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RA Digital - 09/2018

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502 Strafrecht

502 Strafrecht RA 09/2018 mehr an den Berechtigten zurückzugeben, kann den Urteilsgründen auch in ihrer Gesamtheit nicht eindeutig entnommen werden. Entsprechende Ausführungen waren angesichts der Feststellungen des Landgerichts zu den zeitlichen Abläufen – zwischen der Entwendung der Tabletten […] und der Äußerung der Angeklagten, sie habe den Schlüsselbund verloren, lagen ca. dreieinhalb Stunden – jedoch nicht entbehrlich. Es ist nicht ohne weiteres auszuschließen, dass die Angeklagte einen diesbezüglichen Entreicherungswillen erst nach der Verwendung des Schlüssels gefasst hat. Dies stünde einer Zueignung i.S.v. § 246 StGB entgegen.“ Nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ ist also davon auszugehen, dass A bei der Verwendung des Schlüssels zwar einen Aneignungswillen besaß sich aber noch nicht dazu entschlossen hatte, den Schlüssel anschließend wegzuwerfen, sodass es in diesem Zeitpunkt am Enteignungswillen fehlte. Im Zeitpunkt des Wegwerfens des Schlüssels war zwar der Enteignungswille gegeben, aber kein Aneignungswille mehr. Da aber die Annahme eines Zueignungswillens voraussetzt, dass dessen Aneignungs- und Enteignungskomponente im selben Zeitpunkt vorliegen, ist ein solcher Wille bei A zu verneinen. II. Ergebnis A ist nicht strafbar wegen veruntreuender Unterschlagung gem. § 246 I, II StGB an dem Schlüssel. B. Strafbarkeit gem. § 242 I StGB bzgl. des Oxycodons Dadurch, dass A das Oxycodon aus dem Tresor nahm, könnte sie sich wegen Diebstahls gem. § 242 I StGB an diesem Medikament strafbar gemacht haben. I. Tatbestand 1. Fremde bewegliche Sache Bei den im Eigentum der Pflegeeinrichtung oder eines Patienten stehenden Tabletten handelt es sich um für A fremde bewegliche Sachen (s.o.). Jura Intensiv 2. Wegnahme A müsste die Tabletten weggenommen haben, d. h. sie müsste fremden Gewahrsam daran gebrochen und neuen, nicht unbedingt eigenen, Gewahrsam begründet haben. Zunächst müsste also fremder Gewahrsam an dem Medikament bestanden haben. Gewahrsam ist die tatsächliche Sachherrschaft eines Menschen über eine Sache, die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragen ist, wobei das Vorliegen dieser Voraussetzungen nach der Verkehrsanschauung zu beurteilen ist. Ein fremder Gewahrsam bestünde jedenfalls nicht, wenn A im Tatzeitpunkt Alleingewahrsam an den Tabletten gehabt hätte. BGH, Beschluss vom 16.01.2018, 4 StR 458/17, RA 2018, 221; Beschluss vom 03.04.2001, 1 StR 45/01, NStZ-RR 2001, 268 „[8] a) In Arbeits- bzw. Dienstverhältnissen hat zwar der Arbeitnehmer bzw. Dienstverpflichtete in der Regel nur Mitgewahrsam an den ihm überlassenen Arbeitsmitteln oder Waren inne, da er diesbezüglichen arbeitsrechtlichen Weisungen unterliegt. Anderes gilt aber dann, wenn der Dienstverpflichtete einen Bestand selbstständig zu verwalten und dessen Inhalt eigenverantwortlich abzurechnen hat, etwa als Kassierer in einem Supermarkt hinsichtlich des Kasseninhalts. Das generelle Kontroll- und Weisungsrecht des Dienstherrn gegenüber seinem Bediensteten begründet in einem solchen Fall nicht ohne weiteres den Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 09/2018 Strafrecht 503 Mitgewahrsam des Dienstherrn. Denn dieser kann und darf nicht ohne die Mitwirkung des für den Bestand verantwortlichen Angestellten auf die im Bestand befindlichen Gegenstände zugreifen. Auch derjenige, der eine Sache in Verwahrung gibt und - etwa mangels eines Schlüssels - keinen Zugang zum Verwahrungsgut mehr hat, verliert seinen (Mit-) Gewahrsam an dem Verwahrgut. Nimmt der Verwahrer das Verwahrgut daher unrechtmäßig an sich, liegt regelmäßig lediglich Unterschlagung und nicht Diebstahl vor. [9] b) Nach diesen Maßstäben kann aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass die Angeklagte im Zeitpunkt des Zugriffs auf die Tabletten Alleingewahrsam an diesen hatte und folglich (lediglich) eine Unterschlagung (§ 246 StGB) begangen hat. Die Feststellungen des Landgerichts verdeutlichen nicht, worin es einen Mitgewahrsam der Bewohner, denen das Medikament verordnet worden war und die dieses in die Verwahrung des Pflegeheims gegeben haben, und/ oder der der Angeklagten dienstrechtlich vorgesetzten Personen gesehen hat. Angesichts dessen, dass sich die Angeklagte berechtigt im Besitz des (einzigen) Tresorschlüssels befunden hat und Änderungen im Bestand des Tresorinhalts von ihr zu dokumentieren gewesen wären, versteht sich auch nicht von selbst, dass die Angeklagte den Gewahrsam einer anderen Person gebrochen hat.“ Somit ist jedenfalls nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ davon auszugehen, dass A im Tatzeitpunkt Alleingewahrsam an den Tabletten hatte. Eine Wegnahme scheidet somit aus. II. Ergebnis A ist nicht strafbar gem. §§ 242 I StGB. C. Strafbarkeit gem. § 246 I, II StGB bzgl. des Oxycodons Durch das Mitnehmen des Oxycodons könnte A sich jedoch wegen veruntreuender Unterschlagung gem. § 246 I, II StGB an diesem Medikament strafbar gemacht haben. I. Tatbestand 1. Grunddelikt: § 246 I StGB a) Fremde bewegliche Sache Die Tabletten sind fremde bewegliche Sachen (s.o.). Jura Intensiv b) Zueignung A müsste sich die Tabletten zugeeignet haben, also einen Zueignungswillen nach außen erkennbar manifestiert haben. A hatte im Zeitpunkt des Mitnehmens der Tabletten den Willen, das Oxycodon selbst zu behalten, es also ihrem Vermögen einzuverleiben, und hatte deshalb Aneignungswillen. Da sie es auch dem Eigentümer nicht zurückgeben wollte, hatte sie den Willen, diesen dauerhaft zu enteignen, sodass auch der erforderliche Enteignungswille vorlag. A hat also mit Zueignungswillen gehandelt. Durch das Mitnehmen des Medikaments hat sich auch dieser Zueignungswille nach außen erkennbar manifestiert. Eine Zueignung ist somit gegeben. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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