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RA Digital - 09/2018

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490 Referendarteil:

490 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 09/2018 Kein Verstoß gegen Grundrechte Kein Verstoß gegen Art. 3 GG Kein Verstoß gegen Art. 5 I GG Eröffnung des sachlichen und persönlichen Schutzbereichs BVerfG, Beschluss vom 9.10.1991, 1 BvR 221/90, juris Rn 42 Eingriff BVerfG, Beschluss vom 26.6.2002, 1 BvR 670/91, juris Rn 77 ff., Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Schranke des allgemeinen Gesetzes BVerfG, Urteil vom 15.1.1958, 1 BvR 400/51, juris Rn 35 Dabei hat der Beklagte im Ergebnis nicht die Tragweite der von dem Kläger in Anspruch genommenen Grundrechte verkannt. Das wäre nur der Fall, wenn die Verfügung einen ungerechtfertigten Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechtes begründen würde, was vorliegend nicht zutrifft. Von einer vom Kläger behaupteten willkürlichen Ungleichbehandlung kann keine Rede sein. Aus Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich zwar die Forderung ableiten, das eingeräumte Ermessen in gleich gelagerten Fällen gleichmäßig auszuüben [...]. Jedoch hat der Kläger keine vergleichbaren Fälle genannt, aus denen sich eine willkürliche Ungleichbehandlung des Klägers durch den Beklagten herleiten ließe. [...] Andererseits hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass der Beklagte auch gegen diese Werbeanlagen vorgegangen ist und auch in Zukunft vorgeht, sodass keine Ungleichbehandlung gegeben ist. Bei den vom Kläger angeführten Schilder des Landesbetriebes Mobilität handelt es sich nicht um vergleichbare Werbeanlagen, weil diese nicht für einen bestimmten Zweck werben, sondern lediglich auf Baumaßnahmen und Ähnliches hinweisen. Daher sind sie in § 52 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 LBauO auch als „Hinweisschilder“ bezeichnet. Ebenso wenig handelt es sich bei der Beseitigungsverfügung um einen ungerechtfertigten Eingriff in die Meinungsfreiheit des Klägers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Es liegt zwar ein Eingriff in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit vor, dieser ist jedoch gerechtfertigt. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit gewährleistet, ohne ausdrücklich zwischen Werturteil und Tatsachenbehauptung zu unterscheiden, jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Bei Werturteilen handelt es sich stets um Meinungsäußerungen. Sie sind daher ohne weiteres von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt, und zwar unabhängig von ihrem Inhalt und ihren Gründen. Das Schild gibt die Meinung des Klägers wieder, dass er die geplante neue Straßenführung der B 271 kritisch sieht. Er fällt auch unter den persönlichen Schutzbereich, da gemäß Art. 19 Abs. 3 GG die Grundrechte auch für inländische juristische Personen gelten, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Der Kläger ist als eingetragener Verein eine inländische juristische Person nach den §§ 21 ff. Bürgerliches Gesetzbuch. Er wurde gerade zu dem Zweck gegründet, eine gebündelte Meinungsäußerung einer größeren Gruppe in der Breite zu ermöglichen. Jura Intensiv Ein Eingriff ist jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht. Mit der Beseitigungsverfügung hat der Beklagte unterbunden, dass der Kläger seine Meinung auf den Schildern im Außenbereich kundtun kann und so in seine Meinungsfreiheit eingegriffen. Gemäß § 5 Abs. 2 Grundgesetz kann die Meinungsfreiheit aufgrund eines allgemeinen Gesetzes beschränkt werden. Allgemeine Gesetze sind solche Gesetze, die sich nicht gegen die Meinungsfreiheit oder die Freiheit von Presse und Rundfunk an sich oder gegen die Äußerung einer bestimmten Meinung richten, sondern vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 09/2018 Referendarteil: Öffentliches Recht 491 Vorliegend ist der Kläger der Ansicht, die § 35 BauGB, § 52 LBauO und § 9 FStrG seien keine allgemeinen Gesetze. Insbesondere § 52 Abs. 3 und Abs. 6 LBauO enthielten Privilegierungen für bestimmte Arten der Meinungsäußerung. Es sei nicht einzusehen, warum die in § 52 Abs. 3 und Abs. 6 LBauO privilegierten Personen und Körperschaften keine Genehmigung für das Aufstellen von Schildern im Außenbereich benötigten, der Bürger hierfür aber ein kostenpflichtiges Genehmigungsverfahren durchlaufen müsse. Dem kann nicht gefolgt werden. Die § 35 BauGB, § 52 LBauO und § 9 FStrG sind allgemeine Gesetze i.S.d. § 5 Abs. 2 GG. Die Schutzgüter, die diese Vorschriften im Auge haben, sind der Erhalt des Außenbereichs als Erholungsraum für die Bevölkerung bzw. die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Die Vorschriften sind meinungsneutral formuliert, d.h. sie begünstigen oder benachteiligen keine bestimmten Meinungen. Sie richten sich auch nicht gegen die Meinungsfreiheit an sich, weil sie nicht die Meinungsäußerung im Außenbereich in der Nähe von Bundesfernstraßen verbieten, sondern grundsätzlich jede Bebauung an Fernstraßen bzw. Werbeanlage im Außenbereich. [...] Der Grundrechtseingriff ist unter Berücksichtigung aller Umstände verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Recht zur Meinungsäußerung muss zurücktreten, wenn die Güter- und Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die Meinungsäußerung schutzwürdige Interessen von höherem Rang verletzt. Dies ist hier der Fall, weil die Beseitigungsanordnung der Abwehr von Gefahren für überragend wichtige Rechtsgüter dient. Abzuwägen waren hier die Meinungsfreiheit des Klägers auf der einen Seite und Erhalt des Außenbereichs als Erholungsraum für die Bevölkerung und die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf der anderen. Für ein Überwiegen der Meinungsfreiheit des Klägers spricht zwar, dass er mit den Schildern auf eine politische Angelegenheit aufmerksam machen will. Das Planfeststellungsverfahren, das bezüglich der Straßenführung der B 271 durchzuführen ist, sieht in § 73 Verwaltungsverfahrensgesetz gerade eine Bürgerbeteiligung vor. Der Kläger möchte daran aktiv teilnehmen und Einfluss auf die Meinungsbildung der Bevölkerung nehmen. Eine solche Aktivität ist in einer Demokratie enorm wichtig. [...] Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Schilder nicht dauerhaft im Außenbereich stehen sollen und ohne Schäden für die Umwelt abgebaut werden können. Letztlich handelt es sich bei den Schildern um die einzigen baulichen Anlagen an der Straße. Allerdings ist gerade bei einer einzigen Anlage die Ablenkung groß, weil sie aus der Umgebung heraussticht und so die Blicke der Verkehrsteilnehmer auf sich zieht. Auf einer Bundesstraße wird mit hoher Geschwindigkeit gefahren, was Ablenkungen umso gefährlicher macht. Die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ist selbst als hohes Schutzgut einzustufen, denn sie dient dem Schutz der hochrangigen Rechtsgüter Leib und Leben. Auf der B 271 herrscht ein hohes Verkehrsaufkommen, weshalb ja gerade eine neue Straßenführung vorgesehen ist. [...] Die Schilder mögen zwar nicht dauerhaft im Außenbereich stehen bleiben, doch haben sie trotzdem eine negative Vorbildwirkung. Zahlreiche Vereine und Organisationen verfolgen gewisse politische Ansichten und Ziele, die man mit Schildern im Außenbereich bewerben könnte. Würde man eine entsprechende Beschilderung zulassen, droht naheliegend eine vom Gesetzgeber gerade missbilligte Anhäufung von politisch motivierten Werbeanlagen Jura Intensiv Die Rechtsansichten des Klägers sollten besser (nur) im Tatbestand wiedergegeben werden. Schranken-Schranke Abwägung der schützenswerten Rechtspositionen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls. In der Klausur sind hier die Angaben im Aktenstück und das Vorbringen der Beteiligen genau auszuwerten. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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