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RA Digital - 09/2022

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488 Öffentliches Recht

488 Öffentliches Recht RA 09/2022 Konflikt zwischen Versammlung und Gegendemonstranten führt ebenfalls nicht zur Ermessensreduzierung auf Null. Kirmesgelände geeigneter Versammlungsort? Zum Prüfungsaufbau: Das kann alternativ schon bei der Anspruchsgrundlage angesprochen werden. Kriterien für Schutz des Versammlungsortes (vgl. sog. Fraport- Entscheidung des BVerfG, RA 2011, 169) Subsumtion: Kirmesgelände ist geeigneter Versammlungsort § 17 VersammlG (-) […] Die geringfügigen, zwischen den konkurrierenden Versammlungen aufgetretenen Konflikte bewegten sich im Rahmen eines üblichen Versammlungsgeschehens und hatten ihren Ursprung auch nicht ausschließlich oder überwiegend in der Demonstration der Beigeladenen. […] Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg argumentieren, der T.-platz sei der Ausübung der Versammlungsfreiheit prinzipiell entzogen. […] Die Versammlungsfreiheit verschafft kein Zutrittsrecht zu beliebigen Orten. Insbesondere gewährt sie keinen Zutritt zu Orten, die der Öffentlichkeit nicht allgemein zugänglich sind oder zu denen schon den äußeren Umständen nach nur zu bestimmten Zwecken Zugang gewährt wird. […] Von der Versammlungsfreiheit ausgenommen sind auch Orte, zu denen der Zugang individuell kontrolliert oder nur für einzelne, begrenzte Zwecke gestattet wird. Demgegenüber verbürgt die Versammlungsfreiheit die Durchführung von Versammlungen aber dort, wo ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist. […] Nach diesen Grundsätzen konnte die Versammlungsfreiheit prinzipiell auf dem T.-platz ausgeübt werden. Dieser ist ein öffentlich zugänglicher Kommunikationsraum, auf dem Veranstaltungen wie die regelmäßige T1. stattfinden. Etwaigen Gefahrenlagen und […] Sicherheitsbedenken, die im Fall der Versammlung der Beigeladenen aber nicht ersichtlich sind, ist nicht allgemein dadurch Rechnung zu tragen, den T.-platz der Versammlungsfreiheit zu entziehen. Vielmehr ist ihnen […] im Einzelfall zunächst mit versammlungsrechtlichen Auflagen zu begegnen. Auch aus § 17 VersammlG folgt nichts anderes. Diese Bestimmung […] besagt lediglich, dass die genannten „sonstigen“ Veranstaltungen nicht dem Regime des Versammlungsgesetzes unterliegen, weil sie grundsätzlich nicht von Art. 8 GG geschützt sind. Sie enthält keine Aussage darüber, wie mit Versammlungen, die etwa anlässlich eines Volksfestes auf einem Volksfestgelände durchgeführt werden, versammlungsrechtlich umzugehen ist.“ Jura Intensiv Demnach war das behördliche Auswahlermessen nicht auf Null reduziert, sodass der von K geltend gemachte gebundene Anspruch auf Verlegung der Versammlung an einen Ort außerhalb des Kirmesgeländes nicht bestand. FAZIT Examensrelevant an dem Urteil ist zum einen die Herleitung eines Anspruchs auf behördliches Einschreiten im Gefahrenabwehrrecht. Das stellt Examenskandidaten erfahrungsgemäß immer wieder vor Probleme. Zum anderen sind die Ausführungen zur Ermessensreduzierung auf Null von großer Bedeutung, weil das OVG hier allgemein gültige Maßstäbe für den Bereich des Versammlungsrechts nennt. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 09/2022 Referendarteil: Öffentliches Recht 489 Speziell für Referendare Problem: Beseitigung von Werbung an einer Bundesstraße Einordnung: Straßenverkehrsrecht VGH München, Beschluss vom 08.06.2022 11 CS 22.926 EINLEITUNG Wie bereits in der Ausgabe 6/2022, 319 wird in der aktuellen „RA“ nochmals eine Rechtsmittelentscheidung im vorläufigen Rechtsschutz dargestellt. Inhaltlich geht es um besonderes Gefahrenabwehrrecht unter Beachtung der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte. [Anm.: Im 2. Examen sind die ÖR-Klausuren regelmäßig weitgehend identisch mit Originalentscheidungen. Daher werden die Entscheidungen in der RA möglichst umfassend abgedruckt, auch um auf typische Formulierungen in der Praxis hinzuweisen.] GRÜNDE I. „Die Antragstellerin wendet sich gegen die Verpflichtung, den von ihr an einer Halle aufgebrachten und von einer Bundesstraße aus sichtbaren Schriftzug zu entfernen oder abzudecken. Die Antragstellerin ist ein mittelständisches Unternehmen mit Sitz in der Gemeinde T... (Ortsteil E...). Im Herbst des Jahres 2020 ließ sie an einer Lagerhalle auf einer Länge von ca. 40 m zwei Fassadengemälde (eines davon mit ihrem Firmenlogo) und darüber in Großbuchstaben den Schriftzug „Das schönste Wappen auf der Welt, das ist der Pflug im Ackerfeld“ anbringen. Die Entfernung der Halle von der durch den Ort verlaufenden Bundesstraße ... beträgt ca. 40 m. Die Fassade mit den Abbildungen und dem Schriftzug liegt aus Richtung D... kommend linksseitig etwa auf Höhe der Ortstafel (Zeichen 310 nach Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO). Die davor liegende Grundstücksfläche ist landwirtschaftlich bewirtschaftet und lässt den Blick auf die Halle frei. Jura Intensiv Mit Schreiben vom 14. Juli 2021 forderte das Landratsamt D. (Verkehrswesen) die Antragstellerin auf, den Schriftzug samt den dazugehörigen Bildern zu entfernen bzw. neutral abzudecken. Der gewählte Standort sei mit einer Gefahr für Verkehrsteilnehmer auf der Bundesstraße verbunden, die durch die Abbildungen und den Schriftzug abgelenkt oder belästigt würden. Vor dem Ortsbeginn sei es in der Vergangenheit aufgrund der Lichtsignalanlage im Ort vor allem während der Berufsverkehrszeiten zu Auffahrunfällen gekommen und deshalb in diesem Bereich das Verkehrszeichen 124 („Stau“) angebracht worden. Die Ablenkung erhöhe die Gefahr, dass es zukünftig wieder zu Auffahrunfällen komme. Mit Schreiben vom 30. August 2021 teilte der Bevollmächtigte der Antragstellerin dem Landratsamt mit, die Antragstellerin wäre bereit, durch eine Anpflanzung einer Miscanthus-Hecke, die „extrem schnellwüchsig“ LEITSATZ Entsteht durch Werbung oder Propaganda eine nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 StVO relevante Gefährdung durch Ablenkung von Verkehrsteilnehmern außerhalb geschlossener Ortschaften, ist angesichts des hohen Rangs des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit und der insoweit dem Staat obliegenden Schutzpflicht eine Beseitigungsanordnung auch dann gerechtfertigt, wenn die Werbung oder Propaganda dem Kunstbegriff des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unterfällt. Gleiches gilt für etwaige Grundrechte des von der Untersagung Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) oder Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentum). Ein Einleitungssatz ist in der Praxis zwar üblich, in einer Klausur aber nicht erforderlich, wenn im Rubrum unter „wegen“ eine Zusammenfassung des Streitgegenstandes erfolgt. Geschichtserzählung / Unstreitiges / feststehender Sachverhalt: Grds. Indikativ Imperfekt. Ausn.: Vorgänge / Zustände reichen bis in die Gegenwart (sog. IST- Zustände), dann Indikativ Präsens. Statt „Landratsamt D.“ sollte in einer Klausur die Beteiligtenbezeichnung „Antragsgegner“ verwendet werden Diese ganzen Daten müssten in einer Klausur nicht mitgeteilt werden, da sie für die rechtliche Würdigung uninteressant sind. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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