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RA Digital - 10/2017

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540 Öffentliches Recht

540 Öffentliches Recht RA 10/2017 LÖSUNG Die Festsetzung der Sondernutzungsgebühren ist rechtmäßig, wenn sie auf einer wirksamen Ermächtigungsrundlage beruht, die formell und materiell fehlerfrei angewendet wurde. Beachte: Der Seiten-, Rand- und Sicherheitsstreifen ist auch Teil der Straße, § 1 IV Nr. 1 FStrG. I. Ermächtigungsgrundlage für den Gebührenbescheid Da das Fahrzeug am Rande einer Bundesstraße abgestellt wurde, beruht der Gebührenbescheid auf § 8 III 1, 2, 5 FStrG i.V.m. der Sondernutzungssatzung. II. Formelle Rechtmäßigkeit des Gebührenbescheids Der Gebührenbescheid ist formell rechtmäßig, insbesondere wurde K vor seinem Erlass angehört. Sondernutzung: § 8 I 1 FStrG Gemeingebrauch: § 7 I 1, 3 FStrG Problem: Abgestellte Kfz Entscheidend: Ist spätere Wiederinbetriebnahme angestrebt? Abgrenzungskriterien fahrzeugen bei Werbe- Anwendung der Abgrenzungskriterien Wichtig: Verstoß gegen die StVO begründet nicht automatisch Sondernutzung, weil StVO nur das „WIE“ der Straßennutzung regelt, wohingegen es bei der Abgrenzung Gemeingebrauch •• Sondernutzung um das „OB“ der Straßennutzung (den Widmungszweck) geht. III. Materielle Rechtmäßigkeit des Gebührenbescheids Materiell-rechtlich setzt die Ermächtigungsgrundlage voraus, dass eine Sondernutzung vorliegt, also eine Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus, § 8 I 1 FStrG. Nach der Legaldefinition des Gemeingebrauchs in § 7 I 1 FStrG ist der Gebrauch der Bundesfernstraßen jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsbehördlichen Vorschriften zum Verkehr gestattet, wobei nach § 7 I 3 FStrG kein Gemeingebrauch vorliegt, wenn jemand die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken benutzt. Zum Verkehr gehört nicht nur der fließende, sondern auch der ruhende Verkehr (Halten und Parken). Entscheidend ist, ob das Kfz zum Zwecke der späteren Wiederinbetriebnahme abgestellt wurde oder ob überwiegend andere, verkehrsfremde Zwecke (konkret: Werbezwecke) verfolgt werden. Dafür kommt es auf die Umstände des konkreten Einzelfalls an. „Objektive Anhaltspunkte für die Beurteilung, ob ein Fahrzeug als Werbeträger auf einer öffentlichen Straße abgestellt ist, können unter anderem sein: die technisch-konstruktive Bauart des Fahrzeugs (etwa ein zum Transport ungeeigneter Anhänger), die Gestaltung der Werbebeschriftung, die Wahl des Abstellungsortes (etwa an einer stark befahrenen Straße oder auf der Brücke über eine Autobahn), die Ausrichtung zur Straße (längs oder quer zur Fahrbahn), die Entfernung zur Wohnung oder zum Betriebssitz, die konkrete Dauer der Aufstellung und Ähnliches mehr. Jura Intensiv Es handelt sich um ein zugelassenes und jederzeit fahrtaugliches Fahrzeug ohne besondere Konstruktionen oder die Fahrersicht behindernde Werbeaufdrucke. Wie bei anderen Firmenwagen auch geschah die Werbung nur aus Anlass der Fahrzeugnutzung. […] Auch eine besondere Ausrichtung […] war bei dem Fahrzeug der Klägerin […] nicht erkennbar. Soweit die Beklagte darauf Bezug nimmt, dass das Fahrzeug nicht im straßenverkehrsrechtlichen Sinne abgestellt worden sei, weil es auf dem Gehweg geparkt worden sei, liegt darin objektiv noch keine besonders auffällige Ausrichtung zur Straße. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass straßenverkehrsordnungswidriges Handeln nicht automatisch eine Sondernutzung begründet. Im Gegensatz zu einem Verstoß gegen die allgemeinen straßenrechtlichen Schranken, der regelmäßig zur Annahme einer Sondernutzung führt, stellt ein Übertreten der Verkehrsregeln (nur) eine straßenverkehrsrechtlich unzulässige Art der Gemeingebrauchsausübung dar. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 10/2017 Öffentliches Recht 541 […] reicht allein der Umstand, dass das Fahrzeug der Klägerin an einem gut sichtbaren und für Werbezwecke geeigneten Ort abgestellt wurde, für die Annahme einer Sondernutzung noch nicht aus. Anderenfalls dürften Fahrzeuge mit Werbeaufdrucken, die stets auch einen gewissen Werbezweck verfolgen, nicht ohne weiteres an gut einsehbaren Orten abgestellt werden, auch wenn sie überwiegend zur (weiteren) Teilnahme am Straßenverkehr geparkt werden. […] Auch ein Parken an einem vom Betriebssitz oder von der Wohnung entfernten Ort kann allein in diesen Fällen für die Annahme einer Sondernutzung nicht ausreichen, selbst wenn das Fahrzeug an einer Hauptverkehrsstraße abgestellt wird. Anderenfalls würden bei Fahrzeugen mit einfachen Firmenaufdrucken erhebliche Abgrenzungsprobleme zwischen Sondernutzung und Gemeingebrauch entstehen. Allein aus der Entfernung Rückschlüsse auf den fehlenden Zweck der späteren Wiederinbetriebnahme zu ziehen, ist ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht möglich. […] objektiv lässt sich aus dem Abstellort nicht schließen, dass keine Inbetriebnahme gewollt ist, auch wenn eine größere Entfernung zum Betriebssitz besteht. Diese Entfernung ist objektiv nicht ohne weiteres erkennbar. […] Vor diesem Hintergrund spricht hier allein der Abstellort auch unter Berücksichtigung der Lage an einer Hauptverkehrsstraße in unmittelbarer Nähe zu einer Ampelkreuzung, McDonalds, einer Tankstelle und mehreren Autohändlern, die Entfernung zum Betrieb, und dass hinter dem Parkstreifen auf dem Gehweg geparkt wurde, im Hinblick auf eine objektive Bewertung nicht hinreichend deutlich für einen vorrangigen Werbezweck. Dies gilt auch unter zusätzlicher Berücksichtigung der Parkdauer. […] Denn in der Gesamtschau von Parkdauer und konkretem Abstellort ist gerade vor dem Hintergrund des vergleichsweise unauffälligen Erscheinungsbildes und der fehlenden besonderen Ausrichtung zur Straße noch kein objektiv im Vordergrund stehender Werbezweck anzunehmen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil eine Parkdauer von drei Wochen unabhängig von Werbezielen grundsätzlich noch anderen Umständen (Urlaub, Krankheit, Parkplatznot aufgrund baulicher Maßnahmen o. Ä.) geschuldet sein kann. […] Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber eine allgemeine Begrenzung der Abstelldauer für PKW - im Gegensatz zur Parkdauer von zwei Wochen für Kraftfahrzeuganhänger ohne Zugfahrzeug gemäß § 12 Abs. 3b Satz 1 StVO - gerade nicht vorgesehen hat.“ Jura Intensiv Restriktive Handhabung des Kriteriums „Ort des Abstellens“ Kriterium „Dauer des Abstellens“ ist ebenfalls restriktiv anzuwenden 3 Wochen kein ungewöhnlich langer Zeitraum Keine gesetzliche Begrenzung der Parkdauer Demnach liegt keine Sondernutzung der Bundesstraße durch K vor, sodass der Gebührenbescheid rechtswidrig ist. FAZIT Das Straßenrecht ist zwar kein „Dauergast“ im 1. Examen, kann in seinen Grundzügen aber durchaus einmal Klausurgegenstand sein. Dann muss in aller Regel der erlaubnisfreie Gemeingebrauch von der erlaubnispflichtigen Sondernutzung abgegrenzt werden, wie es in der Entscheidung des OVG Münster geschieht. Besondere Beachtung sollte die detaillierte gerichtliche Auswertung der Sachverhaltsangaben finden, weil das leider allzu oft in den Klausurbearbeitungen nicht geschieht. Vgl. z.B. NRW, Sachsen-Anhalt, Rh.-Pfalz und Thüringen, 1. Examen, Termin August 2016, 1. Klausur (Ringtauschklausur) © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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