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RA Digital - 09/2018

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460 Zivilrecht

460 Zivilrecht RA 09/2018 Problem: Fristsetzung beim Schadensersatz für Vermieter Einordnung: Schuldrecht BGH, Urteil vom 27.06.2018 XII ZR 79/17 LEITSATZ Schäden an der Sachsubstanz der Mietsache, die durch eine Verletzung von Obhutspflichten des Mieters entstanden sind, hat dieser - auch nach Beendigung des Mietverhältnisses - nach §§ 280 I, 241 II BGB als Schadensersatz neben der Leistung nach Wahl des Vermieters durch Wiederherstellung (§ 249 I BGB) oder durch Geldzahlung (§ 249 II BGB) zu ersetzen, ohne dass es einer vorherigen Fristsetzung des Vermieters bedarf. EINLEITUNG Häufig kommt es nach dem Auszug eines Mieters zum Streit mit dem Vermieter, weil sich die Wohnung nach Ansicht des Vermieters nicht in dem von ihm gewünschten Zustand befindet. Es stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Vermieter in dieser Situation ein Schadensersatzanspruch gegen den Mieter zusteht. Umstritten ist vor allem, ob der Vermieter vor der Geltendmachung eine Frist zur Schadensbeseitigung setzen muss. Dies hängt von der Natur der Pflichtverletzung ab. SACHVERHALT Der Kläger (K) vermietet dem Beklagten (B) seit Januar 2010 eine Lagerfläche in einer Halle, um darin Rennsportfahrzeuge abzustellen. Nach Beendigung des Mietverhältnisses im Jahr 2015 erhält K das Mietobjekt in beschädigtem Zustand zurück. Der Fußboden der Halle ist durch Abtropfen von Schmierstoffen und Chemikalien sowie durch das Belassen von Sand, Split und Öl verschmiert und kontaminiert. Zudem befinden sich an der Wand Verschmutzungen von verschmierten Fingern bzw. Händen. Zur Beseitigung dieser Schäden muss K 2.900 € aufwenden. Diese verlangt er nun von B ersetzt. Eine Frist zur Beseitigung der Mängel hatte K dem B zuvor nicht gesetzt. Zu Recht? PRÜFUNGSSCHEMA A. K gegen B gem. §§ 280 I, 241 II BGB I. Schuldverhältnis II. Pflichtverletzung III. Verschulden IV. Schaden V. Ergebnis B. K gegen B gem. § 823 I BGB Jura Intensiv LÖSUNG A. K gegen B gem. §§ 280 I, 241 II BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 2.900 € gem. §§ 280 I, 241 II BGB haben. I. Schuldverhältnis Die Parteien schlossen im Januar 2010 einen wirksamen Mietvertrag i.S.d. § 535 BGB über eine Lagerfläche in einer Halle. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 09/2018 Zivilrecht 461 II. Pflichtverletzung B hat die Mietsache beschädigt zurückgegeben. Der Fußboden der Halle ist durch Abtropfen von Schmierstoffen und Chemikalien sowie durch das Belassen von Sand, Split und Öl verschmiert und kontaminiert. Zudem befinden sich an der Wand Verschmutzungen von verschmierten Fingern bzw. Händen. Im mietrechtlichen Schrifttum und in der Instanzrechtsprechung ist allerdings umstritten, ob der Vermieter bei Beschädigungen der Mietsache, die der Mieter durch Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs schuldhaft herbeigeführt hat oder die ihm zugerechnet werden können, nach der Rückgabe der Mietsache Schadensersatz unmittelbar nach §§ 280 I, 241 II BGB verlangen kann oder sich der Anspruch aus §§ 280 I, III, 281 I BGB ergibt, mit der Folge, dass der Vermieter dem Mieter zunächst eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen muss. „[14] Teilweise wird hierzu die Auffassung vertreten, dass sich der Schadensersatzanspruch des Vermieters nach §§ 280 I, III, 281 I BGB richte. Der Mieter schulde nach der Beendigung des Mietverhältnisses gem. § 546 I BGB die Rückgabe der Mietsache in einem ordnungsgemäßen Zustand. Daher gehöre zu der vom Mieter geschuldeten Leistung auch die Beseitigung von Schäden an der Mietsache, die der Mieter durch Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs schuldhaft verursacht habe oder die ihm zugerechnet werden könnten. Komme der Mieter dieser Verpflichtung nicht nach, handele es sich bei dem vom Vermieter geltend gemachten Schadensersatzanspruch um einen Schadensersatz statt der Leistung, dessen Voraussetzungen sich nach §§ 281 I, 280 I 1 bestimmten. Schadensersatz könne der Vermieter daher nur unter der Voraussetzung verlangen, dass er dem Mieter zunächst eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt habe, sofern eine solche Fristsetzung nicht ausnahmsweise nach § 281 II BGB entbehrlich gewesen sei. Außerdem erspare die Anwendung des § 281 I BGB die vielfach nur sehr schwer zu klärende Abgrenzung zwischen einer zum Schadensersatz verpflichtenden Substanzverletzung und anderen Beeinträchtigungen der Mietsache, so dass es praktikabler erscheine, die vertragsgemäße Rückgabe der Mietsache insgesamt der Regelung des § 281 BGB zu unterstellen. Schließlich sei das Erfordernis der Fristsetzung auch auf den konkurrierenden Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB zu übertragen. [15] Nach anderer Auffassung soll sich der Schadensersatzanspruch des Vermieters bei Substanzschäden an dem Mietobjekt grds. allein nach § 280 I BGB richten. Zur Begründung wird insbesondere angeführt, dass es bei einer anderen Betrachtungsweise zu nicht erklärbaren Wertungswidersprüchen kommen würde. Beschädige der Mieter die Mietsache durch einen nicht vertragsgemäßen Gebrauch, schulde er während des laufenden Mietverhältnisses wegen der Verletzung einer mietvertraglichen Nebenpflicht Schadensersatz nach § 280 I BGB. Warum der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses und Rückgabe der Mietsache nur noch dann Schadensersatz verlangen könne, wenn er dem Mieter zuvor erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt habe, lasse sich nicht begründen. Zudem sprächen pragmatische Gründe für eine Gleichbehandlung von Schadensersatzansprüchen bei einer Substanzverletzung der Mietsache vor und nach Beendigung des Mietverhältnisses. Jura Intensiv Vor den durchgreifenden Reformen aufgrund des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 01.01.2002 war es h.M., dass der Mieter eine leistungsbezogene Pflicht aus § 546 BGB durch Schlechtleistung verletzt, wenn er die Mietsache beschädigt zurückgibt. Darstellung des Streits, ob der Vermieter vor der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen Beschädigung der Mietsache eine Frist zur Schadensbeseitigung setzen muss. Dies ist nötig, wenn es sich um eine leistungsbezogene Pflicht handelt, die durch Schlechtleistung verletzt werden kann. Nur in diesem Fall richtet sich der Anspruch nach §§ 280 I, III, 281 I 1 BGB. Jetzt M.M.: Fristsetzung erforderlich Ansicht des BGH: Schadensersatzanspruch bei Substanzschäden aus §§ 280 I, 241 II BGB ohne Fristsetzungserfordernis Argument: Vermeidung von Wertungswidersprüchen Beschädigungen durch den Mieter während der Mietzeit hat dieser gem. §§ 280 I, 241 II BGB zu ersetzen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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