492 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 09/2018 im Außenbereich. Dem Kläger wird seine Meinungsäußerung auch nicht per se unmöglich gemacht, sondern ihm bleiben viele Alternativen zur Beschilderung im Außenbereich. [...] Prüfung der Androhung der Ersatzvornahme Prüfung der Unterlassungsanordnung: Es ist grundsätzlich üblich und auch für die Klausur zu empfehlen, bei einem Teilerfolg der Klage in den Entscheidungsgründen – spiegelbildlich zum Tenor – zunächst den erfolgreichen Teil der Klage (d.h. den rechtswidrigen Verfügungspunkt) und anschließend den erfolglosen, weil rechtmäßigen Teil. Etwas anderes kann angezeigt sein, wenn ansonsten komplizierte Inzidentprüfungen nötig werden. Keine Rechtsgrundlage für vorbeugende Unterlassungsanordnung Der Tenor lautete hier: „Der Bescheid vom 16. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2017 wird aufgehoben, soweit dem Kläger aufgegeben wurde, zukünftig die Errichtung von Werbeanlagen an anderer Stelle im Landkreis Bad Dürkheim ohne Vorlage einer bauaufsichtlichen Genehmigung zu unterlassen und hierfür die Ersatzvornahme angedroht wurde. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“ Die auf die Durchsetzung der Beseitigungsverfügung gerichtete Androhung der Ersatzvornahme (Ziffer 3 des Bescheides vom 16. März 2016) beruht auf den §§ 62, 63, 66 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz – LVwVG – und ist nicht zu beanstanden. Die in Ziffer 2 des Bescheides vom 16. März 2016 verfügte Unterlassungsanordnung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Hierfür gibt es schon keine Rechtsgrundlage. Insbesondere § 81 LBauO und § 59 Abs. 1 S. 1 LBauO sehen ein rein anlassbezogenes Einschreiten vor und zwar erst dann, wenn bereits ein baurechtswidriger Zustand geschaffen worden ist. Die Bauaufsichtsbehörde kann ohne konkreten Verstoß gegen baurechtliche Vorgaben nicht mit vorbeugenden Verwaltungsakten vorsorgliche Unterlassungsgebote zu deren Einhaltung bestimmen, die im Falle der Zuwiderhandlung mit den Mitteln der Verwaltungsvollstreckung durchgesetzt werden können. Gerade auch im Hinblick auf die in Ziffer 3 des Bescheides angedrohte Ersatzvornahme kommt die Verfügung daher der Schaffung eines neuen Ordnungswidrigkeitstatbestandes nahe, zu der der Beklagte nicht befugt ist. Die auf die Durchsetzung der Unterlassungsanordnung gerichtete Androhung der Ersatzvornahme (Ziffer 3 des Bescheides vom 16. März 2016) ist ebenfalls rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil ihr durch die Kassation der Unterlassungsanordnung die Grundlage entzogen ist (§ 1 Abs. 1, § 2 LVwVG). [...]“ FAZIT Das Urteil des VG Neustadt (Weinstraße) verbindet in examenstypischer Weise allgemein bekannte Rechtsprobleme aus dem Verfassungsrecht (Verletzung von Art. 5 I GG, verfassungskonforme Auslegung) mit weniger üblichen Fragestellungen aus den examensrelevanten Rechtsgebieten des Bau- und Straßenrechts. Besonders anschaulich und lehrreich ist die Subsumtion des konkreten Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht. Die Entscheidung bietet zudem Anlass, die Formalien (Tenor, Aufbau der Entscheidungsgründe) im Fall eines Teilerfolgs der Klage zu wiederholen. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 09/2018 REDAKTIONELLER BEITRAG – STRAFRECHT Redaktioneller Beitrag – Strafrecht 493 Die sukzessive Qualifikation Einordnung: Vergleich von § 249 und § 255 als Vortat EINLEITUNG Das Problem der sukzessiven Qualifikation beschäftigt Rechtsprechung und Literatur schon lange und ist bis heute nicht „gelöst“. Es geht hierbei um die Frage, ob ein Delikt nach der Vollendung aber noch vor der Beendigung noch „nachträglich“ oder „schrittweise“ (sukzessiv) qualifiziert werden kann. Es stehen sich zwei Meinungslager gegenüber, wobei die einen die sukzessive Qualifikation für möglich erachten (BGH, 5 StR 445/08; 5 StR 31/; 5 StR 542/09; Fischer, § 250 Rn 18; S/S-Eser/Bosch, § 250 Rn 10 ff., 30, § 251 Rn 4) und die anderen sie – häufig gar als Verfassungsverstoß – ablehnen (Lackner/Kühl, § 250 Rn 4, § 251 Rn 1, § 244 Rn 2; Rengier, BT I, § 9 Rn 8; Eisele, BT II, Rn 382; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn 388). Das Problem stellt sich vor allem im Spannungsfeld der Abgrenzung von § 249 und § 252. Jedoch kann sich auch die Frage stellen, ob z.B. § 242 sukzessiv qualifiziert werden kann. Diese Frage stellt sich z.B., wenn der Dieb erst in der Beutesicherungsphase eine Waffe ergreift; begründet dies einen Diebstahl mit Waffen gem. § 244 I Nr. 1a)? Aktuellen Anlass, das Thema an dieser Stelle aufzugreifen, liefert ein Aufsatz von Kiworr („Die Verwirklichung von Qualifikationen in der Beendigungsphase von Raub und räuberischer Erpressung“). Von der Autorin wird zutreffend die Rechtsprechung. des BGH unterstützt, dass eine sukzessive Qualifikation (hier der §§ 249, 255 StGB) möglich ist. WERTENDER FALLGRUPPENVERGLEICH Man sollte dieser Betrachtung ein weiteres Argument hinzufügen, welches im Aufsatz - soweit ersichtlich - nicht aufgeführt wurde. Dieses Argument basiert auf einem wertenden Fallgruppenvergleich. In den folgenden Beispielsfällen wird die Betrachtung auf § 251 StGB beschränkt. Jura Intensiv Fall 1: T begeht einen Raub in einem Supermarkt. Nachdem er mit der Beute auf die Straße geflohen ist, wird er vom Mitarbeiter M verfolgt. Um seine Beute zu sichern, schießt er M in die Beine. Unglücklicherweise wird die Beinschlagader des M getroffen. M verblutet. Lösung Fall 1: Nach BGH liegt ein Raub (im Supermarkt) vor. Die mitverwirklichte räuberische Erpressung gem. §§ 253, 255 StGB wird vom Raub als Spezialnorm verdrängt (sog. Spezialitätstheorie“). Der Raub wird in der Beutesicherungsphase zwischen Vollendung und Beendigung sukzessiv qualifiziert. M handelt mit der nötigen „verlängerten Zueignungsabsicht“. Mithin macht sich T gem. §§ 249 I, 251 StGB strafbar. Problem: Kann ein Grunddelikt zwischen der Vollendung und der Beendigung noch qualifiziert werden? Im Examenskurs von Jura Intensiv wird das Thema im Kursteil BT 2 im Fall „Tod in der Fußgängerzone“ behandelt. Fundstelle: JuS 2018, 424 ff. Fall 1: Sukzessive Qualifikation eines Raubes Spezialitätstheorie: § 253 StGB ist strukturgleich zu § 240 StGB (Wortlaut!) • § 249 StGB ist spezieller Fall des § 253 StGB (Duldung der Wegnahme) • Abgrenzung nach äußerem Erscheinungsbild des Gebens (dann § 253 StGB) oder Nehmens (dann § 249 StGB). © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
Laden...
Laden...
Laden...
Follow Us
Facebook
Twitter