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RA Digital - 09/2018

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504 Strafrecht

504 Strafrecht RA 09/2018 c) Rechtswidrigkeit der Zueignung Da A keinen Anspruch auf die Zueignung hatte, ist diese auch rechtswidrig. d) Vorsatz A handelte mit Vorsatz bzgl. der objektiven Tatumstände. BGH, Beschluss vom 05.08.2010, 2 StR 385/10, NJW 2010, 3175 Schumacher, JURA INTENSIV, BT I, Rn 103, 123 2. Qualifikation: § 246 II StGB Die Medikamente könnten A anvertraut gewesen sein. Anvertraut i.S.v. § 246 II StGB ist die Sache dem Täter dann, wenn sie ihm mit der Maßgabe überlassen wurde, mit ihr nur im Interesse des Anvertrauenden zu verfahren, d.h. sie nur zu einem bestimmten Zweck zu verwenden und sie ggf. zurückzugeben. Der Gewahrsam an den Medikamenten im Tresor, insb. auch am Oxycodon, war A mit der Maßgabe übertragen worden, diese nur für die entsprechenden Patienten zu verwenden und den entsprechenden Zugriff nach Schichtende auf die Pflegefachkraft der Nachfolgeschicht durch die Schlüsselübergabe zu übertragen, also die Medikamente wieder herauszugeben. Das Oxycodon war A somit anvertraut. Da A auch Vorsatz bzgl. des Anvertrautseins hatte, hat sie auch den Tatbestand der Qualifikation gem. § 246 II StGB verwirklicht. II. Rechtswidrigkeit und Schuld A handelte rechtswidrig und schuldhaft. III. Ergebnis A ist strafbar gem. § 246 I, II StGB. FAZIT Ein schöner Fall, der die interessante neue Rechtsprechung zum Gewahrsam bei Arbeits- und Dienstverhältnissen fortführt und klassische Probleme der Unterschlagung wiederholen lässt. Wer im Gutachten eine Wegnahme und somit eine Strafbarkeit der A wegen Diebstahls bejaht, muss auch das Vorliegen eines besonders schweren Falles gem. § 243 I 2 Nr. 2 StGB prüfen. Das OLG führt insofern aus: Jura Intensiv „[11] Wer ein verschlossenes Behältnis mit einem (echten) Schlüssel öffnet, den er vom Berechtigten zum Zwecke der Verwendung erhalten und daher befugt in Besitz hat, kann zwar seine Befugnis missbrauchen, ‚überwindet‘ jedoch keine besondere Sicherung gegen Wegnahme. Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird aber ggfs. zu prüfen haben, ob ein unbenannter besonders schwerer Fall (§ 243 Abs. 1 S. 1 StGB) vorliegt.“ Dass der Diebstahl verschlossener Sache durch denjenigen, der befugtermaßen den entsprechenden Schlüssel besitzt, nicht unter § 243 I 2 Nr. 2 StGB fällt, ist zwar nichts Neues. Interessant ist jedoch, dass das OLG ausdrücklich darauf hinweist, dass beim Fehlen eines Regelbeispiels des § 243 I 2 StGB ein unbenannter besonders schwerer Fall gem. § 243 I 1 StGB in Betracht kommt. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 09/2018 Referendarteil: Strafrecht 505 Speziell für Referendare Problem: Vernehmungsbegriff des § 252 StPO Einordnung: Ermittlungsverfahren, Beweisverwertungsverbot OLG Hamburg, Beschluss vom 08.03.2018 1 Ws 114/17 EINLEITUNG Der Anwendungsbereich des § 252 StPO ist nur dann eröffnet, wenn der zeugnisverweigerungsberechtigte Zeuge im Ermittlungsverfahren vernommen wurde. Mit seiner Entscheidung stellt das OLG Hamburg klar, dass Angaben einer zeugnisverweigerungsberechtigten Person in einem familiengerichtlichen Verfahren keine Angaben im Sinne einer Vernehmung nach § 252 StPO darstellen. SACHVERHALT Dem A wird vorgeworfen, am 11.07.2017 mit seiner Ehefrau in der gemeinsamen Wohnung ab 13 Uhr lautstark wegen eines von ihm vermuteten, vorehelichen Intimverhältnisses seiner Ehefrau mit einem anderen Mann gestritten haben. Zunächst soll A seine Ehefrau aufgefordert haben, ihre Sachen zu packen und auszuziehen, sodann jedoch ihr gegenüber geäußert haben, dass es besser sei, „wenn sie tot“ sei. Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung soll der A sie gegen den Kopf geschlagen, in den Bauch geboxt, mit Klebeband an den Händen gefesselt und ihren Mund damit zugeklebt und sie aufgefordert haben, einen Abschiedsbrief an ihre Eltern zu schreiben. Sodann soll er mit seiner Ehefrau das Badezimmer betreten und ihr angekündigt haben, dass sie nun sterben werde. Er soll die Badewanne mit Wasser gefüllt, seiner Ehefrau das Kleid ausgezogen, den Fön an die Steckdose angeschlossen und seine Ehefrau aufgefordert haben, sich in die Wanne zu setzen, wobei er hinzugefügt haben soll, dass er den Fön in die Wanne fallen lassen werde. Die Ehefrau konnte jedoch aus dem Badezimmer und schließlich aus der Wohnung heraus flüchten und von Nachbarn versorgt werden. Die Ehefrau des A hat im Laufe des Ermittlungsverfahrens wiederholt im Rahmen polizeilicher Vernehmungen Angaben zum Tatgeschehen gemacht. Zu keinem Zeitpunkt wurde sie ermittlungsrichterlich vernommen. Einen Tag nach der Tat hat sie beim örtlich zuständigen AG - Familiengericht - eine einstweilige Anordnung gegen den A nach dem Gewaltschutzgesetz erwirkt und mit ihrem Antrag auch Schilderungen zum Tathergang vorgetragen. Später hat sie mitgeteilt, dass sie sich fortan auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen werde. Jura Intensiv LEITSATZ (DER REDAKTION) Die Angaben eines Zeugen gegenüber dem Urkundsbeamten des Familiengerichts zur Erwirkung einer einstweiligen Schutzanordnung nach § 1 GewSchG unterfallen nicht dem Beweisverwertungsverbot aus § 252 StPO. Dürfen die Angaben der Ehefrau in dem Verfahren vor dem Familiengericht gegen A in einem strafgerichtlichen Verfahren verwertet werden? LÖSUNG Gemäß § 244 II StPO haben Gerichte in Strafverfahren „zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle… Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind“. Diese Vorschrift zwingt jedoch nicht zu einer Wahrheitsermittlung um jeden Preis. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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