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RA Digital - 10/2017

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536 Öffentliches Recht

536 Öffentliches Recht RA 10/2017 Klarstellung, wann ein KVS vorliegt Wichtig! KVS nach Ansicht des VGH nur (+), wenn um Organrechte /-pflichten im Innenverhältnis der Gemeinde („Innenrechtsstellung“) gestritten wird. „Ein Kommunalverfassungsstreit […] liegt nicht bei jedem Streit vor, dem eine kommunalpolitische Auseinandersetzung im Gemeinderat zugrunde liegt. Ein Kommunalverfassungsstreit liegt auch nicht bei jedem Streit vor, den ein Gemeinderatsmitglied gegen seine Gemeinde führt. […] Ein Kommunalverfassungsstreit besteht vielmehr […] nur dann, wenn die Beteiligten unmittelbar über Bestand und Reichweite gerade zwischenorganschaftlicher Rechte und Pflichten streiten, wenn also umstritten ist, welche „Innenrechtsstellung“ ein Organ oder Organteil gegenüber einem anderen innehat.“ Folglich ist entscheidend, ob hinsichtlich der Veröffentlichung des Zeitungsartikels in der Kolumne „Rathausrunde“ Organrechte bzw. Organpflichten des K in Streit stehen. Organrecht (-), weil Recht zur Meinungsäußerung in dem Zeitungsartikel nicht auf Innenrechtsposition beruht, sondern auf Art. 5 I 1 GG. Art der Veröffentlichung (Rubrik „Rathausrunde“) führt ebenfalls nicht zu einem KVS. Begründung: K übt mit seiner Meinungskundgabe keine Organrechte aus, die ihm im Verhältnis zu anderen Gemeindeorganen zustehen. a) Organrechte des K „Ein Gemeinderatsmitglied hat grundsätzlich das Recht, auch in Angelegenheiten der Gemeinde seine Meinung frei und uneingeschränkt zu äußern. […] Es nimmt dabei allerdings auch keine Aufgaben der Gemeinde und erst [recht] keine Innenrechte gegenüber anderen Gemeindeorganen wahr, sondern übt das ihm verbürgte Grundrecht auf Meinungsäußerung aus. Denn die Vertretung und damit auch die Repräsentation der Gemeinde obliegt nach der Gemeindeordnung allein dem (Ober-)Bürgermeister (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 GemO). Die Äußerung eines Gemeinderatsmitglieds zu kommunalpolitischen Angelegenheiten kann daher allenfalls dann als Wahrnehmung einer gemeindlichen Aufgabe anzusehen sein, wenn das Mitglied in einem Einzelfall ausnahmsweise eigens zur Repräsentation oder Vertretung der Gemeinde etwa bei einer Veranstaltung beauftragt wurde […]. So liegt der Fall hier jedoch nicht. […] Zu einem Inter- oder Intraorganstreit wird der Streit um die Veröffentlichung des Artikels auch nicht dadurch, dass der Kläger seine Meinungsäußerung in der Rubrik „Ratshausrunde“ des Schwäbischen Tagblatts veröffentlicht hat, die diese Zeitung für Äußerungen aus der Verwaltung und dem Gemeinderat der Beklagten eingerichtet hat. Der Kläger weist zu Recht darauf hin, dass ihm diese Plattform als „Privatperson“ ohne kommunalpolitisches Mandat wohl nicht zur Verfügung gestanden hätte. Daraus folgt jedoch nicht, dass er durch die Nutzung dieser Plattform gerade von einem Recht Gebrauch gemacht hat, das ihm als Gemeinderatsmitglied gegenüber anderen Organen oder Organteilen der Beklagten zusteht. Das war auch tatsächlich nicht der Fall. Das Mitglied eines Gemeinderats ist als solches, wie gezeigt, nicht zur Vertretung der Gemeinde berufen. Nutzt das Gemeinderatsmitglied eine Plattform, welche die Presse dem zur Vertretung der Gemeinde befugten Bürgermeister, aber auch anderen kommunalpolitischen Akteuren zur Verfügung stellt, nimmt das Gemeinderatsmitglied eine kommunalpolitische Gelegenheit zur Äußerung, aber trotzdem keine Aufgabe der Gemeinde wahr. Äußert es sich in einem solchen kommunalpolitischen Forum, übt es erst recht keine Rechte aus, welche ihm die Gemeindeordnung gerade im Binnenrechtsverhältnis zu anderen Organen der Gemeinde zugesprochen hat. Das gilt unabhängig davon, ob die „Rathausrunde“ oder ähnliche Rubriken in […] einer unabhängigen Zeitung oder im Amtsblatt einer Gemeinde eröffnet sind.“ Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2017 Öffentliches Recht 537 b) Organpflichten des K Möglicherweise lagen dem Sanktionsverfahren aber Organpflichten des K zugrunde, die ihn im Verhältnis zu anderen Gemeindeorganen binden und damit einen KVS zu begründen vermögen. In Betracht kommt insoweit allein die Pflicht zur Verschwiegenheit. Pflicht zur Verschwiegenheit „Die in § 35 Abs. 2 GemO normierte Pflicht, über alle in nichtöffentlicher Sitzung behandelten Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren, kann zwar, wie der Kläger insoweit zu Recht geltend macht, nur eine Person treffen, die das Amt eines Gemeinderats ausübt. Daraus folgt jedoch wiederum nicht, dass es sich um eine Pflicht handelt, die gerade regelt, welche „Innenrechtsstellung“ ein Organ oder Organteil gegenüber einem anderen innehat. Das ist auch tatsächlich nicht der Fall. Die Schweigepflicht dient der Sicherung der Vorschriften über nichtöffentliche Verhandlungen des Gemeinderats und ist deren Pendant. […] An diesem auf den Schutz des öffentlichen Wohls und der berechtigten Interessen Einzelner bezogenen Zweck der Vorschriften über die Nichtöffentlichkeit zeigt sich, dass auch die Schweigepflicht nicht dem Schutz einzelner Organe oder Organteile dient. Sie ist dem einzelnen Gemeinderatsmitglied daher auch nicht als Abgrenzung seiner Rechtsstellung gegenüber der Rechtsstellung anderer Organe auferlegt und bestimmt mithin nicht das Binnenverhältnis der Organe der Gemeinde untereinander. Daran zeigt sich zugleich, dass eine Erstattung von (Anwalts-)Kosten für die Verteidigung gegen ein Ordnungsgeld, das einem Gemeinderatsmitglied wegen eines Verstoßes gegen seine Verschwiegenheitspflicht angedroht wurde, auch nach Sinn und Zweck des kommunalverfassungsrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs nicht geboten ist. Dieser Anspruch trägt […] dem Umstand Rechnung, dass kommunalen Funktionsträgern Aufgaben und Kompetenzen zwar zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung, jedoch nicht im eigenen Interesse, sondern ausschließlich im Interesse der Gemeinde zugewiesen sind und sie deshalb nicht mit Kosten belastet werden, die bei materieller Betrachtung im Interesse der Gemeinde angefallen sind. Berichtet ein Gemeinderatsmitglied über Angelegenheiten, über die nichtöffentlich verhandelt wurde, öffentlich, nimmt es keine Aufgabe der Gemeinde wahr und handelt es auch nicht in deren Interesse.“ Jura Intensiv Somit stehen keine Innenrechtspositionen des K im Streit, sodass kein KVS vorliegt. Folglich kann er aufgrund seiner Organstellung als Ratsmitglied keine Kostenerstattung verlangen. III. Anspruch aus § 19 I GemO Möglicherweise kann K seinen Kostenerstattungsanspruch aber auf die Bestimmung des § 19 I GemO stützen. „[…] Unter Auslagen im Sinne des § 19 Abs. 1 GemO sind […] grundsätzlich alle Aufwendungen zu verstehen, die dem ehrenamtlich Tätigen für seine Person unmittelbar aus der Tätigkeit für die Gemeinde entstehen. Organpflicht (-), weil Pflicht zur Verschwiegenheit nicht im Innenverhältnis zu anderen Gemeindeorganen besteht, also nicht zur „Innenrechtsstellung“ des K gehört. Kritik: Hier verwischt der VGH die Grenzen zur Klagebefugnis. Dass eine Norm dem Schutz des öffentlichen Wohls dient, lässt die Klagebefugnis des Ratsmitglieds entfallen, bedeutet aber nicht zwingend, dass es an einem KVS fehlt. Es wirkt auch im Ergebnis befremdlich, von einer Pflicht auszugehen, die nur Ratsmitglieder trifft, aber eine Organpflicht abzulehnen. Kostenerstattungsanspruch auch nach seinem Sinn und Zweck nicht gegeben. Argument ist aus dem o.g. Grund fragwürdig (Vorliegen eines KVS wird vermengt mit der Klagebefugnis). Dass kein KVS vorliegt betont der VGH in seiner Entscheidung mehrfach (juris Rn 20, 32). § 19 GemO: „(1) Ehrenamtlich Tätige haben Anspruch auf Ersatz ihrer Auslagen und ihres Verdienstausfalls; […] (2) Durch Satzung können Durchschnittssätze festgesetzt werden.“ © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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