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RA Digital - 09/2018

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476 Referendarteil:

476 Referendarteil: Zivilrecht RA 09/2018 Es bestehen Zweifel, dass das Gericht die Baumbach`sche Kostenformel richtig angewendet hat, denn der Kläger hat zwei Prozesse geführt, wäre nach summarischer Prüfung des bisherigen Sach- und Streitstandes in einem voll unterlegen und hätte im anderen nur hälftig obsiegt. Daher hätte das Gericht ihm ¾ der Gerichtskosten, die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) und sämtliche außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) auferlegen müssen. Der Verfügungsbeklagte zu 1) hätte ¼ der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Verfügungsklägers auferlegt bekommen müssen, weil er nur an einem von zwei Prozessrechtsverhältnissen beteiligt war. Nach der Formel des AG Brandenburg ist zu befürchten, dass der Beklagte 1) außergerichtliche Kosten des Klägers mitträgt, die dessen Prozessrechtsverhältnis zum Beklagten zu 2) betreffen, in dem der Kläger voll unterlegen ist. Aufgrund dessen hält es das erkennende Gericht für angemessen, dass von den Gerichtskosten des Verfahrens dem Verfügungskläger und dem Verfügungsbeklagten zu 1) jeweils 50 % auferlegt werden, von den außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der Verfügungskläger die der Verfügungsbeklagten zu 2) in voller Höhe und die Hälfte seiner eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen hat sowie der Verfügungsbeklagte zu 1) seine eigenen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in voller Höhe selbst zu tragen hat und die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Verfügungsklägers. FAZIT Nicht nur der Verfügungsanspruch, sondern auch der Verfügungsgrund gehören im Falle übereinstimmender Erledigungserklärungen zur summarischen Prüfung des bisherigen Sach- und Streitstandes unter Berücksichtigung der Billigkeit. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 09/2018 ÖFFENTLICHES RECHT Öffentliches Recht 477 Problem: Verfassungsmäßigkeit der Fixierung von Patienten Einordnung: Grundrechte BVerfG, Urteil vom 24.07.2018 2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16 EINLEITUNG Das BVerfG hatte zu klären, ob die Fixierung eines zwangsweise untergebrachten Patienten in einer psychiatrischen Einrichtung eine richterliche Anordnung erfordert und welche weitergehenden verfassungsrechtlichen Voraussetzungen die Fixierung erfüllen muss. SACHVERHALT (LEICHT GEÄNDERT UND GEKÜRZT) A wurde aufgrund einer erheblichen psychischen Erkrankung und mit richterlicher Anordnung in einer psychiatrischen Einrichtung in Baden-Württemberg untergebracht. Der behandelnde Arzt ordnete über mehrere Tage hinweg formell ordnungsgemäß immer wieder für mehrere Stunden eine 5-Punkt- Fixierung des A an, d.h. er wurde an sämtlichen Gliedmaßen und mit einem Bauchgurt am Bett festgebunden. A sieht sich hierdurch in seinem Grundrecht aus Art. 2 II 2 i.V.m. Art. 104 GG verletzt und erbittet ein umfassendes Rechtsgutachten. LÖSUNG A ist in seinem Grundrecht aus Art. 2 II 2 i.V.m. Art. 104 GG verletzt, soweit ein Eingriff in den Schutzbereich dieses Freiheitsrechts vorliegt, der nicht gerechtfertigt ist. I. Eingriff in den Schutzbereich Es muss ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 II 2 i.V.m. Art. 104 GG vorliegen. Jura Intensiv 1. Persönlicher Schutzbereich Art. 2 II 2 i.V.m. Art. 104 GG schützt jedermann, es handelt sich also um ein Menschenrecht. „[66] Fehlende Einsichtsfähigkeit lässt den Schutz des Art. 2 Abs. 2 GG nicht entfallen; er ist auch dem psychisch Kranken und nicht voll Geschäftsfähigen garantiert.“ LEITSÄTZE 1. a) Die Fixierung eines Patienten stellt einen Eingriff in dessen Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 GG) dar. b) Sowohl bei einer 5-Punktals auch bei einer 7-Punkt- Fixierung von nicht nur kurzfristiger Dauer handelt es sich um eine Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG, die von einer richterlichen Unterbringungsanordnung nicht gedeckt ist. Von einer kurzfristigen Maßnahme ist in der Regel auszugehen, wenn sie absehbar die Dauer von ungefähr einer halben Stunde unterschreitet. 2. Aus Art. 104 Abs. 2 Satz 4 GG folgt ein Regelungsauftrag, der den Gesetzgeber verpflichtet, den Richtervorbehalt verfahrensrechtlich auszugestalten, um den Besonderheiten der unterschiedlichen Anwendungszusammenhänge gerecht zu werden. 3. Um den Schutz des von einer freiheitsentziehenden Fixierung Betroffenen sicherzustellen, bedarf es eines täglichen richterlichen Bereitschaftsdienstes, der den Zeitraum von 6:00 Uhr bis 21:00 Uhr abdeckt. Einsichts- und Geschäftsfähigkeit unerheblich Folglich kann sich A auf den Schutz des Art. 2 II 2 i.V.m. Art. 104 GG berufen, sodass der persönliche Schutzbereich eröffnet ist. 2. Sachlicher Schutzbereich In sachlicher Hinsicht ist die Freiheit der Person geschützt. Gemeint ist damit die körperliche Bewegungsfreiheit, d.h. das Recht, jeden beliebigen Ort aufzusuchen und dort zu verweilen. Durch die streitgegenständliche Fixierung ist dieses Recht berührt, sodass der sachliche Schutzbereich eröffnet ist. Definition „Freiheit der Person“ Schildheuer, JURA INTENSIV, Grundrechte, Rn 256 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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