456 Zivilrecht RA 09/2018 Problem: Kauf von Konzertkarten im Internet Einordnung: Internationales Privatrecht, BGB AT AG Dortmund, Urteil vom 19.07.2018 425 C 970/18 LEITSATZ 1. Auf den Kaufvertrag über Konzertkarten bei einem holländischen Tickethändler ist deutsches Recht anwendbar. 2. Das Angebot um Erwerb von Konzertkarten auf einer Internetseite eines Tickethändlers stellt lediglich eine invitatio ad offerendum dar. 3. Der Kunde gibt über die Auswahl der Karten das Angebot auf Vertragsschluss ab. 4. Die Annahme des Angebots erfolgt durch das Bestätigungsschreiben des Tickethändlers. 5. Der Zusatz in der Bestätigung „Super Sicht“ ist eine Beschaffenheitsvereinbarung. 6. Plätze im Oberrang ca. 90 Grad zu Bühne haben zumindest keine „Super Sicht“, unabhängig davon, ob die Sicht konkret beschränkt ist. Man sollte beim Buchen immer einen „screenshot“ machen. EINLEITUNG Karten für Konzerte und andere Veranstaltungen werden mittlerweile sehr oft im Internet gekauft. Dabei verläuft jedoch nicht immer alles reibungslos. Welche Rechte dem Käufer in dieser Situation zustehen, steht im Mittelpunkt der vorliegenden Entscheidung. SACHVERHALT Der Kläger (K) wohnt in Dortmund und möchte gerne zum Konzert der Band „Depeche Mode“ am 15.01.2018 um 20:00 Uhr in der Lanxess Arena in Köln gehen. Die Beklagte (B) ist Betreiberin der Internetseite www.ticket.de und handelt mit Konzertkarten. Sie hat ihren Geschäftssitz in Amsterdam. Am 14.09.2017 besucht K die Internetseite der B und bucht zwei nebeneinander liegende Sitzplätze für das oben bezeichnete Konzert zu einem Gesamtpreis von 298,- € zzgl. einer Zustellgebühr von 7,50 €. Mit E-Mail vom 14.09.2017 bestätigt B dem K den Auftrag vorbehaltlich einer rechtzeitigen Zahlung. In dieser E-Mail wird die gebuchte Veranstaltung wie folgt umschrieben: „Depeche Mode, 15.01.2018, 20:00 Uhr, Lanxess Arena Köln, Sitzplatz Tribüne - Super Sicht - Plätze sind Nebeneinander“. Nach Erhalt der E-Mail bezahlt K den Gesamtpreis i.H.v. 305,50 € an die B. Daraufhin übersendet diese ihm zwei Konzertkarten mit dem Aufdruck: „604 Eingang Nord, seitlich der Bühne, eingeschränkte Sicht“. Der Block 604 befindet sich laut Saalplan auf dem Oberrang, seitlich, fast auf Höhe der Bühne. K fordert B daraufhin auf, ihm Karten mit den Merkmalen „Sitzplatz- Tribüne - Super Sicht - Plätze sind nebeneinander“ zu übersenden. Diese Aufforderung lehnt B mit E-Mail vom 25.09.2017 und dem Hinweis ab, er habe die Konzertkarten übersandt bekommen, die er auch bestellte. Am 25.10.2017 fordert K die B unter Fristsetzung bis zum 08.11.2017 erfolglos auf, ihm die Konzertkarten mit den Merkmalen „Sitzplatz- Tribüne- Super Sicht- Plätze sind nebeneinander“ zu übersenden. K erklärt daher gegenüber B mit Schreiben vom 17.11.2017 den Rücktritt vom Kaufvertrag und fordert B zur Rückzahlung der 303,50 € auf. K behauptet, er habe durch Anklicken des Saalplans auf der Internetseite der B zwei Sitzplätze gegenüber der Bühne, also mit frontaler Sicht auf diese, gebucht. Er ist der Ansicht, er habe die Karten mit den Merkmalen „Sitzplatz Tribüne - Super Sicht - Plätze sind Nebeneinander“ erworben. B erwidert, K habe nicht zwei Sitzplätze gegenüber der Bühne mit frontaler Sicht auf diese gebucht, sondern lediglich zwei nebeneinander liegende Sitzplätze der Kategorie „Sitzplatz Tribüne“. Diese Buchung habe K durch Anklicken der gewünschten Kategorie vorgenommen. Von den gebuchten Sitzplätzen habe man in dem gewünschten Konzert einen direkten, ungehinderten Blick auf die Bühne gehabt. Die Beschreibung „Super Sicht“ in ihrer E-Mail vom 14.09.2017 solle dem Kunden nur signalisieren, dass er eine gute Sicht habe und diene der Steigerung der Vorfreude bei diesem. K verlangt weiterhin Rückzahlung der 303,50 €. Zu Recht? Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 09/2018 Zivilrecht 457 PRÜFUNGSSCHEMA A. K gegen B gem. §§ 437 Nr. 2, 323, 346 I BGB I. Anwendbarkeit des deutschen Rechts II. Wirksamer Kaufvertrag III. Mangel bei Gefahrübergang IV. Fristsetzung gem. § 323 I BGB V. Kein Ausschluss gem. § 323 V 2 BGB VI. Rücktrittserklärung gem. § 349 I BGB VII. Rechtsfolge B. Ergebnis Prüfungsvermerk: Art. 6 I a) Rom-I-VO: Unbeschadet der Artikel 5 und 7 unterliegt ein Vertrag, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann ("Verbraucher"), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt ("Unternehmer"), dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Art. 3 Nr. 1b) EGBGB: Soweit nicht unmittelbar anwendbare Regelungen der Europäischen Union in ihrer jeweils geltenden Fassung, insbesondere die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), maßgeblich sind, bestimmt sich das anzuwendende Recht bei Sachverhalten mit einer Verbindung zu einem ausländischen Staat nach den Vorschriften dieses Kapitels (Internationales Privatrecht). Art. 2a) CISG: Dieses Übereinkommen findet keine Anwendung auf den Kauf von Waren für den persönlichen Gebrauch oder den Gebrauch in der Familie oder im Haushalt, es sei denn, dass der Verkäufer vor oder bei Vertragsabschluss weder wusste noch wissen musste, dass die Ware für einen solchen Gebrauch gekauft wurde. LÖSUNG Jura Intensiv A. K gegen B gem. §§ 437 Nr. 2, 323, 346 I BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung von 303,50 € gem. §§ 437 Nr. 2, 323, 346 I BGB haben. I. Anwendbarkeit des deutschen Rechts Dazu müsste deutsches Recht anwendbar sein. Problematisch ist insoweit, dass der Geschäftssitz der B in Amsterdam liegt. „[24] Deutsches Recht ist nach Art. 6 I a) Rom I VO i.V.m. Art 3 Nr. 1b) EGBGB anwendbar, weil es sich bei K um einen Verbraucher handelt und bei B um eine Unternehmerin. Aus diesem Grund ist auch das UN-Kaufrecht nicht anwendbar, Art. 2a) CISG.“ II. Wirksamer Kaufvertrag Weiterhin müssten K und B einen wirksamen Kaufvertrag gem. § 433 BGB geschlossen haben. Trotz des Geschäftssitzes in Amsterdam findet deutsches Recht gem. Art. 6 I a) Rom-I-VO i.V.m. Art. 3 Nr. 1b) EGBGB Anwendung. CISG hat gem. Art. 2a) CISG nur Vorrang, wenn es sich bei beiden Vertragspartnern um Unternehmer handelt. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
RA 09/2018 Strafrecht 503 Mitgewahr
RA 09/2018 Referendarteil: Strafrec
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