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RA Digital - 10/2017

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522 Referendarteil:

522 Referendarteil: Zivilrecht RA 10/2017 „Meinen“ kennzeichnet eine Rechtsauffassung des Klägers. Da hier in tatsächlicher Hinsicht nichts streitig ist, können auch Rechtsmeinungen der Parteien in den Tatbestand aufgenommen werden. Der Kläger meint, mit der erhaltenen Geldleistung der Gegenseite seien zwar seine bislang mit der Klage verfolgten Zahlungsbegehren erledigt, der Rechtsstreit aber nur teilweise. Die von der Beklagten erbrachte Zahlung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ und ihr Kostenanerkenntnis seien rechtsmissbräuchlich, weil dieses Vorgehen nur dazu diene, das Gericht von einer Äußerung zur Sache abzuhalten. Er habe nach wie vor ein Interesse an einer der Rechtskraft fähigen Sachentscheidung: Weil die Beklagte und die VW AG außergerichtlich und in vielen Parallelprozessen dem Rücktrittsverlangen der Geschädigten entgegenträten, sei nicht unwahrscheinlich, dass er künftig auf Rückzahlung der erhaltenen Beträge in Anspruch genommen werde. Er ist der Ansicht, dass aufgrund eines nach Klageerhebung fremdverschuldeten Verkehrsunfall möglicherweise nach der Reparatur ein merkantiler Minderwert verbleibe, der nicht vom Haftpflichtversicherer des Unfallgegners getragen werde. Der Kläger hat den Rechtsstreit teilweise für erledigt erklärt, soweit es den Zahlungsantrag betrifft. Im Übrigen beantragt er, 1. festzustellen, dass für die Zahlung der Beklagten vom 28.06.2017 an ihn in Höhe von 26.221,71 € ein Rechtsgrund bestand und nunmehr das Fahrzeug VW Passat (...) an die Beklagte herauszugeben ist; 2. festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 10.11.2015 in Annahmeverzug mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs VW Passat (...) befindet und sie den unfallbedingten Minderwert zu tragen hat. Die Beklagte hat sich der (Teil-) Erledigungserklärung des Klägers angeschlossen und erklärt, insoweit die Kostentragungspflicht anzuerkennen. Im Übrigen beantragt sie, die Klage in Form der geänderten Anträge abzuweisen. Die Beklagte hat ausdrücklich erklärt, die an den Kläger geleisteten Zahlungen nicht später zurückzufordern und gegen ihn auch keine Ansprüche wegen eines - mit Nichtwissen bestrittenen - unfallbedingten Minderwerts geltend zu machen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat sie ausdrücklich ihre Bereitschaft zur Annahme des Fahrzeugs hervorgehoben. Jura Intensiv Die Zulässigkeit der Klageänderung gehört stets an den Anfang der Entscheidungsgründe, damit geklärt ist, um welchen Streitgegenstand die Parteien vor Gericht kämpfen. Als besondere Zulässigkeitsvoraussetzung der Feststellungsklage ist § 256 ZPO zu prüfen. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klageänderung ist gem. § 264 Nr. 2, 2. Alt ZPO ohne Zustimmung des Beklagten zulässig, denn es handelt sich um eine qualitative Klageermäßigung in Form einer einseitigen Erledigung. Die Feststellungsklage ist unzulässig. Dem Kläger fehlt zum einen für seine nach der Klageänderung verfolgten Feststellungsbegehren das nach § 256 ZPO nötige Feststellungsinteresse, zum anderen fehlt ein zur Feststellung desselben erforderliches Rechtsverhältnis. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2017 Referendarteil: Zivilrecht 523 „II. Gemäß § 256 I ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. II.a) aa) Der Antrag auf Feststellung, dass für die Zahlung der Beklagten vom 28.06.2017 in Höhe von 26.221,71 € nebst Zinsen ein Rechtsgrund bestand, ist schon nicht auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses i.S.d. § 256 ZPO gerichtet. Rechtsverhältnis ist eine bestimmte aus dem Vorbringen des Klägers abgeleitete Rechtsbeziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einem Gegenstand. Dazu können auch einzelne, aus einem Rechtsverhältnis sich ergebende Rechte und Pflichten gehören, nicht aber bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, reine Tatsachen oder etwa die Wirksamkeit von Willenserklärungen bzw. Rechtshandlungen oder die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens. Das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs kann tauglicher Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht aber sind es einzelne Voraussetzungen für bestimmte Rechtsfolgen. Mit dem Antrag auf Feststellung des Rechtsgrunds für die erhaltenen Zahlungen verlangt der Kläger letztlich die Feststellung des Nichtbestehens einer einzelnen Voraussetzung eines für möglich gehaltenen Bereicherungsanspruchs der Gegenseite. Das ist als einzelnes Anspruchselement kein tauglicher Gegenstand einer Feststellungsklage.“ Im Übrigen fehlt das Feststellungsinteresse. Dieses setzt ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung voraus. Nötig ist ein eigenes Interesse des Klägers, das nicht nur wissenschaftlich, affektiv oder ideell sein darf. Folglich begründet es kein rechtliches, gegenwärtiges Feststellungsinteresse des Klägers, dass er möglicherweise in Erfahrung bringen will, wie der Senat die Sache beurteilt hätte, wenn die Klageforderung nicht erfüllt worden wäre. Jura Intensiv Nach Klaglosstellung durch die Kulanzzahlung besteht kein schützenswertes Interesse festzustellen, dass die Zahlung auch ohne Kulanz hätte erbracht werden müssen, also ein Rechtsgrund zur Zahlung bestand. Das Missfallen des Klägers, dass die Beklagte sein Begehren ausdrücklich nicht anerkannt, sondern nur aus Kulanz gezahlt hat, ist im Rahmen des § 256 ZPO unerheblich. Auf das fallübergreifende Interesse der klägerischen Prozessbevollmächtigten, anderer VW-Kunden oder etwa der Öffentlichkeit an der Rechtsauffassung des Gerichts, kommt es im Rahmen des § 256 ZPO ebenso wenig an. Hier fehlt es bereits an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis. Definition des Rechtsverhältnisses: BGH, Urteil vom 31.05.2000, XII ZR 41/98; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 256 ZPO, Rn 5 Nicht dazu zählen Vorfragen und Elemente des Rechtsverhältnisses, BGH, Urteil vom 04.07.1962, V ZR 206/60; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 256 Rn 10 Zur Rechtswidrigkeit: BGH, Urteil vom 20.02.2008, VIII ZR 139/07 Hier begehrt der Kläger mit der Feststellung des Rechtsgrund lediglich die Feststellung einer Tatbestandsvoraussetzung eines denkbaren Kondiktionsanspruchs. Das soll nach Ansicht des Senates nicht genügen. Ein Feststellungsinteresse erfordert ein eigenes, nicht nur ideelles Interesse des Klägers, Musielak-Voit- Foerste, ZPO, § 256 ZPO, Rn 8. Daran soll es mangeln, wenn ein Kläger nur ein Interesse daran habe, die Rechtsauffassung des Senats zu erfahren. Für eine Klageabweisung hätte die Angabe eines einzigen Grundes genügt, hier das fehlende feststellungsfähige Rechtsverhältnis. Die Hilfsbegründung ist eigentlich überflüssig. Im Examen sollte sie allenfalls erfolgen, wenn die unterlegene Partei dazu vorgetragen hat. Das Feststellungsinteresse ergibt sich nicht daraus, dass der Kläger eine spätere Rückforderung durch die Beklagte befürchtet. „II.a) bb) Geht es um die Abwehr von Ansprüchen, ist ein Feststellungsinteresse zu bejahen, wenn sich die Gegenseite solcher Ansprüche berühmt. Für eine Rechtsberühmung reicht es aus, dass die Beklagte geltend macht, aus einem bestehenden Rechtsverhältnis könne sich unter bestimmten Voraussetzungen, deren Eintritt noch ungewiss sei, ein Anspruch gegen den Kläger ergeben. Bloßes Beispielsfall, in dem sich jemand eines Anspruchs berühmt hat: BGH, Urteil vom 20.04.2015, I ZR 127/14 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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