, sodass zwischen den Parteien am 14.09.2017 ein wirksamer Kaufvertrag über zwei Karten für das streitgegenständliche Konzert zustande gekommen ist. III. Mangel bei Gefahrübergang Zudem müssten die Konzertkarten bei Gefahrübergang gem. § 446 BGB mangelhaft gewesen sein. In Betracht kommt ein Mangel nach § 434 I 1 BGB. Dies setzt voraus, dass die Karten nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweisen. Jura Intensiv „[32] Da die Annahmeerklärung inhaltlich eine vorbehaltlose Bejahung des Angebots darstellt, ist die Eigenschaft „Super Sicht“ Vertragsbestandteil geworden. [33] Entgegen der Ansicht der B dient die Beschreibung „Super Sicht“ nicht lediglich dazu, dem Kunden zu signalisieren, dass er eine gute Sicht habe und um dadurch seine Vorfreude zu steigern. Vielmehr ist in der Email die Rede davon, dass man die aufgeführten Eigenschaften „verbindlich bestätigen“ möchte. Neben der Eigenschaft „Super Sicht“ ist die spielende Musikgruppe, der Termin der Veranstaltung, der Veranstaltungsort, die gebuchte Sitzplatzkategorie, die Anzahl der Karten, der Preis der einzelnen Karte, der Gesamtpreis der Karten sowie die Höhe der sogenannten Zustellgebühr enthalten. Diese Merkmale sind alle Vertragsbestandteil geworden. Es ist deshalb für das Gericht nicht nachvollziehbar, warum einzig die Eigenschaft „Super Sicht“ nicht Vertragsbestandteil sein soll, denn insbesondere die Sicht auf die Bühne ist gerade bei Konzertbesuchen ein wichtiges Kriterium. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 09/2018 Zivilrecht 459 [34] Selbst wenn man unterstelle, die Eigenschaft „Super Sicht“ habe K auf der Internetseite nicht gebucht, wäre die Annahmeerklärung durch B vom 14.09.2017 eine abändernde Annahme i.S.d. § 150 II BGB und stellte einen neuen Antrag mit dem Inhalt „Super Sicht“ dar. Diesen Antrag hätte K wiederum durch Kaufpreiszahlung konkludent angenommen. [35] Die durch B gelieferten Karten sind mangelhaft, da sie die Eigenschaft „eingeschränkte Sicht“ haben, was die Parteien nicht vereinbarten, § 434 I 1 BGB. [36] Dass B behauptet, man hatte von den Sitzplätzen, für die die Karten geliefert wurden, in diesem Konzert eine ungehinderte direkte Sicht auf die Bühne, kann dahinstehen. [37] Aus dem Saalplan ergibt sich, dass die Besucher von diesen Plätzen jedenfalls keine „Super Sicht“ auf die Bühne haben, da sich die Sitzplätze seitlich zur Bühne, auf dem Oberrang und auf der Höhe der Bühne befinden, sodass diese Sicht, selbst bei ungehindertem direktem Blick auf die Bühne, lediglich einen seitlichen Blick darstellt, der nicht als hervorragend oder besonders gut angesehen werden kann, so dass man die Sicht als „super“ bezeichnen könnte. [38] Das Kriterium „Super Sicht“ verlangt letztendlich mehr, als nur eine ungehinderte Sicht auf die Bühne zu haben, vielmehr kommt es darauf an, aus welcher Höhe und aus welchem Blickwinkel man auf die Bühne - ungehindert - schauen kann. [39] Entscheidend ist vor allem, ob man eine frontale oder eine seitliche Sicht auf die Bühne hat.“ Mithin waren die beiden Konzertkarten mangelhaft i.S.d. § 434 I 1 BGB. IV. Fristsetzung gem. § 323 I BGB Mit Schreiben vom 25.10.2017 hat K der B gem. § 323 I BGB vor dem Rücktritt erfolglos eine ausreichende Frist von 14 Tagen gesetzt. V. Kein Ausschluss gem. § 323 V 2 BGB Es handelt sich vorliegend auch nicht um einen unerheblichen Mangel zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung. Der Rücktritt ist daher nicht gem. § 323 V 2 BGB ausgeschlossen. VI. Rücktrittserklärung gem. § 349 BGB K erklärte B mit Schreiben vom 17.11.2017 den Rücktritt. Jura Intensiv VII. Rechtsfolge Aufgrund des wirksamen Rücktritts sind die empfangenen Leistungen gem. § 346 I BGB zurückzugewähren. „Eingeschränkte Sicht“ Die von B an K versendeten Karten entsprachen nicht der vereinbarten Beschaffenheit. Letztlich bestimmt die Art der Sicht auf die Bühne die Preiskategorie. Im Gutachten ist es selbstverständlich auch erlaubt, die Prüfung mit der Rücktrittserklärung zu beginnen. Oft ist die Entscheidung, ob Rücktrittserklärung oder -grund vorangestellt werden, eine Geschmacksfrage. B. Ergebnis K hat gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung von 303,50 € gem. §§ 437 Nr. 2, 323, 346 I BGB. FAZIT Das deutsche Recht fand hier trotz des Geschäftssitzes in den Niederlanden Anwendung. Dem Käufer der Konzertkarten stand aufgrund der fehlenden vereinbarten Beschaffenheit das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht zu. Er konnte daher wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten und Rückzahlung des bereits geleisteten Kaufpreises verlangen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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