494 Redaktioneller Beitrag – Strafrecht RA 09/2018 Exklusivitätstheorie: § 253 StGB ist strukturgleich zu § 263 StGB, da das Opfer zur „Herausgabe“ gebracht wird. • § 253 StGB verlangt eine Vermögensverfügung • § 253 StGB (Verfügung) und § 249 StGB (Wegnahme) sind streng alternativ • Abgrenzung nach der inneren Willensrichtung: Notwendigkeit der Mitwirkung? Wenn ja, liegt Verfügung, also § 253 StGB vor, ansonsten Wegnahme und damit § 249 StGB. Fall 2: Sukzessive Qualifikation einer räuberischen Erpressung Bei Ablehnung der sukzessiven Qualifikation findet sich in der Beutesicherungsphase nach einer zunächst begangenen räuberischen Erpressung kein neues Grunddelikt, welches die §§ 250, 251 StGB qualifizieren könnten. Wertungswiderspruch Nach h.L. liegt ein Raub (im Supermarkt) vor. Daneben greifen die §§ 253, 255 StGB nicht ein, da sich nach h.L. beide Delikte ausschließen (sog. Exklusivitätstheorie). Auf der Straße begeht T nunmehr die §§ 252, 251, da der „Raub“ auch ein „Diebstahl“ i.S.d. § 252 StGB ist und T mit der nötigen Besitzerhaltungsabsicht handelt. Auf der Ebene der Konkurrenzen tritt nunmehr der schwächer qualifizierte § 249 StGB hinter dem durch § 251 stärker qualifizierten § 252 StGB zurück; § 240 StGB – verwirklicht im Supermarkt als Raubmittel – lebt wieder auf und steht in Tateinheit gem. § 52 StGB. Fall 2: T begeht eine räuberische Erpressung in einer Bank. Nachdem er mit der Beute auf die Straße geflohen ist, wird er vom Mitarbeiter M verfolgt. Um seine Beute zu sichern, schießt er M in die Beine. Unglücklicherweise wird die Beinschlagader des M getroffen. M verblutet. Lösung Fall 2: Nach BGH liegt eine räuberische Erpressung gem. §§ 253, 255 StGB (in der Bank) vor. Diese wird in der Beutesicherungsphase zwischen Vollendung und Beendigung sukzessiv qualifiziert. M handelt mit der nötigen „verlängerten Zueignungsabsicht“. Mithin macht sich T gem. §§ 253, 255, 251 StGB strafbar. Nach h.L. liegt eine räuberische Erpressung gem. §§ 253, 255 StGB (in der Bank) vor. Auf der Straße begeht T nunmehr nicht (!) die §§ 252, 251 StGB, da die räuberische Erpressung kein „Diebstahl“ i.S.d. § 252 StGB, also keine taugliche Vortat ist. Auch die Begehung einer - erneuten (!) - räuberischen Erpressung (diese durch § 251 StGB qualifiziert) scheitert. Es fehlt bei dieser sog. „Sicherungserpressung“ nämlich am Schaden (BGH, 3 StR 318/10). Nach h.L. – also bei Ablehnung einer sukzessiven Qualifikation – macht es folglich für die Anwendung des § 251 StGB (ebenso wie für § 250 StGB) in der Beutesicherungsphase einen Unterschied, ob der Täter von einem Raub oder einer räuberischen Erpressung flieht. Jura Intensiv Diese unterschiedliche Behandlung mag man schulterzuckend als Folge des § 252 StGB hinnehmen, der eben als Vortat einen „Diebstahl“ verlangt. Man sollte hierin aber statt dessen einen schweren Wertungswiderspruch erkennen: Der gleiche Wertungswiderspruch tut sich natürlich auch bei § 250 StGB auf. Die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung ist ein schmaler Grad. Teilweise hängt es nur an kleinen Nuancen im Sachverhalt, ob das Pendel in die eine oder in die andere Richtung ausschlägt. Hiervon die Frage abhängig zu machen, ob es im Fall des tödlichen Schusses in der Beutesicherungsphase zur Anwendung des § 251 StGB kommt oder nicht, erscheint als willkürlich und nicht sachgerecht. Nach h.L. ergibt sich, dass der T in Fall 2 eben nicht „gleich einem Räuber“ – nämlich wie in Fall 1 – bestraft wird. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 09/2018 Redaktioneller Beitrag – Strafrecht 495 RAUB ALS „DIEBSTAHL“ i.S.v. § 252 StGB All diese Überlegungen führen zu einem weiteren Problem: Die allgemein anerkannte Regel, dass der „Raub“ ein „Diebstahl“ i.S.d. § 252 StGB ist, müsste vor diesem Hintergrund überdacht werden. Wenn man – wie der BGH zutreffend – die sukzessive Qualifikation anerkennt, dann wird durch weitere qualifizierte Nötigungsakte in der Beutesicherungsphase eben gerade nicht § 252 StGB als quasi „neues“ Grunddelikt verwirklicht, sondern das „alte“ Grunddelikt des § 249 StGB sukzessive qualifiziert. GUTACHTENFRAGEN Dies wirft die Frage auf, wie und wo dieses Problem im Gutachten anzusprechen ist. Echte Qualifikation des § 250 StGB: Einfacher ist die Frage z.B. im Rahmen der §§ 244, 250 StGB zu beantworten, die echte Qualifikationen darstellen. Nach Bejahung des Tatbestands des Grunddelikts ist der Tatbestand der Qualifikation zu prüfen. Hier sollte zunächst die Frage aufgeworfen werden, ob z.B. das Ergreifen einer Waffe in der Beutesicherungsphase z.B. den § 242 I StGB (oder § 249 I StGB) zum Diebstahl (bzw. Raub) mit Waffen qualifizieren kann. Dann bietet es sich an, sofort den Problemaufriss zu bringen, ob nämlich eine sukzessive Qualifikation überhaupt möglich ist (so z.B. bei Duttge/Burghardt, JURA 2017, 727, 736). Sofern dies bejaht wird, wären dann die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Qualifikationen zu prüfen. Erfolgsqualifikation des § 251 StGB: Als deutlich problematischer stellt sich die Gutachtenfrage im Rahmen des § 251 StGB dar. Deshalb sollen hier zwei Lösungen vorgestellt werden. Zunächst die „einfache“ Lösung und dann die dogmatisch sauberere Lösung. Die „einfache“ Lösung würde darin bestehen, den oben beschriebenen Lösungsweg für die echte Qualifikation einfach auf § 251 StGB zu übertragen. Damit würde auch hier die Frage, ob es eine sukzessive Qualifikation gibt, in einer Art „Vorprüfung“ behandelt werden. Jura Intensiv Dogmatisch saubererer und damit „punkteträchtiger“ (aber auch fehleranfälliger!) ist hingegen die folgende Lösung (so z.B. bei Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn 388, 392): Wegen der erheblichen Steigerung des Strafrahmens der Erfolgsqualifikationen (z.B. des § 251 StGB im Vergleich zum Grunddelikt des § 249 I StGB und des § 222 StGB) ist eine restriktive Auslegung geboten. Erforderlich ist deshalb als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal auch ein Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen dem Grunddelikt und der schweren Folge, d.h. dass die schwere Folge Resultat einer spezifischen Gefahr des Grunddelikts sein muss. Hierbei stellt sich einerseits die Frage, ob die schwere Folge – abhängig von der Struktur der jeweiligen Erfolgsqualifikation – an die Tathandlung oder den Taterfolg des Grunddeliktes anknüpft. Andererseits muss über bloße Kausalität und Zurechenbarkeit hinaus festgestellt werden können, dass die schwere Folge die „geradezu typische“ Folge der konkreten Form der Tatbegehung durch den Täter war. Problembehandlung im Rahmen einer Art „Vorprüfung“ am Beginn der Prüfung der Qualifikation Alle Erfolgsqualifikationen weisen den sog. „Strafrahmensprung“ auf und sind deshalb restriktiv auszulegen. Folglich ist das ungeschriebene Merkmal des Unmittelbarkeitszusammenhangs zu prüfen. Unmittelbarkeitszusammenhang: 1. Frage: Anknüpfung an Tathandlung oder Taterfolg des Grunddelikts 2. Frage: War schwere Folge die geradezu typische Folge? © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
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