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RA Digital - 09/2019

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460 Zivilrecht

460 Zivilrecht RA 09/2019 der Sohn die Software nicht heruntergeladen und damit keinen Schaden zugefügt hat. Zur Führung der Aufsicht über die 17-jährige, zu Besuch weilende Nichte war B weder gesetzlich, noch vertraglich verpflichtet. Hohe Anforderungen an eine konkludent erfolgte Übernahme einer Aufsichtspflicht über Minderjährige BGH, GRUR 1990, 542 - Aufklärungspflicht des Unterwerfungsschuldners MüKo/Fritsche, ZPO § 138 Rn 16 [56] Auch kann nicht von einer konkludenten Übernahme der Aufsichtspflicht ausgegangen werden. Teils wird insoweit auf einen fingierten Rechtsbindungswillen abgestellt, teils auf die faktische Übernahme von Aufgaben des Pflichtigen. Nach beiden Auffassungen ist jedoch meist eine längerfristige Übernahme der Pflichten notwendig. Entgeltlichkeit der Aufsichtsübernahme, bei der häufig eine Versicherung abgeschlossen ist, ist ein weiteres Argument für die vertragliche oder faktische Übernahme der Aufsichtspflicht, ebenso die fehlende Aufsichtsmöglichkeit der Eltern, so z.B. wenn das Kind seine Ferien bei den Verwandten verbringt. Bei kurzzeitigen Aufenthalten des Kindes in anderen Familien soll jedoch eher keine Übernahme der Aufsichtspflicht bestehen. Folglich scheidet ein Anspruch aus § 832 BGB aus. C. Anspruch auf Ersatz der sinnlos aufgewendeten Rechtsverfolgungskosten in Hinblick auf die Nichte gem. § 826 BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Ersatz der sinnlos aufgewendeten Rechtsverfolgungskosten in Hinblick auf die Abmahnung der Nichte gem. § 826 BGB haben. K ist durch die sinnlose Abmahnung der Nichte und der dadurch ausgelösten Anwaltskosten ein Vermögensschaden entstanden. Ferner wusste B aus dem Gespräch mit dem Sohn, dass die Nichte nicht die Täterin war. Hier könnte eine Sittenwidrigkeit darin liegen, dass B wider besseres Wissen gegenüber K ihre Nichte als Täterin bezeichnet hat. [76] Dennoch hat die Beklagte zu 1. in der Klageerwiderung und auch im weiteren Prozessverlauf bis zum 09.07.2019 vortragen lassen, dass die nunmehrige Beklagte zu 2. das streitgegenständliche Computerspiel zum Herunterladen bereitgestellt habe. Hierdurch hat die Beklagte gegen ihre prozessuale Wahrheitspflicht (§ 138 ZPO) verstoßen. Dies hatte – wie für die anwaltlich vertretene Beklagte zu 1. zu erwarten war – zur Folge, dass die Klägerin die Beklagte zu 2. abmahnte und sodann gerichtlich gegen diese vorging, was Kosten bei der Klägerin verursachte. Hierdurch hat die Beklagte zu 1. die Klägerin bewusst in einen - nach eigener Kenntnis aussichtslosen - Prozess gegen die Beklagte zu 2. und damit hinsichtlich der diesbezüglichen Kosten „ins offene Messer“ laufen lassen. Dieses Verhalten stellt eine sittenwidrige und vorsätzliche Handlung im Sinne von § 826 BGB dar, mit der Folge, dass die Beklagte zu 1. der Klägerin alle Schäden zu ersetzen hat, die dieser aufgrund der Rechtsverfolgung der Beklagten zu 2. nach dem Erhalt der Klageerwiderung vom 04.09.2017 entstanden sind. Jura Intensiv D. Ergebnis K hat gegen B einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der durch die sinnlose Abmahnung der Nichte der Klägerin entstanden ist. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 09/2019 Zivilrecht 461 Problem: Anfechtung der Annahme der Erbschaft gem. § 119 II BGB Einordnung: BGB AT, Erbrecht Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23.07.2019 3 W 55/19 EINLEITUNG Wer zum Erben berufen ist, hat sechs Wochen Zeit, die Erbschaft auszuschlagen. Die Uhr tickt. Denn ist der Nachlass überschuldet, trifft den Erben die Erbenhaftung aus §§ 1922, 1967 BGB, Miterben haften gem. § 2058 BGB als Gesamtschuldner. Zwar besteht gem. § 1956 BGB die Möglichkeit, das Versäumen der Ausschlagungsfrist anzufechten, jedoch muss auch hier ein Anfechtungsgrund dargelegt und bewiesen werden. Dass dies nicht immer einfach ist, zeigt der vorliegende Fall. SACHVERHALT Am 02.03.2017 beantragte A, ihm einen Erbschein nach der 2010 verstorbenen Erblasserin zu erteilen, nach welchem er selbst zu einem Drittel, ein weiterer Sohn der Erblasserin, Herr H… K…, ebenfalls zu einem Drittel und zwei Urenkel der Erblasserin zu je einem Sechstel Erben geworden sind. Ihm war hierbei bekannt, dass zuvor zahlreiche potentielle weitere (gesetzliche) Erben das Erbe ausgeschlagen hatten. Die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft gem. § 1943 BGB hatte er 2010 versäumt. Ein entsprechender Erbschein wurde am 30.05.2017 antragsgemäß erteilt. Am 09.08.2017 ging bei dem Nachlassgericht eine notariell beglaubigte Erklärung des A ein, mit der er die Anfechtung der Annahme der Erbschaft wegen Irrtums über eine wesentliche Eigenschaft erklärte und die Erbschaft ausschlug. Zur Begründung gab er an, er habe erst seit dem 11.07.2017 Kenntnis darüber erlangt, dass die Erblasserin ein Grundstück mit Schulden hinterlassen habe. Durch einen am Kauf des Grundstücks interessierten Käufer habe sich herausgestellt, dass die Schulden den Wert des Grundstücks wahrscheinlich überstiegen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat er vorgetragen, sein am 05.06.2016 verstorbener Bruder, der Miterbe H… K…, habe sich allein um die Verwaltung des Nachlasses gekümmert. Er selbst habe sich vor dessen Tod mehrfach mit seinem Bruder in Verbindung gesetzt, habe aber trotz Aufforderung keine Auskünfte über die Zusammensetzung des Nachlasses erhalten. Zu Recht? Jura Intensiv LEITSATZ DER REDAKTION 1. Die Überschuldung der Erbschaft stellt eine verkehrswesentliche Eigenschaft dar, die zur Anfechtung der Annahme der Erbschaft gem. § 119 II BGB berechtigen kann, wenn der Irrtum bezüglich der Überschuldung auf falschen Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses, also bezüglich des Bestandes an Aktiva oder Passiva, beruht. 2. Nicht zur Anfechtung berechtigt ist, wer ohne nähere Kenntnis der Zusammensetzung des Nachlasses einer Fehlvorstellung über dessen Größe unterlag. LÖSUNG A. Anfechtung des A gem. §§ 1954 ff. BGB Fraglich ist, ob A gem. §§ 1954 ff. BGB die Annahme der Erbschaft erfolgreich angefochten hat. I. Annahme der Erbschaft Wer zum Erben berufen ist, nimmt die Erbschaft gem. § 1943 BGB an, wenn er sie nicht binnen der Frist des § 1943 BGB ausschlägt. Diese Frist versäumte A im Jahre 2010. Folglich hat A im Jahr 2010 die Erbschaft angenommen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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