Aufrufe
vor 2 Jahren

RA Digital - 09/2021

  • Text
  • Verlagjuraintensivde
  • Recht
  • Beschluss
  • Entscheidung
  • Stgb
  • Anspruch
  • Verlags
  • Urteil
  • Inhaltsverzeichnis
  • Jura
  • Intensiv
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

468 Referendarteil:

468 Referendarteil: Zivilrecht RA 09/2021 Der Absatz ist hochgradig missverständlich aufgrund der Formulierung „im Fall der bloßen Ausübung seines Widerrufsrechts“. Gemeint ist letztendlich, dass in dem Fall, dass sowohl die Kündigung als auch der Widerspruch wirksam erklärt worden sind, die für den Verbraucher günstige Rechtsfolge des Widerrufs maßgeblich ist. Wird nämlich „nur“ der Widerruf erklärt, stellt sich das Problem einer ggf. ungünstigeren Rechtsfolge aufgrund von § 628 BGB für den Verbraucher nicht. [33] Sowohl der Schutzzweck der §§ 312b, 312d, 355, 357 BGB als auch das Gebot einer möglichst wirksamen Anwendung des Rechts der Union (effet utile) stehen jedenfalls einer Auslegung des § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen, die dazu führen würde, dass der Verbraucher im Fall der bloßen Ausübung seines Widerrufsrechts Ansprüchen des Unternehmers ausgesetzt ist, die über die gegebenenfalls nach § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB geschuldete Verpflichtung zum Wertersatz hinausgehen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. FAZIT Der Fall kombiniert Probleme aus dem AGB-Recht gemäß den §§ 305 ff. BGB mit dem Verbraucherschutzrecht in Form des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen. Es galt zu erkennen, dass die Klausel, wonach der Kunde die sofortige Ausführung der unternehmerischen Leistung unter Kenntnis des Erlöschens des Widerrufsrechts bei vollständiger Leistung, ihren Rechtsgrund in § 356 IV 1 BGB hat und in diesem Fall tatbestandlich nicht erfüllt ist. Daher ist das Widerrufsrecht nicht erloschen. Im Rahmen der Rechtsfolge des Widerrufs muss beachtet werden, dass der Unternehmer, der bereits Leistungen zum Zeitpunkt des Widerrufs erbracht hat, Wertersatz hierfür geltend machen kann. Grund dafür ist, dass dem Verbraucher zwar ein Widerrufsrecht zusteht, dieser aber nicht durch die Ausübung dieses Rechts aufgrund der bereits erhaltenen und hier nicht rückgabefähigen Leistungen bereichert werden darf. Dies ist in § 357 VIII 1 BGB geregelt. Offenkundige Probleme ergeben sich im Rahmen der Wertermittlung. Es gilt sich zu merken, dass der Wertersatz bei Dauerschuldverhältnissen – vereinfacht gesagt – grundsätzlich pauschalisiert wird, indem die vertraglich geschuldete Vergütung auf die Vertragslaufzeit umgerechnet wird. Etwas anderes gilt nur bei Vergütungen, die vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis in Rechnung gestellt werden. Kündigt der Verbraucher neben dem Widerruf, ergibt sich die Frage, ob die Rechtsfolgen des Widerrufs und die der Kündigung, hier gemäß §§ 627, 628 BGB, identisch sind. Sind beide Gestaltungsrechte wirksam erklärt, wird der Verbraucher dahingehend privilegiert, dass die für ihn ggf. günstigere Rechtsfolge des Widerrufs maßgeblich ist. Jura Intensiv Beachten Sie in diesem Zusammenhang die Entscheidungen aus der RA 08/21, S. 393 ff. sowie die Entscheidung auf Seite 449 aus diesem Heft. Die Thematik in Bezug auf die Partnerschaftsvermittlungsverträge wird gerne geprüft. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 09/2021 Referendarteil: Zivilrecht 469 Problem: Voraussetzungen des § 892 ZPO Einordnung: ZPO II BGH, Beschluss vom 17.06.2021 I ZB 68/20 EINLEITUNG In den meisten Fällen schließen Mieter selbst Versorgungsverträge für Strom mit Energieversorgungsunternehmen ab, während die Wärmeversorgung in der Regel vermieterseitig erfolgt und über die Nebenkosten abgerechnet wird. Ist der Vermieter somit nicht Vertragspartner und Schuldner, kann der Energieversorger bei offenen Stromrechnungen nur gegen den Mieter als Schuldner vorgehen. Im vorliegenden Fall versucht ein solches Unternehmen, seinen erwirkten Titel gegen den Schuldner (und Mieter) durchzusetzen. Der Gerichtsvollzieher lehnte die Vollstreckung in diesem Fall ab, die Erinnerung des Unternehmens blieb erfolglos. Die folgende Entscheidung ist der auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hin ergehende Beschluss des Landgerichts. GRÜNDE I. Die Gläubigerin G ist ein Energieversorgungsunternehmen. Sie betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil, durch das der Schuldner S verurteilt wurde, einem mit einem Ausweis versehenen Mitarbeiter oder Beauftragten der (…) GmbH als Netzbetreiber Zutritt zur Stromabnahmestelle in der Verbrauchsstelle B.-Straße in (Stadt) zu gewähren und die Sperrung der Abnahmestelle durch Hinwegnahme des Stromzählers mit der Nummer (…) zu dulden. An der genannten Adresse befindet sich ein Mehrfamilienhaus, in dem der S eine Wohnung als Mieter bewohnt. Die G beauftragte den Gerichtsvollzieher mit der Durchsetzung der titulierten Verpflichtung. Jura Intensiv Der zuständige Gerichtsvollzieher hat die Zwangsvollstreckung eingestellt, weil der S erklärt habe, alle Zähler des Hauses befänden sich in einem Kellerraum, zu dem er – der S – keinen Schlüssel, somit weder Mitgewahrsam an diesem Raum noch Zutritt dazu, habe. Die Vollstreckung sei ihm, dem G, mit Blick auf den bezüglich des Zählerstandorts unbestimmten Titel und die zudem nicht titulierte Verpflichtung Dritter zur Zutrittsgewährung nicht möglich. Hiergegen hat sich G mit Erinnerung vom (…) gewandt. Diese hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom (…) zurückgewiesen. Gegen diesen, ihr am (…) zugestellten, Beschluss hat G sofortige Beschwerde mit Schriftsatz vom (…) eingelegt. G vertritt die Rechtsauffassung, sie habe einen gesetzlichen Zutrittsanspruch gegen den S zum Gemeinschaftszählerraum. II. Die zulässige sofortige Beschwerde der G ist unbegründet. Sie ist gemäß §§ 793, 567 I 1 ZPO statthaft. Insbesondere wurde sie form- und fristgerecht gemäß § 569 ZPO eingelegt. Der Beschluss des Amtsgerichts gemäß LEITSATZ 1. Ein Titel, der den Schuldner verpflichtet, Zutritt zu einer Stromabnahmestelle zu gewähren und deren Sperrung durch Wegnahme des Stromzählers zu dulden, kann insgesamt nach § 892 ZPO durch Hinzuziehung des Gerichtsvollziehers vollstreckt werden. 2. Für eine Hinzuziehung des Gerichtsvollziehers nach § 892 ZPO reicht es aus, wenn der Gläubiger eine dem Schuldner zurechenbare Widerstandshandlung als bevorstehend behauptet. 3. Ist der Schuldner aufgrund des Duldungstitels auch dazu verpflichtet, Zutritt zu einem Raum zu gewähren, ist für eine Vollstreckung dieser ergänzenden Handlungspflicht nach § 892 ZPO erforderlich, dass der Schuldner zumindest Mitgewahrsam an diesem Raum hat. Andernfalls richtet sich die Zwangsvollstreckung insoweit nicht gegen ihn und es fehlt an einer Widerstandsleistung des Schuldners im Sinne von § 892 ZPO. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ergeht hier ebenfalls in Beschlussform. Daher ist es üblich, die Gliederung nicht in „Sachverhalt“ und „Entscheidungsgründe“ zu untergliedern, sondern in Gründe zu I. und zu II. Prozessgeschichte wird grds. im Indikativ Perfekt dargestellt Lassen Sie sich nicht dadurch verunsichern, dass hier keine Anträge gestellt werden. Ursache hierfür ist § 569 II ZPO. Ausreichend für eine Beschwerde ist, dass die angegriffene Entscheidung erkennbar ist. Ein konkreter Antrag der Parteien ist nicht erforderlich, Thomas/Putzo/ Reichold, ZPO, § 569 Rn 10. Anders in der Berufungsschrift gemäß § 519 IV, 253 II Nr. 2 ZPO. Klassische Prüfung einer sofortigen Beschwerde. Die Beschwerde muss zulässig und begründet sein. Sie ist begründet, wenn die erstinstanzliche – angegriffene – Entscheidung wiederum zulässig und begründet war. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats