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RA Digital - 10/2016

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522 Referendarteil:

522 Referendarteil: Zivilrecht RA 10/2016 Unter der Überschrift „Weiterabtretung zur Geltendmachung an die Verrechnungsstelle“ in demselben Formular bot der Sachverständige der Klägerin die vorstehend vereinbarte Forderung inklusive aller Nebenrechte und Surrogate zur Abtretung an und verzichtete auf den Zugang der Annahmeerklärung. Dieses Abtretungsformular wird in vergleichbarer Form in einer Vielzahl von Fällen auch von anderen Kunden der Klägerin im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Klägerin verwendet. Weil nichts streitig war, fehlt streitiger Vortrag. Die Rechtsansichten gehören im vorliegenden Fall zum Vortrag der Beklagten. Parteianträge Ohne die Angabe der Rechtsauffassungen der Beklagten bliebe unklar, warum sie sich weigert, an die Klägerin zu zahlen. Prüfen Sie aber jeweils im Einzelfall, ob die Aufnahme von Rechtsansichten erforderlich ist! Wegen der Unwirksamkeit der Erstabtretung ist auch die Folgeabtretung unwirksam. BGH, Urteil vom 18.05.1995, IX ZR 108/94 und Urteil vom 01.10.2014, VII ZR 344/13 BGH, Urteil vom 18.02.2009, IV ZR 11/07 Der Sachverständige berechnete dem Geschädigten für das Gutachten ein Honorar in Höhe von 407,80 € netto. Die Beklagte zahlte darauf einen Betrag in Höhe von 327,13 € an die Klägerin, eine weitergehende Zahlung lehnte sie ab. Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 80,67 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Rechtsauffassung, dass die Abtretung von dem Geschädigten an den Sachverständigen mangels Bestimmtheit und als überraschende AGB- Klausel unwirksam sei. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Denn die Klägerin ist mangels wirksamer Abtretung der Schadensersatzansprüche an den Sachverständigen, der diese weiter an die Klägerin abgetreten hat, nicht aktivlegitimiert. Die fragliche Abtretungsklausel ist gemäß § 305c I BGB wegen ihres überraschenden Charakters nicht Vertragsbestandteil geworden. Eine Weiterabtretung an die Klägerin konnte nicht erfolgen. „Eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat einen überraschenden Inhalt iSv § 305c I BGB, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Das Wesensmerkmal überraschender Klauseln liegt in dem ihnen innewohnenden Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt. Generell kommt es dabei nicht auf den Kenntnisstand des einzelnen Vertragspartners, sondern auf die Erkenntnismöglichkeiten des für derartige Verträge in Betracht kommenden Personenkreises an.“ Jura Intensiv Nach diesen Grundsätzen ist die Klausel überraschend. Der rechtlich nicht vorgebildete durchschnittliche Auftraggeber eines Verkehrsunfall-Schadensgutachtens braucht mit einer derart weiten Abtretung nicht zu rechnen. Auslegung der fraglichen AGB- Klausel Dabei kommt der Klausel nach ihrem äußeren Erscheinungsbild im Wesentlichen folgender Regelungsgehalt zu: Der Geschädigte tritt zur Sicherung des Sachverständigenhonorars von seinen Schadensersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall die Ansprüche auf Ersatz der Position Sachverständigenkosten und weiter, in dieser Reihenfolge, die auf Ersatz von Wertminderung, Nutzungsausfall, Nebenkosten und Reparaturkosten und in Höhe des Honoraranspruchs zuzüglich im Vertrag definierter Fremdkosten und Mehrwertsteuer Inhaltsverzeichnis

RA 10/2016 Referendarteil: Zivilrecht 523 an den Sachverständigen ab. Der Anspruch auf Ersatz einer nachfolgenden Position wird nur abgetreten, wenn der Anspruch auf Ersatz der zuvor genannten Position nicht ausreicht, um den gesamten Honoraranspruch des Sachverständigen zu decken. Eine so weitgehende Sicherung des Sachverständigenhonorars weicht deutlich von den Erwartungen des Vertragspartners ab und braucht von ihm bei der Beauftragung des Schadensgutachtens auch nicht in Betracht gezogen zu werden. Zwar mag es nicht ungewöhnlich sein, dass ein Geschädigter im Rahmen des Auftrages zur Erstellung des Gutachtens seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Sachverständigen abtritt. Dies liegt zunächst im Interesse des Sachverständigen, der einen in der Regel zahlungsfähigen Schuldner, den Haftpflichtversicherer des Schädigers, erhält. Die Abtretung entspricht regelmäßig auch dem Interesse des durchschnittlichen geschädigten Auftraggebers, der möglichst schnell einen Ausgleich vom Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer erhalten will. Eröffnet sich ihm die Möglichkeit einer Erfüllung der Honorarforderung des Sachverständigen ohne eigene finanzielle Vorlage, ist er bereit, seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Sachverständigen abzutreten. Der durchschnittliche Geschädigte rechnet aber nicht damit, dass die Durchsetzung seiner weiteren, nicht die Sachverständigenkosten betreffenden Schadensersatzforderungen verkürzt werden könnte. „Die Abtretung erfolgt in Höhe des Honoraranspruchs zuzüglich Fremdkosten und Mehrwertsteuer gemäß dem - im selben Formular dem Sachverständigen erteilten -„Gutachtenauftrag“. Der auf diesen Vertrag gestützte Honoraranspruch kann, muss aber nicht stets gem. § 249 BGB ersatzfähig sein. (…) Zwar gehören die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen …. Aber auch bei dem Grunde nach unstreitiger vollständiger Haftung des Schädigers richtet sich die Schadensersatzforderung nur auf den gemäß § 249 II 1 BGB zur Herstellung objektiv erforderlichen Geldbetrag und nicht etwa auf Ausgleich der dem Geschädigten vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Beträge. Der Geschädigte kann nämlich vom Schädiger nach § 249 II 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Dieser Betrag kann geringer sein als das vereinbarte Honorar. In der Praxis beanstandet die Schädigerseite auch in zahlreichen gerichtlichen Verfahren das in Rechnung gestellte Sachverständigenhonorar unter Berufung auf die fehlende Erforderlichkeit im Sinne von § 249 II 1 BGB. In einem solchen Fall könnte der Haftpflichtversicherer des Schädigers aber geneigt sein, die Berechtigung der Honorarforderung des Sachverständigen nicht - notfalls gerichtlich - zu klären, sondern stattdessen den für überschießend erachteten Teil des geltend gemachten Sachverständigenhonorars mit den weiteren, dem Sachverständigen abgetretenen Ansprüchen auf Ersatz von Wertminderung, Nutzungsausfall etc. Jura Intensiv Mit einer so weitgehenden Sicherung braucht man nicht zu rechnen. Die Abtretung nur des Anspruchs auf Ersatz der SV-Kosten ist nicht ungewöhnlich. vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsgesetzes vom 30.11.2006, BT-Drucks. 16/3655 S. 53 Man muss hier zwischen dem Vertragsverhältnis des SV und des Geschädigten und der Ersatzfähigkeit im Rahmen des Unfalls unterscheiden – letztere richtet sich nach anderen Kriterien als den vertraglichen Vereinbarungen. Vgl. BGH Urteil vom 22.07.2014, VI ZR 357/13 SV-Kosten müssen der Höhe nach erforderlich sein, BGH, Urteil vom 22.07.2014 Inhaltsverzeichnis

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