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RA Digital - 09/2018

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468 Zivilrecht

468 Zivilrecht RA 09/2018 Entscheidendes Argument: Vergleich des Zugangs des Erben zu bereits verkörperten Inhalten Das KG, Urteil vom 31.05.2017, 21 U 9/16, RA 2017, 404 hatte vertreten, dass das Fernmeldegeheimnis nur dann gebrochen werden dürfe, wenn alle betroffenen Kontakte der Verstorbenen hiermit einverstanden seien. Dieser Ansicht folgt der BGH nicht. Der Senat wendet den Begriff „anderer“ in § 88 III TKG nicht auf den Erben an, weil es dem mit der Gesamtrechtsnachfolge von Art. 14 GG geschützten Recht des Erben einen höheren Rang einräumt als dem Geheimhaltungsinteresse des Erben und dessen Kommunikationspartner. §§ 20147 II, 2373 S. 2 BGB lassen schließlich auch höchstpersönliche Inhalte auf den Erben übergehen. [62] Ein Vergleich mit der erbrechtlichen Rechtslage bei analoger Briefpost sowie ausgedruckten oder auf Medien des Erblassers gespeicherten digitalen Inhalten, bei denen ein erbrechtlicher Übergang stattfindet, bestätigt dieses Ergebnis. Bei digitalen Inhalten würde - sollte das Fernmeldegeheimnis auf den Erben angewendet werden - die Zugangsmöglichkeit für diesen davon abhängen, einerseits ob Inhalte etwa durch Ausdrucken verkörpert oder auf einem Medium des Erblassers gespeichert sind und andererseits ob diese lediglich digital auf Servern des Anbieters abrufbar sind. So erhielte der Erbe Zugang zu einer über den "Messenger" der B an das Benutzerkonto des Erblassers gesandten Nachricht, wenn dieser sie auf einem eigenen Medium abgespeichert hätte, während dem Erben der Zugang zu derselben Nachricht verwehrt würde, wenn der Erblasser die Nachricht auf dem Server der B belassen hätte. Diese unterschiedliche Behandlung desselben Inhalts abhängig von dem Speichermedium oder der Verkörperung und damit letztlich von Zufällen ist nicht gerechtfertigt. In allen Fällen ist der Grad des Vertraulichkeitsinteresses sowohl des Absenders als auch des Empfängers gleich. [63] Ein Vertraulichkeitsinteresse hat nach den Grundsätzen der Gesamtrechtsnachfolge gegenüber dem Erben zurückzustehen. Die Rechtsordnung sieht, wie sich aus § 2047 II und § 2373 S. 2 BGB ergibt, einen Übergang auch höchstpersönlicher Inhalte auf den Erben vor, ordnet das Geheimhaltungsinteresse des Erblassers und der Kommunikationspartner folglich grds. dem durch Art. 14 I 1 GG geschützten Erbrecht unter. Der Übergang auch nichtvermögensrechtlicher Inhalte an den Erben ist demnach von der Rechtsordnung gebilligt und gewollt. Dies ist auch im Rahmen der Auslegung des Begriffs "anderen" i.S.d. § 88 III TKG zu berücksichtigen. Dem wird nur eine Interpretation, wonach ein Erbe nicht anderer i.S.d. Vorschrift ist, gerecht. Dies abweichend zu beurteilen, würde ohne nachvollziehbaren Grund zu einer Durchbrechung des erbrechtlichen Grundsatzes der Universalsukzession führen, ohne dass dies im Telekommunikationsgesetz eine Anknüpfung findet. Die - im Unterschied zur analogen Post oder zu auf einem Medium des Erblassers gespeicherten digitalen Inhalten - bei serverbasierten Speicherungen fortbestehende Zugriffsmöglichkeit des Betreibers kann zwar dazu führen, dass der Diensteanbieter weiter zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses verpflichtet ist und damit eine Weitergabe an außerhalb des Kommunikationsverhältnisses stehende Dritte unzulässig bleibt. Die fortlaufende Zulässigkeit der Bereitstellung für das auf den Erben übergegangene Benutzerkonto wird hierdurch aber nicht berührt.“ Jura Intensiv Mithin steht das Fernmeldegeheimnis aus § 88 III TKG einem Anspruch nach § 1922 I BGB ebenfalls nicht entgegen. IV. Ergebnis K hat daher gegen B einen Anspruch auf Zugang zum vollständigen Benutzerkonto ihrer verstorbenen Tochter E aus § 1922 I BGB. FAZIT Der BGH hat die vom KG offen gelassenen Rechtsfragen betreffend den generellen Umgang mit digitalen Inhalten eines Nachlasses geklärt. Es ist denkbar, dass Provider versuchen werden, die Vererbbarkeit der bei ihnen gespeicherten Daten generell auszuschließen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 09/2018 Referendarteil: Zivilrecht 469 Speziell für Referendare Problem: Vollstreckung aus Zug-um-Zug-Urteil Einordnung: ZPO II, ZPO I, Anwaltsklausur BGH, Beschluss vom 04.07.2018 VII ZB 4/17 EINLEITUNG Bei Vollstreckungen aus einem Urteil, das lediglich zur Leistung Zug um Zug verurteilt, ist zu beachten, dass die Zug-um-Zug-Verurteilung gerade sicherstellen soll, dass der Vollstreckungsgläubiger die ihm obliegende Leistung in der Vollstreckung erbringt, wenn er seine gegen den Schuldner gerichteten Ansprüche zwangsweise durchsetzt. Gem. §§ 756, 765 ZPO muss der Gläubiger als besondere Vollstreckungsvoraussetzung die im Titel genannte Zug-um-Zug-Leistung entweder bereits erbracht oder verzugsbegründend angeboten haben. Gem. § 756 I ZPO kann das Angebot durch den Gerichtsvollzieher erfolgen, wenn eine Fahrnisvollstreckung beantragt wird, was die Vollstreckung aber erschwert. Häufig enthalten Klagen deshalb bereits einen Antrag auf Feststellung des Verzugs mit der Annahme der Gegenleistung. Im vorliegenden Fall fehlte ein solcher Antrag, weshalb der Gläubiger eine noch nicht rechtskräftige, gesonderte Feststellungsklage erhoben hatte. In der Folgezeit stritten die Parteien, ob ein solches nicht rechtskräftiges Urteil für den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ausreicht. GRÜNDE I. Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts M. vom 06.02.2012, mit dem der Schuldner zur Zahlung von 21.250.000 € nebst Zinsen an die Gläubigerin Zug um Zug gegen Übergabe und Übertragung des Eigentums an 2.500.000 Stück Aktien der C. AG verurteilt worden ist. Jura Intensiv Am 12.02.2013 veräußerte die Gläubigerin die 2.500.000 Aktien der C. AG für 6.250.000 € im freihändigen Verkauf. Das Landgericht M. hat mit Urteil vom 22.02.2016 festgestellt, dass der Schuldner durch den freihändigen Verkauf der Aktien der C. AG an die K. AG mit notariellem Kaufvertrag vom 12.2.2013 hinsichtlich der ihm aus dem Urteil des Landgerichts M. Vom 06.02.2012 Zug um Zug gebührenden Übergabe und Übertragung des Eigentums an 2.500.000 Stück Aktien der C. AG befriedigt ist. Eine Abschrift dieses Urteils ist dem Schuldner am 11.03.2016 zugestellt worden. Die dagegen gerichtete Berufung des Schuldners hat das Oberlandesgericht M. mit Urteil vom 12.01.2017 zurückgewiesen. Der Schuldner hat gegen dieses Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden ist. Auf Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht am 22.03.2016 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen, mit dem diverse angebliche Forderungen und Vermögensrechte des Schuldners gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen worden sind. LEITSATZ Hat der Gläubiger, der aus einem Zug-um-Zug-Titel vollstrecken will, im Hinblick auf §§ 765, 756 ZPO eine Feststellungsklage erhoben mit dem Ziel, festzustellen, dass der Schuldner hinsichtlich der vom Gläubiger Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung befriedigt ist, hängt die materielle Beweiskraft eines daraufhin ergangenen Urteils von seiner Rechtskraft ab. Einleitungssätze sind nicht überall erwünscht. Fragen Sie Ihren Ausbilder nach regionalen Besonderheiten. Hier ist der Einleitungssatz sehr sinnvoll, weil er den Leser hilfreich in den ungewöhnlichen Fall einführt. Prozessgeschichte im Perfekt Streitgegenständlich ist der Pfändungsund Überweisungsbeschluss (PfÜB). Dieser pfändet angebliche Forderungen, weil das Vollstreckungsgericht keine materielle Prüfungskompetenz hat. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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