Aufrufe
vor 7 Jahren

RA Digital - 10/2016

  • Text
  • Intensiv
  • Jura
  • Inhaltsverzeichnis
  • Anspruch
  • Stgb
  • Urteil
  • Recht
  • Beklagten
  • Strafrecht
  • Zivilrecht
  • Digital
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

542 Referendarteil:

542 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 10/2016 Ausführungen zu Namen und Anschrift des Klägers erfolgten, weil Zweifel bestanden, wer Klage gegen den Leistungsbescheid erhoben hat (s. unten). Merke: Tatbestand als Spiegelbild der Entscheidungsgründe! Klageerhebung als Prozessgeschichte I: Indikativ Perfekt Klagevorbringen: Konjunktiv Präsens Anträge: Indikativ Präsens Ist ein Antrag nur ungenau gefasst, kann er unter Verwendung der Formulierung „sinngemäß“ stillschweigend korrigiert werden. Einer Auslegung des Antrags in den Entscheidungsgründen bedarf es dann nicht. Typische Formulierung in der Praxis. Kann entsprechend auch beim Klägervorbringen angewandt werden. Ist für die Klausur ganz wichtig, um Zeit zu sparen. Beklagtenvorbringen: Präsens Konjunktiv In der Betreffzeile dieses Schreibens bezeichnet sich der Kläger als Fahrzeughalter. Im Briefkopf und über dem Adressfeld wird „N. V. N1.“ als Absender genannt; auch die Unterschrift ist mit diesem Namen ausgewiesen. Am Ende des Schreibens fordert der Kläger die Beklagte auf, weiteren Schriftverkehr an die Adresse „N. V. N1. , c/o M. N1., L. Landstraße 000, 00000 E.“ zu senden. Im Briefkopf ist hingegen die Anschrift O. 00, 00000 I. genannt, während über dem Adressfeld wiederum die Anschrift in E. zu finden ist. Einen Hinweis auf einen „N. N1.“ (ohne den zweiten Vornamen V.) enthält das Schreiben nicht. Am 31. August 2015 erließ die Beklagte den angegriffenen Leistungsbescheid, mit dem sie Auslagen für die Sicherstellung in Höhe von 77,35 Euro und Verwaltungsgebühren in Höhe von 80,00 Euro (Abschleppen) bzw. 17,50 Euro (Verwahrung vom 25. bis zum 31. August 2015) geltend macht. Der festgesetzte Gesamtbetrag beläuft sich auf 174,85 Euro. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass das entstempelte Fahrzeug eine Störung der öffentlichen Sicherheit darstelle, da es straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zuwider weiterhin im öffentlichen Straßenraum abgestellt sei. Aufgrund des erheblichen innerstädtischen Parkdrucks sei der Verkehr dadurch erschwert. Der Bescheid wurde dem Kläger unter der von ihm angegebenen Anschrift „N. N1., L. Landstr. 000 c/o M. N1. , 00000 E.“ am 3. September 2015 durch Einlegen in den dortigen Wohnungsbriefkasten zugestellt. Eine von der Beklagten durchgeführte Abfrage im behördlichen Meldeportal brachte nur einen Datensatz zu einem „N. V. N1.“ hervor. Der Kläger hat am 2. Oktober 2015 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, nicht der im Bescheid genannte „N. N1.“, sondern „N. V. N1“, der als Prozessbevollmächtigter im Klagerubrum genannt ist, sei Halter des Fahrzeugs und somit richtiger Adressat des Leistungsbescheids. Der Kläger beantragt sinngemäß schriftsätzlich, den Leistungsbescheid der Beklagten vom 31. August 2015 aufzuheben. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Jura Intensiv Unter Wiederholung und Vertiefung der Begründung des angegriffenen Bescheids trägt sie weiter vor, den Bescheid an die vom Kläger in seinem Schreiben vom 31. August 2015 genannte Anschrift zugestellt zu haben. Ergänzend führt sie nach Erhalt des gerichtlichen Hinweises vom 17. Dezember 2015, mit dem angeregt wurde, den angegriffenen Bescheid aufzuheben, folgendes aus: Die Ordnungsbehörde hätte den Halter nicht in angemessener Zeit ermitteln können, da hier aufgrund der auswärtigen Zulassungsbehörde und den entstempelten Kennzeichen nur über eine schriftliche Anfrage an das Kraftfahrtbundesamt Informationen zum letzten Halter der auswärtigen Kennzeichen zu erhalten gewesen wären. Dies hätte erfahrungsgemäß etwa drei Wochen gedauert. Es sei im allgemeinen unsicher, ob die ungültigen Kennzeichen tatsächlich jemals dem vorgefundenen Fahrzeug zugeordnet gewesen seien. Auch sei es erfahrungsgemäß höchst zweifelhaft, ob der letzte Halter unter der im Fahrzeugregister hinterlegten Anschrift überhaupt noch erreichbar ist. Selbst wenn der letzte Halter erreicht werden könnte, stehe damit noch kein Verantwortlicher für die Beseitigung der Gefahr fest. Es sei generell als auch bezogen auf den Inhaltsverzeichnis

RA 10/2016 Referendarteil: Öffentliches Recht 543 konkreten Fall notwendig, die vom Abstellen eines nicht zugelassenen Fahrzeugs im öffentlichen Straßenraum ausgehende gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit sofort zu beseitigen, indem das Fahrzeug sichergestellt wird. Die Durchführung eines gestreckten Verfahrens sei bei sachgerechter Prognosestellung mangels ermittelbaren Störers nicht möglich. Auch sei die negative Vorbildwirkung zu berücksichtigen sowie der Umstand, dass solche Autos aufgrund ihres optischen Erscheinungsbildes und der offensichtlichen Verwahrlosung als störend wahrgenommen würden. Auch schwäche es das Vertrauen des Bürgers in den Rechtsstaat, wenn eine festgestellte Störung nach Ablauf der Beseitigungsfrist auf dem Aufkleber für jedermann erkennbar wochenlang nicht beseitigt werde. Der in den Schriftsätzen als „Bevollmächtigte“ genannte N. V. N1. hat trotz der ausdrücklichen gerichtlichen Aufforderung vom 20. Oktober 2015 mit Fristsetzung von 4 Wochen keine Prozessvollmacht vorgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.“ ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE „Das Gericht konnte trotz des Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 2016 verhandeln und entscheiden, weil der Kläger auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde, § 102 Abs. 2 VwGO. Die Kammer konnte gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch die Vorsitzende als Einzelrichterin entscheiden, da ihr der Rechtsstreit durch Kammerbeschluss vom 15. Dezember 2015 zur Entscheidung übertragen worden ist. Das Klagerubrum, das einen „N. N1.“ mit Wohnsitz in I. als Kläger und einen „N. V. N1.“ mit Wohnsitz in E. als dessen Prozessbevollmächtigten ausweist, war von Amts wegen zu berichtigen. In entsprechender Anwendung des § 118 VwGO kann das Gericht auch Falschbezeichnungen von Beteiligten korrigieren. Jura Intensiv Nach dem Rechtsgedanken des § 88 VwGO, demzufolge das Gericht nicht an die Formulierung der Anträge, sondern nur an das Rechtsschutzbegehren gebunden ist, war die Klage dahingehend auszulegen, dass sie von N. V. N1. erhoben wird. Dies entspricht dem wohlverstandenen Rechtsschutzinteresse des Klägers, denn nur diese Klage ist zulässig. Ein „N. N1.“, so diese Person überhaupt existiert, wäre nämlich nicht klagebefugt. Nach § 42 Abs. 2 VwGO kann die Anfechtungsklage nur erheben, wer behaupten kann, durch den Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Dies ist der Fall, wenn eine solche Rechtsverletzung zumindest möglich erscheint. Eine Verletzung jenes „N. N1.“ in eigenen Rechten ist indes von vornherein ausgeschlossen, da nur der Kläger, also N. V. N1., Adressat des angegriffenen Leistungsbescheids ist. Dies ergibt eine Auslegung jenes Bescheids: Der Inhalt eines Verwaltungsakts ist, einschließlich seines Adressaten, durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont zu ermitteln. Die im Privatrecht zu § 133 BGB entwickelten Grundsätze kommen insoweit auch im öffentlichen Recht zur Anwendung. Prozessgeschichte II: Indikativ Perfekt Schlusssatz ist in der Praxis wegen § 117 III 2 VwGO zwar üblich, kostet in einer Klausur aber unnötig Zeit. Prozessvorspann In der Klausur sollte im Tatbestand (Spiegelbildlichkeit!) in der Prozessgeschichte II formuliert werden: „Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist der Kläger nicht erschienen. Mit Beschluss vom … hat die Kammer den Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.“ BVerwG, Beschluss vom 18.8.1981, 4 B 77.81, juris Rn 4 Es ist durchaus zweifelhaft, ob § 88 VwGO auch bei Zweifeln an der Person bzw. Identität des Klägers Anwendung findet. Vielmehr dürfte entscheidend sein, ob die Voraussetzungen des § 82 I 1 VwGO vorlagen, wonach die Klage u.a. den Kläger bezeichnen muss. Auch die Parteibezeichnungen sind nach ihrem erkennbaren objektiven Sinn auszulegen. Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats