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RA Digital - 09/2018

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462 Zivilrecht

462 Zivilrecht RA 09/2018 Der BGH nimmt Bezug auf sein Urteil vom 28.02.2018, VIII ZR 157/17 und stellt erneut klar, dass es keiner vorherigen Fristsetzung bedarf. Maßgebend für die Abgrenzung von §§ 280 I, III, 281 BGB und §§ 280 I, 241 II BGB ist, ob eine Leistungspflicht (§ 241 I 1 BGB) oder eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht (§ 241 II BGB) verletzt wurde. Entscheidendes Argument: Die Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs steht außerhalb des mietrechtlichen Leistungsprogramms. Pflichtverletzung gem. § 241 II BGB muss systematisiert und konkretisiert werden. Wird die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht in einem ordnungsgemäßen Zustand zurückzugeben, stellt dies eine nichtleistungsbezogene Nebenpflichtverletzung i.S.d. § 241 II BGB dar. [16] Der BGH hat nach Erlass des angefochtenen Urteils diese Streitfrage dahingehend entschieden, dass Schäden an der Sachsubstanz der Mietsache, die durch eine Verletzung von Obhutspflichten des Mieters entstanden sind, auch nach Beendigung des Mietverhältnisses nach §§ 280 I, 241 II BGB als Schadensersatz neben der Leistung nach Wahl des Vermieters durch Wiederherstellung (§ 249 I BGB) oder durch Geldzahlung (§ 249 II BGB) vom Mieter zu ersetzen sind, ohne dass es einer vorherigen Fristsetzung des Vermieters bedarf. [17] Für die Abgrenzung zwischen dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach §§ 280 I, III, 281 I BGB und dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung nach § 280 I BGB kommt es nur darauf an, ob die Verletzung einer zur Anwendbarkeit der §§ 280 I, III, 281 I BGB führenden Leistungspflicht oder die Verletzung einer in § 241 II BGB geregelten vertraglichen Nebenpflicht, bei der sich die Anspruchsvoraussetzungen allein nach § 280 I BGB bestimmen, in Rede steht. Unerheblich ist dabei hingegen, ob der Schadensersatz vor oder nach Rückgabe der Mietsache geltend gemacht wird. [18] Nach der Konzeption des Gesetzgebers der Schuldrechtsreform zielen die im Bürgerlichen Gesetzbuch jeweils geregelten Leistungspflichten (§ 241 I 1 BGB) zumeist auf eine Veränderung der Güterlage des Gläubigers ab, während die in § 241 II BGB angesprochenen Schutzpflichten nur die gegenwärtige Güterlage jedes an dem Schuldverhältnis Beteiligten vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen bewahren sollen und wirksame Schuldverträge regelmäßig als Nebenpflichten begleiten, ohne selbst leistungsbezogen zu sein. Bei ihrer Verletzung geht es deshalb um Schäden, die nach dem vor der Schuldrechtsreform geltenden Recht unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung zu ersetzen waren, weil sie außerhalb des eigentlichen Leistungsprogramms (hier § 535 BGB) und dem damit verfolgten Erfüllungsinteresse an anderen, in ihrer Integrität aber nicht zum unmittelbaren Leistungsgegenstand gehörenden Rechtsgütern eintreten. Im Falle eines Mietverhältnisses entstehen solche Schäden zwar an dem Mietgegenstand, sie beruhen aber auf einer Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs und sind damit außerhalb des mietrechtlichen Leistungsprogramms verursacht worden. [19] Dagegen bildet der bei Nicht- oder Schlechterfüllung einer Leistungspflicht geschuldete Schadensersatz statt der Leistung das Surrogat der geschuldeten Leistung, wobei die Ersatzfähigkeit dieses Schadens an die Voraussetzung geknüpft wird, dass der Schuldner vor Geltendmachung eines gegen ihn gerichteten, den Leistungsanspruch ersetzenden Schadensersatzanspruchs grds. eine weitere Gelegenheit zur Erfüllung erhalten muss.“ Jura Intensiv Eine Fristsetzung war daher vorliegend nicht erforderlich. Mit der Rückgabe im beschädigten Zustand (s.o.) muss B eine Pflicht aus § 241 II BGB verletzt haben. In Betracht kommt die Verletzung einer Obhutspflicht. „[20] Bei der Verpflichtung des Mieters, die ihm überlassenen Mieträume in einem dem vertragsgemäßen Gebrauch nach Maßgabe von § 538 BGB entsprechenden Zustand zu halten, insbesondere die Räume aufgrund der aus der Besitzübertragung folgenden Obhutspflicht schonend und pfleglich zu behandeln sowie alles zu unterlassen, was zu einer von § 538 BGB nicht mehr gedeckten Verschlechterung führen kann, handelt es sich um eine Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 09/2018 Zivilrecht 463 nicht leistungsbezogene Nebenpflicht i.S.v. § 241 II BGB. Das gilt nicht nur für das laufende Mietverhältnis, sondern auch nach dessen Beendigung. Denn der Zustand, in dem sich die Mietsache bei ihrer Rückgabe befindet, ist für die allein in der Rückgabe selbst bestehende Leistungspflicht ohne Bedeutung. § 546 I BGB enthält keine Regelung darüber, in welchem Zustand die Wohnung zurückzugeben ist.“ III. Vertretenmüssen B hat die Vermutung gem. § 280 I 2 BGB, schuldhaft gehandelt zu haben, nicht widerlegt. Anhaltspunkte dafür, dass er sich exkulpieren kann, bestehen nicht. IV. Schaden Die auf den Schadensersatzanspruch nach § 280 I BGB uneingeschränkt anwendbare Bestimmung des § 249 BGB räumt dem Geschädigten sodann die Wahlmöglichkeit zwischen der in § 249 I BGB vorgesehenen Naturalrestitution und dem in § 249 II 1 BGB geregelten Zahlungsanspruch auf den zur (Wieder-) Herstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag ein. „[22] Durch diese Ersetzungsbefugnis werden nicht nur Abwicklungsstreitigkeiten darüber vermieden, ob eine Schadensbeseitigung des Schädigers gelungen ist und vom Geschädigten als tauglich akzeptiert werden muss. Die Ersetzungsbefugnis sichert dem Geschädigten gerade auch das ihm zustehende Recht, sich bei Ausführung der Schadensbeseitigung ausschließlich an seinen eigenen Wiederherstellungsinteressen zu orientieren und sich nicht auf ein gegenläufiges Interesse des Schädigers etwa an einer möglichst kostengünstigen und deshalb in ihrer Tauglichkeit nicht ohne Weiteres zweifelsfreien Wiederherstellung einlassen zu müssen. Dementsprechend kann der Geschädigte seine Ersetzungsbefugnis grds. auch ohne Angabe von Gründen ausüben, muss sich für die getroffene Wahl also nicht rechtfertigen und sich auch sonst zu ihrer Umsetzung nicht mit dem Schädiger ins Benehmen setzen.“ Der Vermieter kann deshalb nach seiner Wahl gem. § 249 I BGB Naturalrestitution oder – wie hier – direkt Geldersatz gem. § 249 II BGB verlangen. Jura Intensiv V. Ergebnis K hat gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 2.900 € gem. §§ 280 I, 241 II BGB. Vermieter kann nach seiner Wahl gem. § 249 I BGB Naturalrestitution oder gem. § 249 II BGB Geldersatz verlangen B. Anspruch aus § 823 I BGB In gleicher Weise ergibt sich ein Schadensersatzanspruch des K aus § 823 I BGB. Es ist anerkannt, dass bei Beschädigung von Sachen, jedenfalls soweit sie nicht unmittelbarer Leistungsgegenstand sind, vertragliche und deliktische Ersatzansprüche nebeneinander bestehen können. Insoweit gelten für das Mietrecht keine Besonderheiten. FAZIT Bei der Verpflichtung des Mieters, die ihm überlassenen Mieträume in einem dem vertragsgemäßen Gebrauch entsprechenden Zustand zu halten, handelt es sich um eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht gem. § 241 II BGB. Eine Verletzung begründet einen Anspruch des Geschädigten auf Schadensersatz gem. §§ 280 I, 241 II BGB ohne vorherige Fristsetzung und erfolglosen Ablauf der Frist. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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